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Exkurse

Übersicht

Exkurs (1): Das Ineinanderfließen von buchstäblicher und

                  bildlicher Redeweise als Mittel der Verdunklung

Exkurs (2) Zum Begriff des Gesetzes (loy) bei N.

Exkurs (3) Zu den Menschenrechten

Exkurs (4) Zum Glauben an die Vernunft

Exkurs (5) Über >Größe< bei N.

Exkurs (6) Zum Begriff der Sekte bei N.

Exkurs (7) Zur Schreckensherrschaft im Namen der Vernunft

Exkurs (8) Der Prophet als Warner

Exkurs (9) Zur Symbolik geographischer Namen bei N.

Exkurs (10) Ironie und Sarkasmus als Deutungsproblem

Exkurs (11) Ist es möglich, dass N. die Namen der von ihm

                               erschauten Personen erkennen konnte?

Exkurs (12) Göttliche Gerechtigkeit als prophetisches Schema

Exkurs (13) Zum räumlichen Geltungsbereich der Centurien

Exkurs (14) Anmerkungen zur Wiederkunft Christi

Exkurs (15) Wird hier erneut eine jüdische Weltverschwörung behauptet?

Exkurs (16) Braucht Gott Blutzeugen?

 

 

Exkurs (1): Das Ineinanderfließen von buchstäblicher und      bildlicher Redeweise als Mittel der Verdunklung

         Vor Eintreten der Ereignisse hätte ein unbefangener Leser Vers 8/37 (Kap.8) etwa

         folgendermaßen deuten können:  Der britische König ist eingesperrt, wird aber dann

         dann befreit, schließlich doch zum Tod verurteilt und endlich zu Festungshaft begnadigt. 

         Dass die zutreffende (im Kommentar angegebene) Deutung ex ante nicht möglich

         ist, leuchtet unmittelbar ein.  Die Antwort auf die Frage nach dem Sinn der Vermengung

         von wörtlicher und bildlicher Redeweise lautet demnach:  Es handelt sich um ein Mittel

         der Verdunklung, die Verse  s o l l e n  n i c h t  vor Eintreten der Ereignisse verstanden

         werden, wofür es wiederum mehrere Gründe gibt, siehe Einführung (5) „Notwendigkeit

         der Verdunklung“.

         Auch die moderne Gebrauchssprache kennt noch Metaphorik, wenngleich gegenüber

         dem 16. Jahrhundert ein Rückgang zu verzeichnen ist, wieder aus mehreren Gründen. 

         Der moderne Mensch in seinem Weltbemächtigungswahn kann Mehrdeutigkeit nicht

         brauchen  -  wenn z.B. die Funkbefehle an eine Raumstation mehrdeutig wären, könnte

         das übel ausgehen.  Der moderne Mensch ist Realist und nennt die Dinge beim Namen,

         >redet nicht drum herum<, und Philosoph wie Wissenschaftler definieren ihre Sprache

         um der Klarheit und Nachprüfbarkeit willen.

         Domänen der Metaphorik sind seit jeher die Dichtung und die Sprache der Religion.

         Um die Verhältnisse im Reich des Geistes in ihrer Gestalt für uns fassbar zu machen,

         kleidet sich die Wahrheit in Bilder.  Je mehr das Interesse an diesem Reich nachlässt,

         desto größer wird das Unverständnis für und die Abneigung gegen bildliche Redeweise.

         Ganz anders der Seher:  Zum ausgiebigen Gebrauch der Metaphorik kommt bei ihm eine

         stilistische Dichte, die er auch durch Changieren mit doppelten Bedeutungen herstellt. 

         Die Festung in Vers 8/37 steht für das bedrängte Königtum  u n d  ein reales Gefängnis

         des Königs, die Brücke für ein reales Holzgerüst  u n d  bildlich für die Möglichkeit der

         Verständigung. 

         Aus Freude an der Verdunklung erfindet N. in virtuoser Manier auch gern neue Symbole,

         wofür Exkurs (9) über die Symbolik geographischer Namen eine Reihe von Beispielen

bietet.

 

 

         Exkurs (2) Zum Begriff des Gesetzes (loy) bei N.

„Gesetz der Sonne“ nennt N. die christliche Religion im Allgemeinen und die Gebote des

Priesterstandes im Besonderen, 5/72 (Kap.6).  Wenn „Glaube und Gesetz“ (foy & loy)

als Paar erscheinen, 8/76 (Kap.8), ist das Nebeneinander richtig verstanden, wenn darin

das von Gottes Gnaden verliehene Königtum und die darauf gegründete Rechtsordnung

erkannt werden.  Die in einer staatlichen Ordnung ausgeübte Herrschaft ist die sichtbare

Erscheinungsform dieser Ordnung, weshalb „Gesetz und Herrschaft“ (loy & regne)

gemeinsam auftreten können, 2/92 (Kap.30).

         Fundament der staatlichen Ordnung kann der christliche Glaube sein;  es kann aber

         auch der Islam, das „maurische Gesetz“, 3/95 (Kap.31), diese Aufgabe übernehmen. 

         Wenn aus einer feudalen, religiös fundierten Ordnung mit Sultanat und Kalifat eine

         säkulare Republik wird, ist das eine „Wandlung der Gesetze“, 1/40 (Kap.31).  Eine

         Wandlung in ähnlichem Sinne vollzieht sich, wenn eine Republik die Menschenrechte

         zur Grundlage eines Staates erklärt, der zuvor ein Königreich von Gottes Gnaden war,

         2/8 (Kap.15). 

         Unter einer loy, einem Gesetz, versteht N. also ein religiöses oder philosophisches

         Prinzip als Grundlage einer Rechtsordnung.

