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Jesus: „Ich werde bei meiner zweiten Wiederkunft nicht mehr aus einem Weibe

irgendwo wieder als ein Kind geboren werden;  denn dieser Leib bleibt verklärt

so wie Ich als Geist in Ewigkeit, und so benötige ich nimmerdar eines zweiten

Leibes in der Art, wie du das gemeint hast.

Ich aber werde zunächst unsichtbar kommen in den Wolken des Himmels, was

so viel sagen will als: Ich werde vorerst Mich den Menschen zu nahen anfangen

durch wahrhaftige Seher, Weise und neuerweckte Propheten, und es werden

in jener Zeit auch Mägde weissagen und die Jünglinge helle Träume haben,

aus denen sie den Menschen meine Ankunft verkünden werden, und es werden

sie viele anhören und sich bessern;  aber die Welt wird sie für irrsinnige Schwärmer

schelten und ihnen nicht glauben, wie das auch mit den Propheten der Fall war.“

Jakob Lorber, Das große Johannes-Evangelium, Band 9, Kapitel 94, (2) und (3)

 

[III] >Wiedergekommener Heiland<, >Messias<  -  Übersicht

Textregister 10/55, 2/56, 2/7, 1/58, 2/9, 5/9, 6/9, 9/9, 9/10, 9/12, 8/13, 4/15, 9/65, 5/66,

 6/66, 6/18, 2/70, 1/21, 3/21, 4/21, 2/22, 3/72, 1/23, 2/73, 5/73, 10/73, 1/24,

 4/24, 8/74, 1/25, 8/25, 8/75, 10/75, 1/27, 6/28, 10/28, 1/29, 4/29, 8/79, 10/29,

 6/30, 10/30, 10/80, 2/81, 4/31, 5/31, 2/32, 5/32, 7/32, 9/32, 9/83, 10/83, 5/36,

 5/86, 6/86, 5/88, 3/41, 3/91, 8/41, 10/91, 3/42, 1/43, 2/43, 10/93, 9/44, 10/44,

 1/95, 2/45, 4/95, 1/96, 5/96, 8/46, 9/46, 2/97, 1/48, 6/48, 10/49, 1/50, 1/100,

 6/50, Sz 1, Sz 15, Sz 16, Sz 19, Sz 39, Sz 44, Sz 45, Sz 46, Sz 56

Die in der folgenden Übersicht rot markierten und unterstrichenen Fundstellen

werden weiter unten kommentiert.

 

>Wiedergekommener Heiland<, >Messias<

(1) erscheint als solcher

- während des Kataklysmus 3/91 Vz 1/2 [s.u.}

- oder gleich danach 1/46 Vz 2/3, 1/23 Vz 3/4

(2) kann erscheinen, weil die Hoffnung 1/29 Vz 2 (>Woge< trägt ihn

der Menschen auf ein Eingreifen Gottes >an Land<)

das möglich macht

(3) ist selbst in großer Gefahr, 2/7 Vz 1/2 (unter Deportierten)

wenn er seinen Ursprung findet 9/84 Vz 1 (ausgesetzt)

 9/65 Vz 1/2 (ergriffen und in fremdes

 Gebiet gebracht)

(4) entstammt den Juden des Staates Israel, 7/32 Vz 1 (geboren von Sesshafter)

gilt manchen Landsleuten als der Messias, 3/91 Vz 1/2 (toter Baum treibt aus)

d.h. der ihrem Volk gesandte Gesalbte 8/79 Vz 1 (geboren von einer Nonne)

Gottes 6/18 Vz 2 [s.u.] (Hebräer)

(5) verdankt hohes Ansehen auch der 1/95 (Findelkind vor Kloster)

Akzeptanz durch die katholische Kirche 8/75 (>Mutter< trägt ihn aus)

 9/10 (Kind von Mönch/Nonne)

(6a) wird für unübertrefflich weise gehalten 5/31 (Haupt der Weisheit)

 4/31 (neuer Weiser, einzigartiges Hirn)

 2/97 [XI], 5/96 [XI], Sz 44 (Rose der Welt)

 5/66 Vz 4 [X] und Sz 15 (Leuchte),

 3/72 Vz 3 [XI] ([geistiger] Reichtum),

 4/15 Vz 3 (Auge des Meeres)

 VH (20) (spielt den Weisen)

 Sz 1 (der Katharina mächtiges Haupt)

(6b) ist aber nur schlau und umsichtig 8/41 [s.u.] (Fuchs), 4/21 [VII] (umsichtig)

(7) bietet den Anschein hoher Gesinnung 4/21 [VII] (Hochgesinnter)

und Heiligkeit 6/30, 10/30 [IX] (neuer Heiliger)

 9/83 Vz 4 [XI] (>Gott<)

 8/41 Vz 2 (>gibt< den Heiligen)

(8) ist rhetorisch hoch begabt und will die 10/85 Vz 1 [X] (Tribun)

Menschen geistig formen 1/96 Vz 4 [VIII] (brillante Rede),

 8/41 Vz 1 [s.o.] (rhetorische Pause)

(a) die Menschen hören ihm zu mit kindlichem 1/21 Vz 2 (>Milchspeise<)

Vertrauen, prüfen seine Lehren nicht 1/21 Vz 3 (wagen kein Antasten)

(b) er bedient sie mit dem erwünschten Tadel 4/31 Vz 3 [s.o.] (ewiggültige

wegen ihres bisher gottfernen Lebens Schelte)

(c) und verkündet ihnen gleichzeitig die nun 1/69 Vz 1/2 [VII] (Läuterungsberg)

erreichbare Reife für das Gottesreich auf Erden 4/31 Vz 1/2 [s.o.] (Hoher Berg)

(9) zieht als Wanderprediger umher, auch später

noch, wenn er schon Macht hat  10/93 Vz 1/2

(10) gibt sich christlichen Anschein 1/29 [s.o.], 3/21 [s.u.] (Fisch)

Sz 39 (wie die Sonne im Zenit)

(a) die christliche Religion stehe bei ihm

in höchstem Ansehen 10/28 Vz 1/2

(b) er vollende, was Christus >angefangen< 4/24 Vz 1 (Christus spricht durch ihn)

habe, für alle Zukunft Sz 16 (ergreift das Salböl des

Himmelsherrschers)

10/29 Vz 1, 9/85 Vz 4 (er Pollux,

der andere Castor)

(c) wozu er bevollmächtigt sei

vom Allmächtigen 10/29 Vz (Mansol = manus sola)

und Allwissenden 8/46 Vz 1 (mensolee = mens sola)

als dessen Sohn 2/81 [II] (Phaeton als Sohn des Helios)

(d) gilt vielen Christen als der 1/25 Vz 1/2 (guter Hirte wieder da)

>wiedergekommene Heiland< 3/72 Vz 1/3 [XI] (guter Alter/ neuer Alter)

 1/43 Vz 4 [VIII] (Frohe-Weihnachts-Felsen)

(e) Jesus Christus und er gelten als 1/95 Vz 4 [s.o.] (Zwillingsbruder)

>sehr eng verwandt< 1/58 Vz 1/2 [IV] (siamesischer Zwilling)

 4/29 (Merkur – Hermes)

(11) gilt als spirituell  u n d  politisch kompetent 1/29 Vz 1 [s.o.] (land- und wassertauglich)

Sz 19, Sz 45 (Amphibie)

3/21 (schrecklicher Fisch an Land)

5/88 (Meeresungeheuer aus anderen

Meeren am Strand gefunden)

10/80 [VIII] (öffnet die ehernen Tore des

Himmels)

8/74 [VII] (politische Billigung und religiöse

Verehrung derselben Person)

(12) gilt als Mann von höchster Friedenskompetenz

(a) kann auf große Erfolge bei der Vermitt- 1/23 Vz 3/4, 4/15 Vz 3/4

lung von Friedensschlüssen verweisen 4/95 Vz 3/4 [VII], 6/18 Vz 1/2

(b) gibt sich friedlich und dem Frieden 1/100 Vz 3 (Friedenstaube)

verpflichtet, dahinter verbirgt sich seine 2/7 Vz 2 [s.o.], 3/42 Vz 2 (Zähne in der Kehle)

Aggressivität

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        [III] >Wiedergekommener Heiland<  -  Auswahl kommentierter Texte

        (1) Erscheint gleich nach dem Kataklysmus

         Nach drei Nächten Staunen über wunderbares Ereignis

 

 

01/46   Tout aupres d‘ Aux, de Lectore & Mirande/

Grand feu du ciel en troys nuicts tumbera:/

Cause auiendra bien stupende & mirande:/

Bien peu apres la terre tremblera. (1555)

 

Ganz in der Nähe von Auch, Lectoure und Mirande,/

wird großes Feuer vom Himmel in drei Nächten fallen./

Eine Sache wird sich ereignen, sehr erstaunlich und wunderbar./

Recht bald danach wird die Erde beben.

 

2) Zu Feuer vom Himmel s. Glossar unter -> foudre.

3) Lat. v. stupere staunen, danach ist gebildet stupende erstaunlich;

lat. adj. mirandus wunderbar, danach ist gebildet mirande.

4) Zum Beben der Erde s. Glossar unter -> trembler.

 

 

         Vz 2 [Feuer vom Himmel in drei Nächten]  Feuer vom Himmel ist bei N. meistens  n i c h t  wörtlich

         gemeint, sondern bedeutet Bannstrahle, d.h. gesetzliche Verbote.  Aber eine Geltungsdauer von drei

         Nächten ergibt keinen Sinn.  Daher ist hier etwas Anderes gemeint.  Nahe genug an die Erde heran-

         gekommen, wird der Komet, den N. vielerorts ankündigt, wie eine zweite Sonne erscheinen, 2/41 [II]. 

         Daher ist seine Bezeichnung als „großes Feuer vom Himmel“ keine Übertreibung.  Wenn er dann sehr

         dicht an der Erde vorbeizieht, wird er eine tiefe Finsternis verursachen, VH (18), wohl durch Staub und

         Gas, die er mit sich führt (-> nuit).  Diese Finsternis soll „drei Nächte“ anhalten, was übereinstimmt

         mit den Aussagen nicht weniger anderer Paragnosten.

         Vz 1 [Auch, Lectoure und Mirande]  Die Stadt „Auch“ und die Kleinstädte „Lectoure“ und „Mirande“ im

         südfranzösischen Département Gers, die N. in diesem Zusammenhang erwähnt, 8/2, bedeuten nicht,

         dass das Feuer vom Himmel und die dann folgende Nacht auf diese Orte im Süden Frankreichs

         begrenzt sind.  Sie erschienen in der Vision, und N. hat das notiert;  möglich auch, dass er sich dort

         aufhielt, als er diese Vision hatte.  Wer die „drei Nächte“ nicht per Vision, sondern am eigenen Leib

         erlebt, wird im Übrigen gut beraten sein, daheimzubleiben und auch dort die Schaulust zurückzustellen. 

         Eine >Nacht< dieser Art dürfte mit dem Leben kaum vereinbar sein (vgl. Stephan Berndt, Alois Irlmaier,

         Weilersbach 2009, S. 257ff).

         Vz 3 [Sache ereignet sich, erstaunlich und wunderbar]  In einer >Nacht<, nämlich während der Finsternis,

         die der Kometensturz verursacht, wird der Stammbaum, der einst Christus hervorbrachte, wieder aus-

         treiben, 3/91 [s.u.].  Diese Ankunft der besonderen Art, VH (6), wird die meisten Menschen, die davon

         hören, erstaunen und verwundern, weil nur Wenige darauf gewartet oder noch damit gerechnet haben. 

         Das Gerücht, >der Heiland< sei >wieder auf Erden erschienen<, wird  n a c h  dem Kataklysmus bei

         den Überlebenden umlaufen.  Denn  w ä h r e n d  der kosmisch bedingten Finsternis wird man von

         Nachrichten aller Art eher abgeschnitten sein.  Man mag einwenden, der >wiedergekommene Heiland<

         sei doch keine „Sache“;  aber hier drückt sich N. sich absichtlich unklar aus.

         Vz 4 [Beben der Erde bald danach]  Vers 5/20 (Kap.21) handelt vom französischen Italienfeldzug der

         Jahre 1801/02 und spricht auch von der Revolution, die sich „kurz vorher“ ereignen werde.  Eine Zeit

         von zwölf Jahren erscheint aus N.s Perspektive also kurz.  Daher sollte es nicht verwundern, wenn das

         >Beben der Erde< durch >Blitz und Donner<  - gemeint sind die politischen Erschütterungen durch

         das Verbot der alten Religionen, 9/83 [XI] -  hier für die Zeit „recht bald danach“ angekündigt werden,

         obwohl damit erst einige Jahre später zu rechnen ist.

       

        (2) Die Hoffnung auf das Eingreifen Gottes ermöglicht sein Erscheinen

        Eine starke Woge trägt einen landtauglichen Fisch ans Ufer

 

 

 

01/29   Quand le poisson terrestre & aquatique/

Par forte vague au grauier sera mis,/

Sa forme estrange suave & horrifique,/

Par mer aux murs bien tost les ennemis. (1555)

        

Wenn der Fisch, land- und wassertauglich,/

durch eine starke Woge auf den Strand getragen wird,/

(wird) seine fremdartige Form lieblich und schrecklich (erscheinen)./

Über‘ s Meer zu den Mauern (kommen) recht bald die Feinde.

 

1) Zum Fisch s. das Glossar unter -> poisson.

2) Mittelfrz. n.m. gravier Kiesfläche (étendue de gravier), Stand (plage)

4) Zum Meer s. das Glossar unter -> mer, zu den Feinden s. das Glossar unter -> ennemi.

 

 

         [Fehldeutung]  Es soll um die Landung der Alliierten in der Normandie im Juni 1944 gehen.  Für diese

         gewaltige amphibische Operation werden überlegene Flottenverbände an der französischen Kanalküste

         zusammengezogen. Infanteristen in großer Zahl werden an die Ufer verfrachtet.  Die „starke Woge“

         wäre der anbrandende Sturmangriff, der den auf Befreiung Hoffenden „lieblich“ und den Angegriffenen

         "schrecklich" erscheint. Die "Mauern" wären die zum >Atlantikwall< ernannten Befestigungsanlagen.

         Doch es ist von nur e i n e m Fisch die Rede, der sich an Land und im Wasser bewegen kann, was die

         1944 in Vielzahl auftretenden Landungsboote n i c h t vermögen. Ihre Form ist die für Boote übliche und

         nicht "fremdartig". Und es sind F r e u n d e der Franzosen, die da über 's Meer kommen, keine Feinde,

wie der Vers es will (-> ennemi).

         Vz 1/3 [Fisch, land- und wassertauglich/ fremdartige Form]  Wie hier begegnet in Vers 3/21 [s.u.]

         ein „grausiger Fisch mit menschlichem Antlitz und fischigem Schwanz“, also wie hier ein Fisch von

         ungestalter und „fremdartiger Form“.  Dieses fremdartige, offenbar aus dem Meer stammende Wesen

         lässt sich dort an einer Angel aus dem Wasser ziehen, scheint auf das Leben an Land erpicht und

         dazu auch fähig zu sein, ist also wie hier „land- und wassertauglich“.  Die Herkunft aus dem Meer

         will hier wie dort besagen, dass der Gemeinte den Anschein erwecken wird, dem Bereich der Religion

         seinem Ursprung nach anzugehören.  Er fängt an als Mahner und Prediger, 4/31 [s.u.].  Seine Land-

         tauglichkeit bedeutet, dass dieser Mann außer spiritueller auch politische Kompetenz beanspruchen,

         d.h. durch sein Verhalten Zuständigkeit auch für die weltlichen Dinge zu erkennen geben wird. 

         Die fremdartige, amphibische Form ist ein Gleichnis für den Anschein dieser doppelten Kompetenz

         und Zuständigkeit.

         Vz 2 [Starke Woge trägt ihn an Land]  Das >Meer< als Symbol ist bei N. der Schöpfungsgrund,

         das Jenseits, d.h. der Bereich der Religion, und das >Land< bedeutet den weltlichen (politischen)

         Bereich, das Diesseits (-> mer, -> terre).  Die >starke Woge<, die den >Fisch< an Land trägt,

         steht für die schweren Turbulenzen, in welche das >Meer< in der Zeit des Kataklysmus und des

         voraufgehenden kriegerischen Geschehens gerät.  Die Selbstvernichtung des Menschen scheint

         in greifbare Nähe gekommen zu sein;  die Hoffnung, dass Gott irgendwie eingreifen möge,  

         lebt gewaltig auf.  Diese >Woge< hat die Schubkraft, einen Menschen >an Land< zu spülen,

         den die Hoffnung auf Rettung aus höchster Not erschafft.  Die annähernde Gleichzeitigkeit des

         Kataklysmus mit der Erscheinung eines gottgesandt scheinenden Mannes ist auch in 1/46 [s.o.]

         und 3/91 [s.u.] ablesbar und unterstützt so diese Deutung der >Woge<.

         Vz 3/4 [Angenehm und schrecklich/ Feinde an den Mauern]  Die widersprüchliche Wertung des

         >Fisches< als „angenehm“ und „schrecklich“ ist aus der Verschiedenheit der zeitgenössischen

         und der prophetischen Perspektive zu verstehen.  Für die Zeitgenossen kann es schlimmer nicht

         mehr kommen, für sie verkörpert sich die Hoffnung auf Frieden und das Überleben der Menschheit

         in dem Mann mit der scheinbaren Doppelkompetenz;  doch der Seher kennt auch das schreckliche

         >Ende vom Lied<.  Die >Mauern< (-> mur) bedeuten hier den geistlichen Schutz durch die Kirchen,

         der anschließend durch die nach Europa vordringenden Muslime erschüttert und durch die

         Anhänger des >Wiedergekommenen< am Ende niedergerissen wird, wenn dessen Herrschaft

         zu voller Entfaltung gelangt ist.

 

      (3) Ist selbst in großer Gefahr, wenn er seinen Ursprung findet

       Ausgesetzter König wird das Blutbad vollenden

 

 

09/84   Roy exposé parfaira l‘ hecatombe,/

Apres auoir trouué son origine,/

Torrent ouurir de marbre & plombe la tombe/

D’ vn grand Romain d’ enseigne Medusine. (1568)

 

König ausgesetzt.  Er wird das Blutbad vollenden,/

nachdem er seinen Ursprung gefunden hat./

(Eine) Sturzflut öffnet das Grab aus Marmor und Blei/

eines großen Römers vom Zeichen der Medusa.

 

1) Der Begriff Hekatombe findet sich auch in 2/16 und 10/74.

3) Zu Marmor und Grab s. das Glossar unter -> sepulchre;

zu Blei unter -> plomb.

4) Zum großen Römer s. das Glossar unter -> Rome.

 

 

         Es geht um einen „König“, erst am Ursprung, dann auf dem Höhepunkt seiner Macht (großer Römer). 

         Am Beginn ist er „ausgesetzt“, in großer Gefahr durch eine Hekatombe, ein großes Blutbad, sowie

         durch eine Sturzflut.  Am Ende ist er als „großer Römer“ mächtig, erregt Furcht - Medusas Blick lässt

         den Angeschauten erstarren -  und „vollendet die Hekatombe“.  Eine Hekatombe bedeutet ursprünglich

         das Opfer von einhundert Tieren, die einem Gott dargebracht werden.  Im übertragenen Sinn ist eine

         Hekatombe auch eine große Anzahl an Menschen, die einem unheilvollen Ereignis, z.B. einem

Massaker zum Opfer fallen. 

         Vz 1/3 [König ausgesetzt/ Sturzflut/ findet seinen Ursprung]  Der Gemeinte findet seinen Ursprung

         in einer Zeit, in der er und sein Volk höchst gefährdet sind.  Viele werden getötet (Hekatombe),

         andere fliehen oder werden „auf Inseln deportiert“, wo sie hungern, 2/7 [s.u.], und „ausgesetzt“ sind. 

         Zu diesen anderen, die sich dem Blutbad entziehen können, gehört der gefährdete spätere „König“. 

         In dieser Situation äußerster existenzieller Bedrohung kommt er auf die Idee oder wird darauf

         gebracht  - wir erfahren nichts Näheres -, dass er der Messias seines Volkes sein könnte. 

         Dass der >Wiedergänger< wie Jesus von Nazareth vor der Zeit seines Wirkens in seiner Existenz

         bedroht ist, hat N.  g e s e h e n, erfüllt damit also nicht nur einen literarischen Topos.

         Die Sturzflut, 2/33 [II], gehört zum Naturgeschehen des Kataklysmus, das u.a. Überflutungen mit

         sich bringt, 2/81 [II], und die im Gang befindlichen kriegerischen Auseinandersetzungen beendet

         und so das Geschehen in neue Bahnen lenkt.

         Vz 2 [Grab geöffnet eines großen Römers …]  Die Öffnung des Grabes eines >großen Römers<

         bedeutet wie in 3/65 [IV] und 6/66 [VIII], dass die Idee des Weltreichs mit einem Kaiser an der

         Spitze wiederbelebt wird, der zugleich die oberste weltliche Macht und die oberste religiöse

         Autorität innehat.  Diese Idee wird hoch geschätzt (Marmor), weil man sich davon ein neues Zeit-

         alter des Weltfriedens verspricht entsprechend der PAX ROMANA des antiken Imperiums.

         Vz 1/4 [… vom Zeichen der Medusa/ vollendet die Hekatombe]  Wenn sich seine Herrschaft dem

         Ende zuneigt, wird der Medusensohn, 5/9 Vz 3 [XI], sein Vorhaben enthüllen, eine Einheitsreligion für

         alle Menschen verbindlich zu machen.  Er wird enthusiastisch verehrt, verbreitet aber auch Grauen,

         da er wie Gott verehrt zu werden beansprucht, 9/83 Vz 4 [XI].  Die Friedensfeste des Regimes

         werden begleitet sein von der >Opferung< (Hekatombe) jener Menschen, die diesen Festen fern

         bleiben, weil sie ihrem alten Glauben nicht abschwören wollen.  Das „Vollenden“ der ersten durch

         die zweite Hekatombe deutet auf eine Parallele der Vorgänge am Beginn und auf dem Höhepunkt

         der Herrschaft des >großen Römers<.  Beide Male ist es ein Volk, das sich als >Volk Gottes<

         versteht, und das wegen dieses Selbstverständnisses verfolgt und getötet wird.

 

         Unter Deportierten einer mit zwei Zähnen im Rachen

 

 

02/07   Entre plusieurs aux isles deportés,/

L‘ vn estre nay à deux dens en la gorge/

Mourront de faim les arbres esbrotés/

Pour eux neuf roy nouel edict leur forge. (1555)

 

Unter mehreren auf die Inseln Deportierten/

wird der Eine erscheinen mit zwei Zähnen im Rachen./

Sie werden an Hunger sterben, (wenn) die Bäume ausgetrieben

(haben),/ Ihretwegen schmiedet (der) neue König ihnen (ein)

neues Edikt.

 

3) Altfrz. v. broster, mittelfrz. v. brouter 1. Knospen treiben (bourgeonner),

2. abweiden, abfressen (brouter)

 

 

         Vz 2 [Einer mit zwei Zähnen im Rachen …]  Die im Rachen verborgenen Zähne sind ein Bild

         verborgener Aggressivität.  Der Gemeinte erweckt einen >zahnlosen<, d.h. friedlichen Eindruck. 

         In der Tiefe seines Rachens und Wesens aber ist er bereit, all jene zu zermalmen, die sich seinem

         friedlichen Werben verschließen.  In Vers 3/42 erscheint ähnlich wie hier ein >Kind mit zwei Zähnen

         im Rachen<, ein am Beginn seines Auftretens (Kind) friedlich scheinender Mensch.

         Vz 1/3 [… erscheint unter Deportierten/ Hungersnot auf Inseln]  Sein Erscheinen, wörtlich: seine

         >Geburt<, ist sein erstmaliges öffentliches Auftreten als Mahner und Prediger.  Dieses ereignet

         sich in einer Zeit, da er und Menschen seines Volkes „deportiert“ sind.  Da er dem jüdischen Volk

         des Staates Israel angehört, s.u. Abschnitt (4), scheint dieses Volk in großer Bedrängnis zu sein,

         wenn er die Bühne betritt.  Die Hungersnot „auf den Inseln“ scheint hier wörtlich gemeint zu sein,

         d.h. die Nahrungsmittel sind knapp. 

         Vz 4 [Ihnen schmiedet neuer König ein neues Gesetz]  Später wird dem vermeintlich Zahnlosen

         Macht übertragen, [VIII].  Daher ist er hier in der letzten Zeile der „neue König“.  Seine Macht

         wird er u.a. dazu gebrauchen, für das Volk, dem er entstammt, ein „neues Edikt“ zu erlassen.

         Es wird dann „den Inseln die Freiheit zurückgegeben“, 6/58 Vz 4 [VI], und so den Juden

         „Gunst erwiesen“, 6/18 Vz 4 [s.u.]

 

      (4) Entstammt den Juden des Staates Israel                       

       Lange toter Baum wird über Nacht grün

 

 

03/91   L‘ arbre qu‘ auoit par lôg temps mort seché,/

Dans une nuit viendra a reuerdir:/

Cron. roy malade, prince pied estaché/

Craint d’ ennemis fera voile bondir. (1555)

 

Der Baum, der für lange Zeit tot war,/

wird in einer Nacht wieder beginnen auszutreiben./

König Kronos krank, (der) Fürst fußdurchbohrt,/

Furcht vor Feinden scheucht ein Segel auf.

                          

3) Cron. steht für Kronos.  Zu Kronos s. das Glossar unter Saturn.

Altfrz. v. estachier befestigen (attacher), einrammen (ficher),

durchbohren (percer, transpercer)

4) Manche späteren Textausgaben haben criant statt craint.

Wendung faire bondir aufscheuchen. Craint kann Substantiv sein oder

das p.p.p. von craindre gefürchtet: „Gefürchtet von Feinden, wird er ein

Segel aufscheuchen“. Einen Sinn ergibt das allerdings nicht.

Zum Segel s. Glossar unter nef.

                   

 

         Vz 1/2  [Lange Zeit toter Baum treibt aus]  Das Volk der Juden kann als Stammbaum (-> arbre)

         aufgefasst werden, der den Heiland hervorgebracht hat.  Dieser Stammbaum war lange >tot und

         vertrocknet< in dem Sinn, dass kein Heiland, keiner wie Jesus von Nazareth mehr aus ihm hervor-       

         gegangen ist.  Nach dem Kataklysmus tritt erstmals seit zwei Jahrtausenden wieder jemand auf,

         der ernstlich im Verdacht der Messianität steht.  Auch viele Christen werden dann glauben, dass

         >derselbe Baum wie damals< vor 2000 Jahren >wieder austreibt<.  Dieser >Messias< entstammt

         demnach dem Volk der Juden. 

         Vz 2 [In einer Nacht]  Der Kataklysmus geht mit außerordentlichen Verfinsterungen, VH (18),

         sowie Überflutungen einher, 2/81 [II].  In dieser Zeit findet der >neue Messias< seinen Ursprung,

         9/84 [s.o.].  Der Stamm, der Christus hervorgebracht hat, wieder in einer Nacht wieder austreiben,

         d.h. a) in der natürlichen Finsternis des Kataklysmus und b) über Nacht, unversehens, in unerwartet

         kurzer Zeit (-> nuit).

         Vz 3/4 [König Kronos krank/ Fürst fußdurchbohrt]  Die zweite Vershälfte springt in die Zeit, wenn 

         >Kronos König< ist.  Unter dem vermeintlich Wiedergekommenen wird ein >goldenes Zeitalter<

         (entsprechend dem >Gottesreich auf Erden<) ausgerufen, 5/32 [VII], in dem nach dem griechischen

         Mythos Kronos (-> Saturn) herrscht. 

         Hier ist er schon wieder >krank<, d.h. der Glaube an ihn ist schon beschädigt.  Grund dafür ist, dass

         einem Fürsten der >Fuß durchbohrt< ist.  Der letzte Vorsteher der katholischen Kirche wird sein

         Kreuz erleiden, 8/45, wenn die katholische Kirche durch Dekrete eines „Strengen“ vernichtet wird,

         10/65 [XI].  Furcht vor den dann offen zu Feinden gewordenen Anhängern des >Wiedergekommenen<

         wird ein >Segel< (-> nef), d.h. die katholische Kirche, aufscheuchen.  Es wird den >Hafen des

         Erwählten<, 4/88 [V], verlassen und untergetaucht schwimmen müssen, 3/13 [XI].

 

       Geboren von einer Sesshaften

 

 

07/32   Du mont Royal naistra d’ vne casane,/

Qui caue, & compte viendra tyranniser,/

Dresser copie de la marche Millane,/

Fauence, Florence d’ or & gens espuiser. (1568)

                  

Vom königlichen Berg wird geboren werden von einer Sesshaften/

(einer),/ der Gruft und Erzählung tyrannisieren wird./

Sie stellen Truppen auf vom Mailänder Grenzland,/

um Faenza (und) Florenz von Gold und Menschen zu leeren.

          

1) N.f. casanière häusliche Frau (qui aime à rester chez soi), seßhafte Frau

(sédentaire), hier abgekürzt zu casane wegen des Reimes und zur Verschleierung.

2) Altes n.f. cave Grabgewölbe in einer Kirche (caveau dans une èglise),

Höhle (caverne); zur Gruft s. das Glossar unter -> sepulchre.

Mittelfrz. n.m. compte wahrer Bericht (récit de choses vraies), unterhaltende

Erzählung (récit pour divertir), phantastische Geschichte (récit fantaisiste),

betrügerische Erzählung (récit pour tromper)

3) Lat. n.f.pl. copiae Mannschaft, Truppe

N.f. marche Grenzland;  Gang, Marsch, Aufmarsch

4) Mittelfrz. v. espuiser schöpfen (puiser), herausziehen (retirer), leeren (vider)

 

 

         Vz 2 [Gruft und Erzählung tyrannisieren]  Es geht um Gruft (-> sepulchre) und Erzählung, um

         einen Begrabenen und seine Legende.  Die >Gruft< bedeutet die Erinnerung an Jesus von

         Nazareth und seinen Kreuzestod.  Die >Erzählung< ist die Deutung dieses Todes und der

         anschließenden Vorgänge durch die Christen.  >Gruft und Erzählung< von Jesus Christus

         werden "tyrannisiert", indem man ihm ein >zweites Begräbnis< dadurch bereiten will, dass

         die Erinnerung an ihn aus dem Gedächtnis der zukünftigen Menschheit gelöscht werden soll,

         3/72 [XI]. Das haben Revolutionen, Ansehensverlust und Machtverfall der Kirche sowie der

         Kult anderer Götter bislang nicht zuwege gebracht.

         Vz 1 [Geboren von einer Sesshaften]  Völker als ganze sind bei N. wie in der Bibel weiblich

         (-> dame). Die >Sesshafte<, die den Mann hervorbringt, der gegen Christus antritt, ist dem-

         nach ein bestimmtes Volk.  Von ein paar nomadisch lebenden Wüstenstämmen abgesehen,

         sind aber alle Völker sesshaft. Die einzige Ausnahme bildete das jüdische Volk nach seiner

         Vertreibung aus dem Land der Väter im ersten und zweiten nachchristlichen Jahrhundert. 

         Seitdem lebte es in der Diaspora, wurde vielerorts ansässig, aber nirgends sesshaft in dem

         Sinne, dass ihm ein eigenes Land gehörte, wie es bei allen anderen Völkern ist.  Das hat

         sich erst 1948 geändert, als die Völkergemeinschaft den Juden ein eigenes Land zuweist,

         3/97 (Kap.39). Nur im Fall des jüdischen Volkes ist Sesshaftigkeit nicht etwas Selbstver-

ständliches, sondern eine historische Errungenschaft, die sich als Charakteristikum eignet. 

         Die >Sesshafte<, wieder sesshaft Gewordene ist das jüdische Volk des Staates Israel. 

         Der >neue Heilige<, wie er in 10/30 [IX] bündig heißt, wird demnach dem jüdischen Volk des

         Staates Israel entstammen.  Für jene Juden, die auf den Messias warten, ist klar, dass der

         verheißene, bisher ausgebliebene Messias nur Jude sein kann, weil er durch die jüdischen

         Propheten i h r e m Volk versprochen wurde.  Den Christen wird er als >wiedergekommener

         Heiland< dargestellt, s.u. Abschnitt (10). Er wird sich in die Identität Christi hineinfressen, sich

         in ihr verpuppen, 8/75 [s.u.]. Dabei wird ihm helfen, dass er dem Volk der Juden entstammt,

wie das auch bei seinem >Vorgänger< Jesus von Nazareth der Fall war.

         Vz 1 [Vom königlichen Berg]  Im Zusammenhang mit der Sesshaftigkeit der Juden ist mit dem

         „königlichen Berg“ der Berg Zion gemeint  -  das ist einer der drei Berge des Plateaus, auf

         dem das alte Jerusalem erbaut ist, dessen Burg König David einst für sein Volk eroberte. 

         Durch den Propheten Nathan wurde König David ein von ihm abstammender Gottessohn

         versprochen, 2. Buch Samuel Kapitel 7. Da Jesu Abstammung auf König David zurückgeführt

         wird, Lukas Kapitel 1 Vers 28, hat sich aus christlicher Sicht diese Prophetie mit dem Auftreten

         Jesu erfüllt. Die >Herkunft vom Zion< jenes Mannes, den Nostradamus gesehen hat, bedeutet

         demnach, dass auch dieser als der verheißene Gottessohn angesehen werden wird, der

         endlich einmal - aus jüdischer Sicht - oder endlich wieder - aus christlicher Sicht - auf Erden

erscheint.

         Vz 3/4 [Gold und Menschen entziehen]  Die zweite Vershälfte springt in die Zeit, wenn die

         Herrschaft des angeblich Wiedergekommenen zu voller Entfaltung gelangt ist.  >Gold und

         Menschen< sind die alten christlichen Lehren und ihre Anhänger, s. Glossar unter -> or.

         In der Toskana bzw. in Umbrien scheinen sich dann noch >Reservate< von Christen zu

         befinden, 7/5; auch dort kommt es zu Verfolgungen, 9/5 [VIII].

 

         (5) Verdankt hohes Ansehen auch der Akzeptanz durch die katholische Kirche

         Ein Zwilling als Findelkind vor einem Kloster

 

 

01/95    Deuant monstier trouué enfant besson/

D‘ heroic sang de moine & vestutisque:/

Son bruit par secte langue & puissance son/

Qu’ on dira fort eleué le vopisque. (1555)

                  

Vor (einer) Kirche (wird) gefunden ein Zwillingskind/

aus heroischem und uraltem Mönchsgeblüt./ 

Sein Ruhm (erwächst) aus weltanschaulicher Sprache und

machtvollem Getön,/

so dass man sagen wird:  Kraftvoll emporgehoben

der lebende Zwillingsbruder.

 

1) Mittelfrz. n.m. moustier, monstier Kirche (église), Kloster (monastère)

Zu Kind und Kindheit s. Glossar unter -> enfant.

2) Lat. adj. vetustus von hohem Alter;  vestutisque ist hier neben heroic

ein zweites Attribut zu sang Blut.

3) Mittelfrz. n.m. bruit Berühmtheit (renommée), Ansehen (réputation),

Ruhm (gloire), Ehre (honneur).  Mittelfrz. n.m. son Geräusch, Lärm (bruit).

„secte langue“ wörtlich: „Sekte Sprache“, Sektensprache, oben freier wiedergegeben;

„puissance son“ wörtlich: „Macht Lärm“, oben freier wiedergegeben

4) Lat. n.m. vopiscus überlebender Zwilling, d.h. einer von zwei Zwillingen, der zur Welt

kommt, n a c h d e m  d e r  a n d e r e  z u  f r ü h  g e b o r e n  u n d  g e s t o r b e n  ist

(Karl Ernst Georges, Ausführliches Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch, Nachdruck

1998).  Es sind Mönche, also männliche Zwillinge, d.h. Zwillings b r ü d e r.

 

 

         [>Kinder aus Mönchsgeblüt<]  Mönche begründen keine uralten Geschlechter, weil sie zölibatär leben

         und allfällige >Fehltritte< nicht an die große Glocke hängen.  Ein Kind aus uraltem Mönchsgeblüt kann

         es, wörtlich genommen, nicht geben.  Man darf schlussfolgern, dass die Herkunft von Mönchen nicht

         wörtlich gemeint ist, sondern einen geistigen Sinn hat, der zu ermitteln wäre.

         [Erster Zwillingsbruder/ Mönchsgeblüt/ heroisch]  Von  e i n e m  Zwillingsbruder ist die Rede, und

         damit ist klar, dass es auch einen anderen gibt.  Beide sind Mönche, d.h. sie erscheinen als 

         g e i s t i g >vom selben Geblüt<.  Der erste ist >zu früh geboren und gestorben< (Begriff des

         vopiscus), und zwar vor langer Zeit, denn das >Mönchsgeblüt< ist schon „uralt“, wenn der zweite

erscheint. 

         Der erste Zwillingsbruder ist Jesus Christus.  Der Ort, den er geistig einnimmt, heißt hier monstier,

         was Kirche oder Kloster bedeutet.  Am geistigen Ort Christi entstehen später die christlichen

         Gemeinden und Kirchen, sie sind die >Kirche<.  Das >Mönchsgeblüt< dieses ersten Zwillings-

         bruders deutet auf seine Ehelosigkeit, und wegen seiner Ganzhingabe an Gott am Kreuz nennt

N. ihn „heroisch“.

[Zweiter Zwillingsbruder/ Findelkind]  Der zweite Zwillingsbruder wird nicht im Kloster geboren,

sondern v o r  dem Kloster  g e f u n d e n, ist dem Bilde nach ein Findelkind (enfant trouvé). 

Dem Zweiten geht es also nicht gut, wenn er >gefunden< wird, denn seine Eltern haben ihn aus-

gesetzt, 9/84 Vz 1 [s.o.], vielleicht aussetzen müssen.  Sie legen ihn am Kloster ab als Appell an

die Nächstenliebe der Bewohner. Dieser Appell wird anscheinend befolgt, denn der Zweite über-

lebt und kommt später empor, Vz 3/4. Das >Finden vor dem Kloster< bedeutet zudem, dass der

Gemeinte kein >natürliches Kind der Mutter Kirche< ist, also nicht als getaufter Katholik anfängt.

Das ist auch nicht anders zu erwarten, da er ja dem jüdischen Volk entstammt, 7/32 [s.o.].

[>Brüder<]  Beide sind Brüder, also >von denselben Eltern<.  Das bezieht sich zunächst auf die

Herkunft beider aus demselben Volk, s.o. Abschnitt (4).  Aber die Rede von den Zwillingsbrüdern

bedeutet vor allem, dass die beiden von den >Zieheltern im Kloster<  g e i s t i g  für sehr nah

verwandt gehalten werden.  D a h e r  nimmt man den Ausgesetzten auf und zieht ihn groß. 

Das bedeutet im Klartext, dass der vermeintliche Wiedergänger ohne die Hilfe christlicher

Kirchen, die er in der frühen Zeit (>Kindheit<) seines öffentlichen Wirkens erhält, nicht das

werden kann, was er später wird.

Vz 3/4 [Aufstieg des Zweiten]   Schnitt  -  Jahre später.  „Man wird sagen: Kraftvoll emporgehoben

der lebende Zwillingsbruder“, zur Weltherrschaft nämlich, 1/4 [VIII], welche Christus nicht erreicht,

aber auch nicht angestrebt hat, Johannes Kapitel 18 Vers 36.  „Ruhm“ wird dieser Mann sich

erwerben, indem er religiös gefärbte Anschauungen (weltanschauliche Sprache) mit politischem

Machtanspruch verbindet (machtvolles Getön).  Damit erweist er sich als zugehörig zum Typus des

weltlichen Ideologen, der die religiöse Prägung der Hoffnungen der Menschen durch den Glauben

an innerweltlichen Fortschritt ersetzen und so das Feld der Religion unter fremde Besatzung stellen

will. Das wird durch seine Rede vom Gottesreich, das nun errichtet werde, allerdings kaschiert sein.

In dem Wort vom kraftvollen Aufstieg dieses >Zwillingsbruders< gibt sich ein Moment der Über-

raschung kund angesichts des Schicksals des >Vorläufers<.  Nicht wenige Menschen werden

(gegen die klare Selbstaussage Christi) meinen, Christus habe dasselbe  - die Erringung der Welt-

herrschaft -  damals auch schon vorgehabt, sei aber >zu zaghaft< vorgegangen und habe es nicht

geschafft.  Er sei damals >zu früh gekommen und gestorben< (Begriff des vopiscus), weil die

Menschheit noch nicht reif für ihn war.  So etwas werde nun nicht mehr geschehen  -  gegenseitig

bescheinigt man sich die nunmehr erreichte Reife für das Gottesreich auf Erden.

        

            Exkurs (14) Anmerkungen zur Wiederkunft Christi

         Christus ist im Ostererlebnis zu Menschen in der ihnen bekannten Gestalt gekommen,

         so dass sie aus dem eigenen Erleben glauben konnten, dass er lebe.  Vor seinem Tode

         hatte er ihnen aufgegeben, dass sie es  n i c h t  glauben sollten, wenn ihnen nur  g e s a g t  

         würde, dass hier oder dort der Christus sei, mit der Begründung, dass falsche Propheten

         und Messiasse auftreten würden, Matthäus Kapitel 24, Vers 23 bis 28.

         Denn Christus kehrt nicht draußen wieder, als ein bestimmter Mensch von Fleisch und Blut,

         sondern wird in allen Menschen wiedergeboren, die ihm nachfolgen, indem sie seine Gebote

         halten.  Alle Menschen, die den Geist Christi bei sich aufnehmen, werden wiedergeboren im

         Geist.  Und das ist keine Metapher, sondern geschieht wirklich.  Der Geist Christi ist wirklich

         anwesend bei und unter denen, die ihm das möglich machen, Matthäus Kapitel 18 Vers 20,

         Kapitel 28 Vers 20.

         Dass der >Zwillingsbruder< die in der Bibel angekündigte Wiederkunft Christi nicht in diesem

         geistigen Sinne versteht, sondern sie exklusiv für sich beansprucht, geht z.B. aus Vers 10/29

         [VIII] hervor.  Aber das ist die Leugnung der durch Christus erwirkten Gnaden, besonders

         der Ausgießung des Geistes, der räumlich und zeitlich nicht begrenzt ist und alle Menschen

         erfüllen will.

         Christus hat sich nicht als heilig ausgeben lassen, obwohl er es spätestens am Kreuz war. 

         Doch der vermeintliche Wiedergänger, der >neue Heilige<, 10/30 [IX], wird sich die öffent-

         liche Verehrung der Menschen gefallen lassen, 10/71 [X].

         An der Kennzeichnung Jesu Christi als >zu früh geboren und gestorben<, die im lateini-

         schen Begriff des vopiscus, 1/95 [s.o.], steckt, lässt sich die zur Zeit des vermeintlichen

         Zwillingsbruders verbreitete Ansicht ablesen, der angeblich zu früh Gekommene sei nicht

         mehr am Leben. Das ist mit dem christlichen Glauben an die Auferstehung Christi nicht

vereinbar.

         Die Menschen im irdischen Leben können wiedergeboren werden  a u s   d e m  G e i s t 

         Christi.  Das Wort von der Wiederkunft führt in die Irre, wenn man meint, es müsse sich

         vollziehen auf die gleiche Weise wie damals, in der Gestalt eines bestimmten einzelnen

         Menschen von Fleisch und Blut.  Der wiedergekommene Christus ist der gegenwärtige

         Christus, zu jeder Zeit, an jedem Ort.  Allerdings ist die Wiedergeburt aus dem Geist Christi

         Sache des Herzens und bleibt der bloßen, auf sich allein gestellten Vernunft eine unver-

         ständliche Formel. "Das Herz hat seine Gründe, die die Vernunft nicht kennt" (Pascal).

                 

>Mutter Kirche< trägt einen mörderischen Sohn aus

  

 

08/75 Le pere & filz seront meurdris ensemble/

Le prefecteur dedans son pavillon/

La mere à Tours du filz ventre aura enfle./

Caiche verdure de fueilles papillon. (1568)

 

Vater und Sohn werden gemeinsam ermordet,/

der Vorsteher im Busen seiner Mutter./

Die Mutter wird in Tours den Bauch gebläht haben,/

verborgen (im) Grün von Blättern (ein) Schmetterling.

 

1) Altfrz. n.m. pavillon 1. Schmetterling (papillon) 2. Zelt mit konischer

Form 3. Gartenlaube 4. Mutterbusen (sein de la mère). Wegen der

Mutter in Vz 3 wird "Mutterbusen" übersetzt, wie in 8/66 (Kap.37)

4) fueille ist eine alte Schreibweise von feuille Blatt

 

 

Während eben in 1/95 [s.o.] von einem >Findelkind< die Rede war, wird hier vom >Austragen<

eines Kindes gesprochen, so wie andernorts die Geburt eines >siamesischen Zwillings< durch

>Mutter Kirche< angekündigt wird, 1/58 [IV]. Beide Bilder - Aufnahme eines Findelkinds und

Schwangerschaft - passen nicht zusammen, weil sie verschiedene Aspekte hervorheben.

Das >Findelkind< deutet auf die Notlage eines Menschen, der von außerhalb der katholischen

Kirche kommt, aber bei ihr aufgenommen wird. Das Bild der Schwangerschaft beschreibt das

>Großwerden< durch >Mutter Kirche<, zunächst nur innerhalb des kirchlichen Milieus. Beiden

Bildern gemeinsam ist die >Kindheit< des Betreffenden, die ein frühes Stadium des Auftretens

und Wirkens in der Welt bezeichnet.

Vz 3/4 [Bauch der Mutter gebläht/ Schmetterling] Im vorliegenden Vers gehen die Bilder der

Schwangerschaft und der Metamorphose (Formwandlung) ineinander über. Das Leben der

Raupe erstirbt in der Puppe und ersteht im Falter neu. Der "Schmetterling", der dann aus der

Puppe kriecht, meint einen Menschen, der nach einer Metamorphose wieder ins Leben geboren

wird. Das >Grün von Blättern< verweist auf einen >Frühling<, den der Gemeinte erlebt, ein

>zweiter Frühling< im Verständnis der Mutter. Die >Mutter< ist die katholische Kirche, die den

>Zwillingsbruder Christi<, 1/95 [s.o.], >austrägt und gebiert<. Denn sie lässt zu, dass er sich

nährt und fett wird an der Identität Christi. Die Identität Christi in ihrem >Mutterbusen< zu

bewahren, ist die katholischen Kirche in ihrem Selbstverständnis berufen. Stattdessen lässt

sie zu, dass eine gefräßige Raupe sich in die Identität Christi hineinfrisst und in ihr verpuppt.

Vz 1 [Vater und Sohn umgebracht] Wenn dann der Schmetterling sich erhebt, bringt er es zur

höchsten religiösen Autorität in der Welt, 2/73 [VIII]. Er wird Christus, den wahren Sohn Gottes,

am Ende von der Oberfläche der Erde tilgen wollen, 3/72 [XI]. Der "Vater", der letzte Papst,

wird dann >Blut speien<, 2/97 [XI]. Wenn d i e s e r Sohn und d i e s e r Vater >umgebracht<

werden sollen, kann damit nur das Verbot gemeint sein, das über die christliche Religion auf

Betreiben ihres monströsen Kindes verhängt wird.

 

 

         (6) Gilt als größter Philosoph aller Zeiten

         Neuer Weiser mit einzigartigem Hirn hat Jünger

 

 

04/31    La lune au plain de la nuit sus le haut mont,/

Le nouueau sophe d‘ vn seul cerveau la veu:/

Par ses disciples estre immortel semond/

Yeux au midi. En seins mains, corps au feu.  (1568)

 

Der Mond mitten in der Nacht über dem hohen Berg,/

den der neue Weise mit einzigartigem Hirn erkannt hat./

Bei seinen Jüngern gilt er als ewiggültiger Tadel,/

Augen nach Süden, im Busen Hände, Körper im Feuer.

 

1) Zu Mond und Berg als Metaphern s. das Glossar unter -> lune und -> mont.

2) Adj. seul allein > lat. solus allein; einzig, außerordentlich

Lat. n.m. sophus Weiser.   „la“ ist ein zusammengezogenes „l‘ a“, und

gemeint ist mit dem Pronomen der Berg, nicht der Mond.

3) N.m. disciple Schüler, Jünger.  N.f. semonce Rüge, Tadel, Schelte.

 

 

         Vz 1 [Nacht und Berg]  Der Vers verknüpft Symbole (Nacht, Mond, Berg), reale Personen

         (neuer Weiser und dessen Jünger) sowie deren Orientierung und Vorhaben (Augen, Hände, Feuer). 

         Die Menschen leben in der geistigen Finsternis nur irdisch gerichteten Denkens und Handelns,

         was zum Krieg und in die reale Finsternis des Kataklysmus, VH (18), geführt hat.  Lediglich der Mond,

         der bei N. für den Islam steht, gibt sein fahles Licht.  >Berge< bedeuten bei ihm staatliche Ordnungen,

         die sich von oben, d.h. von Gott her legitimieren ( -> mont ).  Der >hohe Berg<, dessen erste Umrisse

         im Mondlicht sichtbar werden, steht wie der >Läuterungsberg< in 1/69 [VII] für die sich abzeichnende

         Gestalt einer neuen himmelhoch aufragenden Ordnung, die endlich das Gottesreich auf Erden

         verwirklichen soll. 

         Vz 2/3 [Neuer Weiser und Jünger]  Der >neue Weise< jedenfalls sieht das so, er hat das erkannt

         und unterweist dementsprechend seine Zuhörer.  Er tritt auf als Meister, und seine Zuhörer sind

         seine „Jünger“.  Ihnen gelten sein „Tadel“, seine „Zurechtweisungen“ als ewige Wahrheiten.

         Ein „einzigartiges Hirn“ kommt ihm zugute, er scheint ein außerordentlich begabter Mann zu sein.

         Seine inspirierte Redegabe begeistert die Jünger, 1/96 [VIII], die ihn als „Haupt der Weisheit“

         verehren, 5/31 [s.u.], d.h. als größten Philosophen, der jemals gelebt hat.  Die Gottesfinsternis

         der Menschen erkannt zu haben und eine Vision des kommenden neuen >Tages< mit seiner

         lichtvollen Zukunft geben zu können, wird der >neue Weise< beanspruchen. 

         Vz 4 [Augen nach Süden, im Busen Hände, Körper im Feuer]  Man schaut nach Süden, wo

         die Sonne, bei N. Symbol für den in Christus offenbar gewordenen Gott, am höchsten steht. 

         Man gibt sich aufgeschlossen, auch und gerade für die christliche Religion, 10/28 [s.u.]. 

         Der >neue Weise< beginnt seine Karriere als Prediger.  Aber dem aufmerksamen Zeitgenossen

         wird nicht entgehen, dass bei ihm und seinen Anhängern von Anfang an >Hände< als Symbole

         der weltlichen Macht herausschauen, die sie anstreben, weil sie das Gottesreich  a u f  E r d e n 

         errichten wollen.  Ist er dann bei den Christen als der >wiedergekommene Heiland< erst einmal

         anerkannt, wächst ihm damit schließlich auch das Amt des Weltenrichters zu, der endlich jene

         >in den feurigen Pfuhl wirft, die nicht im Buch des Lebens geschrieben gefunden wurden<,

         Offenbarung Kapitel 20 Vers 15.

        

         Das >Haupt der Weisheit< will das Gottesreich auf Erden schaffen

 

 

05/31  Par terre Attique chef de la sapience,/

Qui de present est la rose du monde:/

Pont ruiné, & sa grand preeminence,/

Sera subdite, & naufrage des vndes. (1568)

 

Durch attisches Land (kommt das) Haupt der Weisheit,/

das vom Anwesenden ist, die Rose der Welt./

Brücke zerstört, und ihr großer Vorrang

wird preisgegeben sein, und Schiffbruch in den Wogen.

          

1) Das Prädikat der ersten Verszeile muss interpoliert werden:

Das Haupt „kommt durch“ oder „herrscht über“ attisches Land.

2) Zur Rose s.a. das Glossar unter -> rose.

3) Lat v. subdare, subdidi, subditus unterwerfen, preisgeben

Zur Brücke s. das Glossar unter -> pont.

4) Zum Schiffbruch s. das Glossar unter -> nef.

 

 

         Vz 1 [Durch attisches Land …]  Die >griechische Dame< bedeutet in 9/78 (Kap.33) die Staatsform

         einer demokratischen Republik.  Die Demokratie ist seit der Antike verknüpft mit den griechischen

         Stadtstaaten, unter denen die attische Polis Athen einige Zeit dominierte.  Im Weltmaßstab, den

         der Vers anlegt, ist die moderne Heimat der Demokratie nicht in Frankreich, sondern eher in den

         USA zu erkennen, die seit 1787 ohne Unterbrechung demokratisch verfasst sind und im zwanzigsten

         Jahrhundert für den weltweiten Erfolg der demokratischen Idee sorgten. 

         Vz 1 [… kommt das Haupt der Weisheit]  Das >Haupt der Weisheit<, der >neue Weise<, 4/31 [s.o.],

         tritt zu Beginn seiner Karriere als Prediger, dann auch als Friedensvermittler in Erscheinung,

         6/18 [s.u.], und schwingt sich schließlich zur obersten religiösen Autorität in der Welt auf, 2/73 [VIII].

         Auch in den USA, dem >attischen<, d.h. urdemokratischen Land, wird dieser bigotte Mann

         erreichen, dass man sich seinem Machtanspruch beugt, 8/74 [VII].  Er wird „durch“ dieses Land

         kommen und seinen Herrschaftsanspruch ausbauen.

         Vz 2 […das vom Anwesenden ist/ Rose der Welt]  Der amerikanische Präsident Theodore Roosevelt

         (Allgeier 1988) mag ein weitblickender Politiker gewesen sein, aber die Bezeichnung als „Haupt der

         Weisheit" scheint zu hoch gegriffen, zumal der Seher bei demokratisch gewählten Herrschern nicht

         zu Hymnen neigt.

Als Symbol höchster Weisheit, von der zuvor die Rede ist, erscheint die Rose in den Allegorien

         der Alchemisten, die die Rose mit dem Martyrium Christi in Verbindung brachten.  Die Dornen

         entsprechen den Leiden des Kreuzweges, die Röte der Blütenblätter dem auf Golgatha

         vergossenen >rosenfarbenen< Blut des Heilands.  In seiner Selbstopferung zur Versöhnung der

         Gottheit erkannten sie die Tat höchster Liebe und vor allem Weisheit, auf welche der Alchemist

         das Gewicht legt, weil er durch Anspannung seiner Erkenntniskräfte die Materie und sich selbst

         veredeln will.  Die >Rose<, die „über der Mitte der große Welt“ blüht, 5/96 [XII], und von dort aus

         den Duft des Paradieses zu verströmen erheischt, ist identisch mit dem >Haupt der Weisheit<. 

         Dieser grandiose Philosoph will das Projekt der Aufklärung zu Ende bringen, durch fortgesetzten

         Gebrauch der Vernunft, mit Hilfe der >heiligen Philosophie<, 7/14 (Kap.15), den Zustand der Welt

         als ganzer zum Besseren zu wenden.  Wie ehedem die Alchemisten, wollen er und seine Anhänger

         eine Art von Selbsterlösung praktizieren.  Sie selbst wollen die Welt als ganze durch angewandte

         Philosophie transmutieren (veredeln) und >den neuen Menschen schaffen<, der fähig und würdig

         ist, die verwandelte Welt, das selbst geschaffene >Gottesreich< zu bewohnen. 

         Den >neuen Menschen< wollten schon die totalitären Regime des 20. Jahrhunderts erschaffen. 

         In jener Alchemie, die sich als solche nicht erklärt, erkennt N. den Grund für den Niedergang des

         Christentums und die Bedrängungen der Christen, die er erschaut.  „Dem Anwesenden zu gehören“,

         „an ihm teilzuhaben“ oder „von ihm zu sein“ (être de present), will der >größte Philosoph aller Zeiten<

         glauben machen, also vorgeben, dass die Gottheit in ihm und durch ihn anwesend sei.  Wen er

         damit nachäfft, wird hinreichend deutlich.

         Vz 3/4 [Brücke zerstört/ Schiffbruch]  Sein Regime wird sich später als totalitär erweisen in dem

         Sinne, dass den Menschen fest vorgegeben wird, was sie über Gott und die Welt zu denken und

         zu glauben haben, 10/20 [X].  Die Glaubenssätze der katholischen Kirche werden dann nicht

         mehr geduldet sein, 10/65 [XI].  Dieses >Schiff< mit dem Papst als Kapitän auf der >Brücke< wird

         „zerstört“ sein und Schiffbruch erleiden, 10/80 [VIII].  Einst die herausragende Glaubensgemeinschaft

         im Bereich der christlichen Religion, ist die katholische Kirche dann ihren Feinden „preisgegeben“.

                 

         (7) Bietet den Anschein von Heiligkeit

        Ein Fuchs spielt den Heiligen und wird gewählt

 

 

08/41  Esleu sera Renard ne sonnant mot,/

Faisant le saint public viuant de pain d‘ orge/

Tyranniser apres tant à un cop/

Mettant à pied des plus grans sus la gorge. (1568)

 

Gewählt werden wird (ein) Fuchs, keinen Ton sagt er,/

spielt den öffentlichen Heiligen, lebt (von) Gerstenbrot,/

Er tyrannisiert später so viele, auf einen Schlag,/

setzt den Fuß den Größten auf die Kehle.

 

2) vivre de pain d‘ orge sehr einfach leben, wörtlich: von Gerstenbrot leben

3) cop ist ein verschriebenes coup, denn nur so reimt es sich

4) mettre à pied qu. jemanden seines Amtes entheben, kalt stellen, entlassen

 

 

         Vz 2 [Lebt von Gerstenbrot]  Von einem Messias wird ein heiligmäßiges Leben erwartet. 

         Zum Klischee gehört die Genügsamkeit in allen materiellen Dingen, ein sehr einfaches Leben. 

         Dem Gemeinten wird gar nichts Anderes übrig bleiben, als in dem Ruf zu stehen, er lebe nur

         „von Gerstenbrot“.  Das ist das Bild für die Öffentlichkeit.

         Vz 1/2 [Fuchs spielt den Heiligen]  Falsche Propheten, die das Volk Gottes irreleiten, den Frieden

         ausrufen, wo keiner ist und >die Wand tünchen, die das Volk aufrichtet<, nennt Ezechiel Kapitel

         13 Vers 4 „Füchse in den Ruinen“.  Der ausgehungerte Fuchs weiß sich so glaubhaft in für Vögel

         nahrhafter Umgebung totzustellen, dass diese sich bei ihm niederlassen und er sie dann erbeuten

         kann (Physiologus).  Der Gemeinte wird den Frieden ausrufen, wo keiner ist, und den Heiligen

         spielen, der er nicht ist, 2/45 [VIII].  Das Böse wird sich in dem Gemeinten totstellen.

Vz 1 [Sagt kein Wort/ wird gewählt] Von außerordentlicher rhetorischer Begabung, 1/96 [VIII],

         setzt er die Wirkung der Pause auch im Großen virtuos ein.  In der kritischen Phase des

         Aufbaus seiner Macht, wenn es darum geht, den Ruf des Auserwählten in den Status des

         Gewählten umzusetzen, hüllt er sich in vielsagendes Schweigen  -  seine Person ist so bestens

         als Projektionsfläche für die verschiedensten Wünsche der Wähler geeignet.

         Vz 3/4 [Tyrannisiert die Größten/ mit einem Schlag]  „Später“, wenn das Regime des >Fuchses<

         voll entfaltet ist, werden die Landesherren wie im Rom der Kaiserzeit aufgefordert sein, ihre

         Völker >vor dem Bild des Kaisers opfern< zu lassen.  Der >Fuß auf der Kehle< ist ein Bild der

         Unterwerfung und des Lebens von Herrschers Gnaden.  Die Wendung mettre à pied bedeutet

         auch kaltstellen.  Das bezieht sich auf die Vorsteher der alten Glaubensgemeinschaften, deren

         Macht dann gegen Null tendiert.  Der Umschwung ins offen Totalitäre kommt „auf einen Schlag“;

         vgl. 5/65 [XI]: „plötzlich“, und 10/80 [VIII]: „aus heiterem Himmel“.

 

         (8) ist rhetorisch hoch begabt und will die Menschen geistig formen

         Ein Felsen gibt geistige Säuglingsnahrung

 

 

01/21  Profonde argille blanche nourrir rochier;/

Qui d‘ vn abysme istra lacticineuse,/

En vain troubles ne l’ oseront toucher/

Ignorants d’ estre au fond terre argilleuse. (1555)

 

Tiefen weißen Ton nährt (ein) Felsen,/

der aus einem Abgrund hervorgehen wird milchspeiseartig./

Vergebens verwirrt, werden sie nicht wagen, ihn zu berühren,/

nicht wissend, dass sie ganz unten Tonerde sind.

 

1) Es könnte auch umgekehrt der „weiße Ton“ Subjekt und der „Fels“ Objekt sein,

so dass der Ton dann den Felsen nähren würde.  Aber der Fels ist es, der in Vz 2

das Attribut „milchspeiseartig“ erhält, und daher ist die o.a. Übersetzung richtig.

2) Mittelfrz. v. istre, issir herausgehen, hervorkommen (sortir), herauslassen (faire

sortir), entweichen lassen (laisser échapper), abstammen von (descendre à) > lat. exire

4) N.f. argille Tonerde, Lehm, Adj. argileux tonerdehaltig.

Der Infinitiv estre steht für einen Nebensatz mit que.

 

 

         Vz 1 [Felsen …]  Der >Fels Israels<, Genesis Kapitel 49 Vers 24, ist der Gott der Israeliten, der

         Bergung und Zuflucht bietet und auf dessen Beständigkeit man sein Haus bauen kann, Matthäus

         Kapitel 7 Vers 24.  Die frühen Christen erkannten in Christus den geistlichen Felsen, von dessen

         Quell sie tranken und der ihnen folgte, 1. Korintherbrief Kapitel 10 Vers 4.  Das Bild des nährenden

         Felsens weist also hin auf Gott und den Mann, in dem Gott anschaubare Gestalt geworden ist.

         Von diesen Vorbildern her nahmen die Alchemisten das Bild des nährenden Mutterfelsens, der

         petra genetrix, die den vollkommenen Androgyn hervorbringen sollte, der die Dualität der Welt

         überwunden hat.  Der Androgyn steht in 2/45 [VIII] für den >neuen Heiligen<.  Dieser Mann wird

         den Menschen, die durch die Erfahrung des Abgrundes von Krieg und Kataklysmus gegangen

         sind, sich als >Felsen<, als rettende Zuflucht anbieten.

         Vz 1/2 [… nährend/ milchspeiseartig…]  Simon Petrus forderte seine Zuhörer auf, zum Herrn

         „als zu dem lebendigen Stein“ zu kommen und „als neugeborene Kinder nach der unverfälschten

         geistigen Milch“ zu verlangen, „damit ihr durch sie heranwachst und das Heil erlangt“, 1. Petrusbrief,

         Kapitel 2 Vers 2.  Paulus muss sich bei den Hebräern auf >Milch<, d.h. die Anfangsgründe des

         Glaubens beschränken und tadelt sie dafür, Hebräerbrief Kapitel 5 Vers 12.  N. erkennt die den

         >Felsen< verehrenden Menschen als geistige Säuglinge, aufnahmebereit, doch ohne eigenes Urteil.

Vz 1/2 [… nährt weißen Ton/ im Abgrund]  Der Abgrund ist Sinnbild für den Absturz der technischen

Zivilisation.  Am Grunde seiner Tiefe finden sich die Überlebenden wieder als >Tonerde<, fast

beliebig formbar, weil geistig ohne Gestalt.   >Erde< kann für die auf Erden lebenden Menschen

stehen, weil ihr erstes Exemplar aus Erde geschaffen wurde, s. -> terre. W e i ß e r  Ton ist es,

der seiner Bearbeitung harrt, die Menschen werden sich für geläutert halten.  Sie suchen ihren

Gott, nähren nun aber ihrerseits den >Felsen<, der sich aus dem Abgrund erhebt, indem sie

ihre Hoffnungen an die Person des >neuen Heiligen< knüpfen. 

         Vz 3 [Vergebens verwirrt, werden sie nicht wagen, ihn zu berühren]  Die Orientierungslosigkeit der

         Menschen könnte ihnen helfen, wird es aber anscheinend nicht.  Sie werden nicht wahrhaben wollen,

         dass sie fast beliebig formbar sind, Vz 4.  Daher wird es dem >Felsen<, der sich zum Formgeber

         berufen fühlt, 9/12 [X], leicht werden, sie nach seinem Willen zu modellieren.  In die Verehrung, die

         man ihm dann später überall entgegenbringt, 10/71 [X], wird sich Ehrfurcht mischen, denn

         „sie werden nicht wagen, ihn zu berühren“, sich ihm zu nähern.  Gemeint ist, dass die Menschen

         ungeprüft für wahr halten werden, was er zu sagen hat.

 

       (10) gibt sich christlichen Anschein

       Ein Hirte wird erneut angetroffen

 

 

01/25   Perdu, trouué, caché de si long siecle/

Sera pasteur demi dieu honoré,/

Ains que la lune acheue son grand cycle,/

Par autres veux sera deshonoré.  (1555)

                   

Verloren, gefunden, verborgen für sehr lange Zeit,/

wird (der) Hirte halb wie Gott geehrt werden./

Wenn der Mond seinen großen Zyklus vollendet hat,/

wird er durch andere Autoritäten die Ehrung verlieren.

 

2) N.m. pasteur protestantischer Geistlicher > lat. n.m. pastor Hirte

N.m. demi-dieu 1. Mensch, dessen außerordentliche Eigenschaften ihn über

menschliches Maß hinauszuheben scheinen, der immenses Prestige genießt

(homme que ses qualités exceptionelles semblent au-dessus de la condition

humaine, qui jouit un prestige immense) 2. (Mythologie) Halbgott, hervorgegangen

aus der Verbindung eines Gottes mit einem Menschen.

4) veux ist ein fehlerhaft geschriebenes vieux Alte.  Durch ein Gelübde

(voeu) kann wohl niemand entehrt werden.

 

 

[Fehldeutung]  Der Vers wurde auf den französischen Chemiker Louis Pasteur gedeutet, einen Mit-

begründer der Lehre von den durch Mikroorganismen hervorgerufenen Krankheiten.  Der Vers würde

behaupten, dass es sich bei diesen medizinischen Erkenntnissen des 19. Jahrhunderts nur um Wieder-

entdeckungen handle. Doch die Erkenntnisse von Louis Pasteur, Robert Koch, Ignaz Semmelweis und

anderen waren a n f a n g s umstritten und wurden erst  s p ä t er  geschätzt, während es der Vers

andersherum will.

         Vz 1/2 [Hirte verloren, gefunden, sehr lange verborgen]  In ihrer Frühzeit ist die Menschheit aus

         dem Paradies vertrieben worden und hat dabei ihren Hirten, gemeint ist Gott, aus den Augen

         verloren.  In der Gestalt Jesu Christi, des guten Hirten, Johannes Kapitel 10 Vers 11, ist dann

         Gottes Sohn angetroffen worden nach dem Urteil derer, die ihn angenommen haben (Christen). 

         Dann ist er für ein „sehr langes Zeitalter“, fast zweitausend Jahre lang, >verborgen< geblieben,

         jedenfalls für den, der ihn draußen in der Welt erwartet oder gesucht hat.  Doch nun, in der

         gemeinten Zeit, nähert sich erneut ein >Hirte< der orientierungslosen Menschheitsherde.

Vz 2 [halb wie Gott geehrt]  Anders als bei seinem ersten Auftreten wird er nun „halb wie Gott“

oder „wie ein Halbgott“ geehrt werden.  Als Einschränkung der ihm zuteil werdenden Huldigungen

ist das nicht zu verstehen, denn sie werden aus aller Welt kommen, „den zu ehren, der so schön

ist, wie es nie einer war“, 10/71 [X].  Das allein sagt schon genügend über den Betreffenden.

Jesus von Nazareth lässt es sich noch nicht einmal gefallen, wenn man ihn nur „guter Meister“

nennt, Markus Kapitel 10 Vers 17 und 18, und nimmt Ehre von Menschen nicht an, Johannes

Kapitel 5 Vers 41. "Ich bin im Namen meines Vaters gekommen, und doch lehnt ihr mich ab.

Wenn aber ein anderer in seinem eigenen Namen kommt, dann werdet ihr ihn anerkennen."

(Joh 5 Vers 43).

         Vz 3 [Wenn Mond seinen großen Zyklus vollendet …]  Was der „großen Zyklus des Mondes“,

         der für den Islam steht, bedeutet, ist noch ungeklärt.  Es könnte ein auf Mondjahren basierendes

         Jahrhundert gemeint sein, das rund 97 Sonnenjahre unseres Kalenders währt.  Die Idee, es

         könnten die 97 Jahre nach dem Zusammenbruch des osmanischen Reiches im Jahr 1918

         gemeint sein, führt aber wohl in die Irre.  Der „große Zyklus des Mondes“ könnte auch die ge-

         samte Lebensdauer des Islam bedeuten, der wie die anderen alten Religionen durch den zum

         Weltherrscher aufgestiegenen >Hirten< am Ende zerstört wird, 1/30 [X].

         Vz 4 [… wird er durch andere Autoritäten entehrt]  Eine inhaltliche Parallele zu dieser Zeile bietet

         der Vers 10/73 [VIII].  Nachdem der >wiedergekommene Heiland<, aufgestiegen zum Weltherrscher,

         sich als der große Richter der Geschichte aufgespielt hat, sprechen Kleriker in späterer Zeit,  

         n a c h  dem Verbot der alten Religionen, ihrerseits ihr Urteil über ihn:  Er sei „untreu“ (desloial)

         geworden, habe die Erwartungen der Kirchen nicht erfüllt, die ihm zuteil gewordenen Ehren müssten

         ihm daher nun aberkannt werden.  In Wahrheit sind jene Kleriker Christus untreu geworden, indem

         sie den Falschen zum wiedergekommenen Messias ausgerufen haben.

 

       Christentum und Islam >stehen in erhabener Ehre<

 

 

10/28    Second & tiers qui font prime musicque

Sera par Roy en honneur sublime,

Par grasse & maigre Presque demy eticque,

Raport de Venus faulx rendra deprimee.  (1568)

 

Zweite und Dritte, die die erste Musik machen,

werden beim König in erhabener Ehre stehen.

Betreffend Fleisch- und Fasten(speise), nahezu auszehrender

(eine) Falschmeldung über Venus, sie wird (sie) heruntermachen.

 

2) Die Vertauschung vin Singular und Plural, hier sera statt des

erwartenden seront, kommt bei N. öfters vo

3) jours gras Fleischtage, jours maigres Fastentage.

Wegen der weiblichen Form grasse weiblich ist das fehlende Satzglied, auf das

sich die Adjektive beziehen, weiblich.  Aus dem Zusammenhang können z.B

ergänzt werden die n.f. nourriture Speise, table Kost oder placente Gebäck, 5/36 [X].

Das Adjektiv étique mager, kümmerlich, ausgezehrt scheint

im Kontext Steigerung von maigre zu sein.

 

 

         Vz 4/2 [Venus/ König]  Das >Gesetz der Venus< ist eine Chiffre für die >Weltfriedensordnung<,

         s. Glossar unter -> Venus .  An deren Spitze wird nach wenigen Jahren der neue charismatische Führer

         berufen, 8/41 [s.o.], der nach dem Kataklysmus erstmals auftritt, 1/46 [s.o.].  So kann man auf die

         Idee kommen, dass er es ist, der hier als >König< angesprochen wird.  Dieser Mann entstammt

         dem jüdischen Volk des Staates Israel, 7/32 [s.o.], und gilt vielen seiner Landsleute als der Messias,

         6/18 [s.u.].  Doch es scheint, dass seine Pläne weiter reichen.

         Vz 2 [Zweite und Dritte in erhabener Ehre]  Die „zweite“ und „dritte“ Religion, für die sich Gott durch

         bestimmte Menschen der Menschheit offenbart, sind nach der jüdischen die christliche und die islami-

         sche Religion.  Sie werden beim >König<, dem neuen charismatischen Führer mit der angeblichen

         Qualität eines Messias „die erste Musik machen“, den Ton angeben.  Sie werden bei ihm „in erha-

         bener Ehre“ stehen, also hoch geschätzt sein  -  wie auch umgekehrt er bei ihren geistlichen Führern. 

         Denn bei diesen beiden Religionen ist noch, wie bei den Juden, >eine Stelle frei<.  Den Christen ist

         die Wiederkunft Christi versprochen, den Muslimen ein Mahdi, d.h. ein Gottgesandter, der den Islam

         und die Welt erneuern werde.  Im Hinblick auf den universellen Anspruch beider Religionen werden

         diese beiden >Posten< phantastische Karrierechancen eröffnen, zumal wenn sie in Personalunion

         vergeben werden sollten.  Es scheint, als würden dem >König< am Ende alle „drei Kronen“ verliehen,

         2/73 [VIII].

         Vz 3 [Fleischspeise/ auszehrende Fastenspeise]  Die zweite Vershälfte handelt von einer späteren

         Zeit.  Es sickert etwas von den Plänen durch, die das Regime schmiedet.  Man wird einen >eigenen

         Laden aufmachen<, d.h. eine >neue Religion< begründen wollen.  Die >Fleischspeise< bedeutet den

         als eucharistische Gabe genossenen Leib Christi.  Es geht das Gerücht, dass er durch eine von dem

         >Wiedergekommenen< selbst verfertigte geistige Nahrung ersetzt werden solle, 5/36 Vz 3 [X]. 

         Diese wird von N. als Fastenspeise gewertet, weil ihr der Jenseitsbezug völlig fehlt, 4/56 Vz 1 [XI]. 

         An die Stelle von Fleisch werde Fisch treten, heißt derselbe Vorgang in Vers 4/32 [VII].  Die vom

         >wiedergekommenen Heiland< herkommende geistige Nahrung werde den ihr Zusprechenden nur

         zum Fasten taugen, und mehr noch, sie werde sie auszehren.  Denn sie wird das >Fleisch<, den

         Leib Christi, verdrängen wollen und so eine geistige Hungersnot auslösen, VH (43).  

         Vz 4 [Falschmeldung über Venus]  Venus verwendet N. als Signum der >Weltfriedensordnung<,

         s. Glossar unter -> Venus.  Gerüchte, die von einer neuen Religion wissen wollen, werden zunächst

         als „Falschmeldung“ (raport de Venus faulx) zurückgewiesen.  Wer sie verbreite, wolle damit nur

         >Venus heruntermachen< (rendra deprimee), d.h. den Frieden stören.  Aber die angebliche Falsch-

         meldung wird sich als wahr erweisen.

 

       Er erweckt den Eindruck, Christus spreche durch ihn

 

 

04/24   Ouy sous terre saincte d‘ ame (!) voix fainte (!),/

Humaine flame pour diuine voyr luire,/

Fera des seuls de leur sang terre tainte/

Et les saints têples les impurs destruire.  (1555)

 

Gehört (wird) unter ´m Heiligen Land (einer) Seele vorgetäuschte

Stimme./  Menschliche Flamme sieht man leuchten statt göttlicher./

Sie wird bewirken, dass die Erde gefärbt wird von der Priester Blut/

und wird die heiligen Tempel für die Unreinen zerstören lassen.

 

1) Die erste Verszeile ist in späteren Textfassungen meist entstellt.

 

 

         Vz 1 [Unter ´m Heiligen Land einer Seele Stimme…]  Der >neue Messias< entstammt dem Volk

         des Staates Israel, 7/32 [s.o.], kommt aus dem >Heiligen Land<.  Wie aus den Evangelien bekannt,

         wird er „große Zeichen und Wunder“ wirken, Matthäus Kapitel 24 Vers 24.  Dazu gehört, dass den

         Leichtgläubigen vorgemacht wird, es spreche dort, im >Heiligen Land<, die Stimme einer wieder-

         geborenen Seele.  Der Auferstandene sei dort im Originalton zu vernehmen und habe uns Aktuelles

         mitzuteilen.  Durch seine „brillante Rede“ wird er die Menschen, deren christlicher Glaube nicht

         lebendig ist, beeindrucken können, 1/96 Vz 3/4 [VIII].

         Vz 1/2 [vorgetäuscht/ menschliche statt göttlicher Flamme]  Ein Mensch, der rhetorisch höchst

         begabt ist, schlüpft in die Identität Christi und gibt sich aus als dieser selbst in neuer Gestalt. 

         Für den gläubigen Christen beansprucht er damit, wahrer Mensch und wahrer Gott zu sein. 

         Aber N. hat gesehen, dass es sich hier nur um einen Menschen handelt, dessen göttliche Natur

         „vorgetäuscht“ ist.  Es ist alles sehr professionell gemacht, aber eben nur Show.

         Vz 3/4 [Der Priester Blut färbt die Erde/ für Unreine die heiligen Tempel zerstört]  Später wird

         diese Stimme mit der geliehenen Identität „bewirken“, dass die „heiligen Kirchen zerstört“ werden  - 

         das sind für N. die katholischen Kirchen.  Diese Zerstörung geschieht im Interesse der „Unreinen“. 

         Gemeint sind die Anhänger der >neuen Religion< [X], zu der sich die brillante Rhetorik des

         vermeintlich >Wiedergekommenen< schließlich verdichtet.  Diese verdankt sich inhaltlich einer

         >Vermischung der Sprachen<, VH (29), vermengt insbesondere christliche mit islamischen

         Elementen, 6/10 [X].  Die >neue Religion< wird allgemeine Verbindlichkeit beanspruchen;  ihre

         Vorgänger werden „für nichtig erklärt“, 8/77 [XII].  Das >Blut der Priester< sind die Lehren des

         alten katholischen Glaubens, s. Glossar unter -> sang;  dieses geistige Blut wird vergossen.

        

     (11) gilt als spirituell und politisch kompetent

      Schrecklicher Fisch mit menschlichem Antlitz aus der Adria gefangen

 

 

03/21   Au crustamin par mer Hadriatique/

Apparoistra un horride poisson,/

De face humaine, & la fin aquatique,/

Qui se prendra dehors de l’ amecon. (1568)

 

Beim (Fluss) Conca über (das) adriatische Meer

wird erscheinen ein grauenhafter Fisch

mit menschlichem Antlitz und fischigem Schwanz,

der sich verfangen wird an der Angel.

 

1) Das Wort crustamin gibt es nicht.  Pfändler (1996 S. 214) schlägt

den Fluss Conca mit dem lateinischen Namen Crustumium vor, der

südlich von Rimini in die Adria mündet.  Dafür spricht die Erwähnung

des adriatischen Meeres im Vers.

4) Altfrz. n.m. amecon Angel (hamecon).

refl. se prendre sich verfangen (s‘ accrocher).

 

 

         Vz 2 [Grausiger Fisch – Tier aus dem Meer]  Die Landung eines Menschen am Ufer der Adria

         unweit von Rimini wird hier mit Symbolen gekennzeichnet.  Fische bedeuten seit Urzeiten den

         Reichtum, den die Götter schenken können.  Ihr Erscheinen am Meeresstrand galt als Glück

         bringendes Zeichen.  In der biblischen Erzählung von Jona ist der Walfisch, der den ungehorsamen

         Propheten verschlingt und ihn auf Geheiß Gottes am Ufer wieder ausspeit, Vermittler eines neu

         geschenkten Lebens und damit ein Heilsbringer.  Christus selbst wurde als >Fisch<, als

         Vermittler des Heils und als geistiges Nahrungsmittel aufgefasst.  Aber der hier Gemeinte erhält

         das Attribut „schrecklich“;  damit ist klar, dass N. mit dem Fischsymbol eher eine Parallele zur

         Offenbarung Kapitel 13 nahelegen will;  dort sinnbilden zwei >Tiere, die aus dem Meer kommen<

         mächtige und verehrte Personen, in denen sich die Macht des Gegners Gottes verkörpert.

         Vz 2/3 [Fisch mit menschlichem Antlitz…]  Der Fisch mit menschlichem Antlitz ist der vermeintlich

         >wiedergeborene Christus<, 1/95 [s.o.].  Er entstammt dem >Meer<, d.h. dem Bereich der Religion  -

         das bedeutet das Fischsymbol.  Aber der Gemeinte zeigt durch seine Fähigkeit zum Landgang an,

         dass er auch für >das Land<, den weltlichen, d.h. politischen Bereich zuständig ist, 1/29 [s.o.]. 

         Vz 4 [… lässt sich fangen/ grausig]  Mit der Wiederkunft Christi verbindet die biblische Apokalyptik

         das Jüngste Gericht, das der Wiedergekommene halten und das Gottesreich, das er anschließend

         errichten werde.  Das >Auswerfen der Angelschnur im Meer<, dem Bereich der Religion, bedeutet

         die aktive Suche von Menschen nach dem heilbringenden >Fisch<, als welcher einst Christus den

         Christen galt.  Wer ihn >an Land zieht<, plant das Gottesreich  a u f  E r d e n  zu errichten, was

         Christus bekanntlich nicht vorhatte.  Angesichts des Missbrauchs der christlichen Religion durch

         einen gänzlich Unbefugten graust es den Seher.  Doch nicht wenige Christen werden diesen Mann

         für eine Erscheinung der angenehmen Art halten, 1/29 [s.o.].

         Vz 1 [… aus der Adria beim Fluss Conca]  Die Adria ist keine Metapher.  Auf Inseln, wahrscheinlich

         auf Inseln im Mittelmeer, wird „der Eine erscheinen mit zwei Zähnen im Rachen“, 2/7 [s.o.] .  Dazu

         würde sein Landgang an einem mittelmeerischen Strand passen.  Wenn es zutrifft, dass der Fluss

         Conca gemeint ist, würde der Landungsort des >Fisches< südlich von Rimini liegen.  Wohl etwas

         später erscheint bei Ravenna ein Ungeheuer, 2/32;   und dorthin kommt einer, der >die Dame aus-

         plündern wird<, 9/54.

 

Ein Ungeheuer aus a n d e r e n Meeren landet

 

 

05/88 Sur le sablon par vn hideux deluge,/

Des autres mers trouué monstre marin:/

Proche du lieu sera faict vn refuge,/

Tenant Sauone esclaue de Turin. (1568)

 

Auf dem Sandstrand durch eine grauenhafte Überschwemmung/

(wird) ein Meeresungeheuer aus anderen Meeren gefunden./

Dort in der Nähe wird eine Zuflucht geschaffen,/

wenn Savona versklavt wird von Turin.

 

2) Zur Meeresmetaphorik s. unter -> mer.

3)4) Andere mögliche Übersetzung: "...wird eine Zufluchtstätte geschaffen,

die Savona als Sklaven von Turin hält". Aber das ist eher nicht gemeint,

weil Flüchtlinge meist machtlos sind und Andere nicht nötigen können.

 

 

Vz 1/2 [Grauenhafte Überschwemmung trägt Meeresungeheuer auf den Strand] Die "Über-

schwemmung" deutet zunächst auf die Naturereignisse des Kataklysmus, zu denen gewaltige

Überschwemmungen gehören. "Grauenhaft" sind sie, weil sie viele Menschen das Leben

kosten. Näheres unter Vorschau [II] Punkt 4) Große Überschwemmungen in Europa während

des Kataklysmus und unmittelbar danach; z.B. ist dort von Springfluten in Süd- und Mittelitalien

die Rede, 8/16 [II].

Außerdem ist bei der >Überschwemmung< an die >starke Woge< zu denken, die >einen

Menschen an Land trägt<, 1/29 [s.o.]. Sie wurde dort gedeutet als Bild für überbordende

Hoffnungen auf das Eingreifen Gottes, die einen Menschen als Hoffnungsträger erschaffen.

Das >Meer<, der Bereich des Glaubens, >wirft einen messianischen Menschen ans Ufer<,

d.h. der Glaube derer, die ihm begegnen, erschafft ihn. Und er ist wirklich da, auf dem

"Sandstrand". Denn wie aus anderen Textstellen hervorgeht, ist die Landung am Strand

der Adria a u c h ganz wörtlich gemeint, 3/21 Vz 1 [s.o.].

Ungeheuerlich ist der "liebliche" Anschein, den der Gemeinte erweckt, 1/29 [s.o.], hinter

dem sich sein wahres Wesen verbirgt, das dem Katholiken N. "schrecklich" erscheint,

weil er erkennt, dass es nicht Christus ist, der da landet, sondern ein "Anderer", 1/48 [II].

Für weitere Parallelstellen zum >Meeresmonstrum< s. das Stichwort -> monstre.

Vz 2 [das aus anderen Meeren stammt] Das >Meer< kann bei N. den Bereich der Religion

und des Glaubens bedeuten, s. unter -> mer. Die Herkunft >aus anderen Meeren< bedeutet,

dass der am Adriastrand Landende seiner Herkunft wie auch seiner Gesinnung nach kein

Christ und schon gar nicht der >wiedergekommene Christus< ist, für den er dann bald

gehalten wird.

Vz 3 [Dort in der Nähe Zuflucht geschaffen] Die zweite Vershälfte springt in die letzte Zeit

der alten Erde, wenn der christliche Glaube verboten sein wird [Vorschau XI]. An den

vermeintlich >Wiedergekommenen< knüpfen sich, gegen alle Erfahrung mit dem, was

er sagt, tut und zulässt, dann immer noch die Hoffnungen von >Schiffbrüchigen<, 2/56 [XI].

Dass Orte, die in der Erzählung vom >neuen Heiligen< eine wichtige Rolle spielen, zu

>Heiligtümern< geworden sind und dann auch Zufluchtstätten werden, ist vorstellbar.

Vz 4 [Savona versklavt von Turin] Das wird sich zu gegebener Zeit klären.

 

      (12) gilt als Mann von höchster Friedenskompetenz

      Ein Hebräer als Wunderarzt

 

 

06/18   Par les phisiques le grand Roy delaissé,/

Par sort non art de l’ Ebrieu est en vie,/

Luy & son genre au regne hault pousé,/

Grace donnee à gent qui Christ envie. (1568)

 

Von den Ärzten (wird) der große König aufgegeben,/

durch Schicksal, nicht Kunst des Hebräers ist er (noch) am Leben./

Er und seine Art in die Herrschaft hoch aufgestiegen,/

Gunst (wird) dem Volk gewährt, das Christus zurückweist.

 

1) Mittelfrz. n.m. physicien Arzt > lat. physicus

3) Mittelfrz. v. pousser u.a.: wachsen lassen (faire croître), gesellschaftlich

aufsteigen (s‘ élever dans la societé)

4) Alte Bedeutungen des v. envier (großer Larousse): nicht zustimmen

(ne pas accorder), zurückweisen (refuser)

 

 

         Zu einem großen König, den seine Ärzte aufgegeben haben, wird ein Mann jüdischer Herkunft

         gerufen, dem große Qualitäten („Kunst“) nachgesagt werden.  Wie durch ein Wunder steht der

         König vom Sterbebett auf.  Der Wunderarzt macht dann unter ihm Karriere („Gunst“) und zieht

         Leute seiner Art mit.  Er nutzt seine Macht, um die Lage des jüdischen Volkes insgesamt zum

         Besseren zu wenden.  Das klingt nach den feudalen Verhältnissen vergangener Tage. 

         Aber wann nach 1555 und in welchem Land gewannen Juden die Gunst eines großen Königs,

         der sie in die Herrschaft erhob?  Es ist nicht zu sehen.

         Vz 2/4 [Hebräer vermittelt seinem Volk Gunst]  Die Bezeichnung „Hebräer“ für den Wunderarzt

         lässt aufhorchen.  So hießen die Israeliten  v o r  dem Exodus aus der ägyptischen Gefangenschaft,

         und auch später noch, wenn sie in Knechtschaft leben mussten, Exodus Kapitel 21 Vers 2 bis 11,

         Jeremias Kapitel 34 Vers 9 und 14.  So kann auf die Ausgangssituation geschlossen werden,

         die der „Hebräer“ vorfindet.  Die Juden im gemeinten Reich sind ihrer Freiheit beraubt, 6/58 [VI]. 

         Juden, zu denen der Wunderarzt selbst gehört, leben in der Verbannung, 2/7 Vz 1/2 [s.o.].  Aber

         dann kommen sie durch ihn und seine Taten frei, 2/7 Vz 4 [s.o.].  Er macht Karriere, wie einst

         Joseph am Hof des Pharaos, und führt dann sein Volk aus der Knechtschaft, wie einst Moses.

         Es ist zu erwarten, dass er nach diesem starken Auftritt vom eigenen Volk gefeiert und mehr als

         nur verdächtigt wird, der Messias zu sein.  Es ist das Volk, das Christus abgelehnt hat, Vz 4,

         aber  d i e s e n  Mann für seinen Messias hält.  Als Heiler ist auch Christus hervorgetreten, aber

         meist bei Menschen einfachen Standes, während der „Hebräer“ weiter oben ansetzt.

         Vz 1/2 [großer König aufgegeben/ bleibt doch am Leben …]  Aber wer ist der große König, um

         den sich der hebräische Wunderheiler so verdient macht ?  Nachdem die Menschheit der Selbst-

         vernichtung durch Krieg und dem Naturgeschehen des Kataklysmus nur knapp entkommen ist,

         wird allseits der Ruf laut werden, dass es nun endlich Frieden geben müsse.  Aber es scheint,

         dass das weder im Kleinen, 2/95 [VI], noch im Großen, 4/95 [VII], gelingt.  Dafür gibt N. das Bild:

         Saturn/Kronos, mythischer König im Goldenen Zeitalter des Friedens, ist sterbenskrank;  die

         Hoffnung auf Frieden liegt darnieder, die >Ärzte<  - die Politiker -  haben versagt.  Durch den

         ihm voraneilenden Ruf, d.h. durch seine Anhänger in den sich bekriegenden Ländern, 4/95 Vz 3,

         wird der Hebräer als erfolgreicher Vermittler dem Frieden aufhelfen können.  Saturn/Kronos steht

         vom Sterbebett auf, und dann macht der Wunderarzt >unter Saturn< Karriere, 5/24 Vz 2 [XI],

         d.h. im Zeichen Zeichen eines erneuerten >Goldenen Zeitalters des Friedens<. 

         Vz 2 [durch Schicksal, nicht durch Kunst des Hebräers]  Die Erfolge des Mannes will N. nicht dessen

         besonderen Fähigkeiten, sondern dem Schicksal zugeschrieben wissen.  Ganz ohne besondere

         Fähigkeiten wird der Hebräer allerdings nicht auskommen.  Hier sind seine rhetorische Begabung,

         1/96 [VIII], und seine Umsicht, 4/21 Vz 3 [VII], an erster Stelle zu nennen.  N. meint wohl, dass der

         Himmel mit diesem Mann etwas vorhat, 1/96 Vz 1 [VIII], und ihn deshalb gewähren lässt.

 

Exkurs 15: Wird hier erneut eine jüdische Weltverschwörung behauptet?

"Eine der furchtbarsten und folgenreichsten  Verschwörungstheorien der Gecshichte ist die

Behauptung, es gebe eine jüdische Geheimorganisation, die nach der Weltherrschaft strebt.

Wann immer einflussreiche Politiker oder Geschäftsleute eine jüdischen oder jüdisch klin-

genden Namen tragen, betrachten die Anhänger dieser Verschwörungstheorie dies als Beleg

dafür, dass die sogenannten Protokolle der Weisen von Zion die Realität wiedergeben.

Das Anfang des 20. Jahrhunderts zum ersten Mal veröffentlichte Dokument enthält Protokolle

angeblicher Treffen von zwölf jüdischen Führern, die darüber diskutieren, wie man Regierun-

gen übernehmen und schließlich an die Weltherrschaft kommen könnte." (Süddeutsche

Zeitung vom 26.8.2011).

Diese gefälschten, aus verschiedenen trüben Quellen gespeisten Protokolle hatten eine klar

antijüdische Tendenz und dienten später u.a. den deutschen Nationalsozialisten und dienen

noch heute z.B. der palästinensischen Hamas dazu, die Judenfeindlichkeit ihrer Politik zu

begründen.

Die Centurien des Nostradamus werden hier so gedeutet, dass in nicht mehr ferner Zukunft

ein Mann, der dem jüdischen Volk entstammt, sich in mehreren Etappen bis zur Weltherr-

schaft [Vorschau VIII] aufschwingen und von dieser Position aus u.a. dafür sorgen werde,

dass seinem Volk "Gunst gewährt" wird, 6/18 [s.o.]. Ein flüchtiger Leser kann daher auf die

Idee kommen, dass hier anscheinend die Theorie oder besser Paranoia von einer jüdischen

Weltverschwörung unseligen Angedenkens erneut aufgewärmt und mit neuem Brennstoff

befeuert werden soll. Aber in Wahrheit trifft das nicht zu, weil N. gesehen hat, dass die

ungewöhnliche Karriere des späteren Weltherrschers in aller Öffentlichkeit stattfindet,

weshalb auch der Kommentator keinen Anlass sieht, den prophetischen Text im Sinne

einer weltweiten Verschwörung zu deuten.

Der spätere Weltherrscher fängt klein an, als höchst begabter Prediger und Diplomat, der

sein Volk, das jüdische Volk des Staates Israel, 7/32 [s.o.], das in schwerste Bedrängnis

geraten ist, vor dem vollständigen Untergang bewahrt und seine Lebensbedingungen

verbessert, 2/07 [s.o.]. Viele religiöse Juden, deren Zahl sich in existentieller Not vermehrt

hat, halten den Mann daher für den ihnen in biblischer Zeit einst versprochenen Messias,

6/18 [s.o.], zumal er auch außerordentliche Zeichen zu wirken imstande ist, 4/24 [s.o.].

Schon diese räumlich noch sehr begrenzten Vorgänge im Mittelmeerraum finden nun aber

nicht heimlich statt, sondern öffentlich, bei Nostradamus z.B. an Vers 6/58 [VI] ablesbar,

der die Empörung zweier weit entfernter Grossmächte über die schreckliche Lage der

israelischen Juden in der gemeinten Zeit anspricht. Dass diese öffentlichen Vorgänge

von irgendwelchen Geheimgesellschaften, Logen oder Sekten ins Werk gesetzt werden,

ist bei N. dagegen nirgends zu erkennen. Und dass der Mann, der in die Identität des

Messias der Juden hineinschlüpft, nur Jude sein kann, ergibt sich daraus, dass ein gott-

gesandter Messias einst dem Volk der Juden von seinen Propheten versprochen wurde.

Er lässt es zu, dass die alte Verheißung auf ihn bezogen wird und zündet so die erste

Stufe einer >Trägerrakete<, die ihn schließlich bis in die Umlaufbahn des Weltherrschers

emporträgt [Vorschau VIII].

Wie die zweite Stufe dieser raketenhaften Karriere ihren Schub entfaltet, wird im vor-

liegenden Kapitel [III] und im folgenden Kapitel [IV] deutlich. Der Gemeinte versteht es,

die Spitze der katholischen Kirche davon zu überzeugen, dass sich durch die Ankunft

seiner Person die Verheißung von der Wiederkunft Christi auf Erden nunmehr erfülle.

Noch mehr als die Hilfe, die er seinem eigenen, dem jüdischen Volk leisten kann, wird

seine Anerkennung als >wiedergekommener Heiland< in aller Öffentlichkeit gefeiert,

wofür das Kapitel [IV] mehrere Belege bietet. In Vers 10/52 [IV] findet sich die einzige

Stelle, die als Hinweis auf eine Verschwörung gedeutet werden könnte: Die Bindung

der katholischen Kirche an den vermeintlich >Wiedergekommenen< sei "von langer

Hand vorbereitet". Doch damit ist nur die 2000 Jahre alte Ankündigung der Wiederkunft

Christi gemeint, aber keine Steuerung der Vorgänge aus dem Hintergrund mit irgend-

welchen geheimen Machtmitteln. Es ist die mangelnde Urteilsfähigkeit in Sachen

Religion sowie der Ehrgeiz und Weltsinn mancher Kleriker, die daraus entstehende

leichtsinnige Gutgläubigkeit und schließlich Verblendung vieler Menschen, die die Vor-

gänge ermöglicht. Sie mag psychologisch ansteckend sein, wird aber nicht von außen

gesteuert.

Das Bild der Trägerrakete für die Antriebskräfte der Karriere des vermeintlich

>wiedergekommenen Heilandes< macht deutlich, dass mit dem Ausbrennen der Stufen

diese dann irgendwann nicht mehr gebraucht werden; sie verglühen im Raum, weil der

Karrierist nicht mehr auf sie angewiesen ist. Im Klartext wird dann "verjagt, wer ihm

taugte", 4/21 [VII], seine Karriere überhaupt erst zu ermöglichen.