 

 

         Exkurs (3) Zu den Menschenrechten

         Die Formel vom „Streben nach Glück“ (pursuit of happiness) in der Präambel der

         amerikanischen Verfassung von 1787 verdeutlicht, dass in der neuen Ordnung der

         Mensch und seine Wünsche an das Leben in den Mittelpunkt des Denkens rücken.

         Es sind die Wünsche nach einem von Nöten wie Nötigungen möglichst freien Leben,

         die als Menschenrechte zum Leitbild und Rechtsgrundsatz erhoben und in den Status

         des objektiv Gültigen erhoben werden.  Ablesbar ist das z.B. an dem Satz „Die Würde

         des Menschen ist unantastbar“ im Artikel 1 des deutschen Grundgesetzes, dessen

         Indikativ verschleiert, dass es sich hier um einen Wunsch handelt:  Die Menschenwürde

         ist nicht und war nie unantastbar, doch man hegt den Wunsch, dass es so sein möge,

         gründet den Staat auf die Proklamation eines Wunsches.

         Erfüllen soll ihn der Staat selbst, eine Staatsgewalt, die in der neuen Ordnung nicht mehr

         vom Monarchen, sondern von der Gesamtheit der Bürger ausgeht.  Die sich für vernunft-

         geleitet haltenden Menschen trauen dem Kollektiv zu, Garant ihrer Würde und Freiheit zu

         sein.  Dass Kollektive eigene Interessen entwickeln, sich selbst erhalten und entfalten wollen

         und dazu neigen, ihren Mitgliedern die größten Zumutungen (z.B. Militärdienst) aufzuerlegen,

         wird von den vernunftgläubigen Aufgeklärten damit begründet, dass Rechte und Freiheiten

         auch Pflichten bedingen (Kant).  Durch die Umformulierung von Naturrechten in Ansprüche

         gegenüber dem Kollektiv wird dem Kollektiv Verantwortung und damit Macht über die

         Menschen verliehen.  Die Machtergreifung der Kollektive kommt als Gebot der Vernunft

         daher.

 

 

         Exkurs (4) Zum Glauben an die Vernunft

         In der Zeit der französischen Revolution werden Ideen der sich aufgeklärt nennenden

         Philosophie in die Praxis umgesetzt.  Man verwirft den christlichen Glauben als Grundlage

         der gesellschaftlichen Ordnung.  Die neue Ordnung soll allein auf die menschliche Vernunft

         gegründet werden, deren höchste Stufe im Denken der Philosophen erreicht sei. 

         Die Philosophen der Aufklärung, Locke, Rousseau, Kant, Voltaire, Montesquieu usw. stehen

         hoch im Kurs.  Die Fortschritte in der Erforschung der Natur haben den Boden bereitet für die

         Heiligung der Vernunft.  Der Mathematiker Laplace nennt die Astronomie >das schönste

         Denkmal des menschlichen Geistes<, so als ob die Wandelsterne nicht schon seit Urzeiten

         ihre Bahn gezogen hätten und ihre Bewegung durch den sie betrachtenden >menschlichen

         Geist< erst geadelt werde  -  ein schwer erträgliches Selbstlob.

         Skeptiker wie David Hume, der die Vernunft verdächtigt, eine Sklavin der Leidenschaften

         zu sein, werden nicht gehört.  An die Stelle des Glaubens an Gott tritt nicht die Vernunft,

         wie es immer heißt, weil an die Stelle eines Glaubens nur ein anderer Glaube treten kann. 

         (Nur scheinbar kann es auch völlige Glaubenslosigkeit geben, denn auch die Ablehnung

jeder Metaphysik ist ein Axiom, d.h. ein Glaubenssatz.)   An die Stelle des Glaubens an

Gott tritt der Glaube an die Vernunft des Menschen. Der >Aufgeklärte< bewertet seinen

Intellekt höher als den Geist Gottes.  Die Vernunft werde im neuen Staat zu höchster

Entfaltung gelangen und sich durch ihn verwirklichen.  Auf dem Höhepunkt des revolu-

tionären Elans (und der Blutjustiz) wird im November 1793 von Robespierre ein >Kult

der Vernunft< und ein >Fest des höchsten Wesens< öffentlich zelebriert.  Heute als

verstiegen empfunden, sind solche Festlichkeiten doch Ausdruck einer Geisteshaltung,

die noch keineswegs abgedankt hat.  Der Glaube, durch Aufklärung, d.h. durch den

fortgesetzten kollektiven Gebrauch der Vernunft könne das Böse aus der Welt gedrängt

und letztlich ein Paradies auf Erden von Menschenhand geschaffen werden, ist mittler-

weile nicht mehr naiv, sondern durch Erfahrungen in Frage gestellt.  Dennoch hält er

immer noch viele Herzen in seinem Bann.

 

 

         Exkurs (5) Über >Größe< bei N.

         Hitler heißt in 2/24 (Kap.39) und 2/82 (Kap.38) „der Große“, weil N. erkannte, dass

         er für einige Jahre zum Herrscher über Europa werden würde, 9/90 (Kap.32). 

         Obwohl er in diesem Mann eine „Bestie“ erkennt, 1/12 (Kap.37), nennt N. ihn wegen

         seiner Machtfülle und außerordentlichen Taten „groß“  -  offensichtlich  o h n e  damit

         eine positive Wertung zu verbinden.

         „Drei Große“ sind in 1/31 (Kap.38) die auch von den Zeitgenossen so bezeichneten

         „großen Drei“, nämlich Churchill, Roosevelt und Stalin, die während des zweiten

         Weltkriegs zusammenkommen, um sich über die gemeinsame Kriegführung und

         Grundlinien der Nachkriegsordnung zu verständigen.  In Churchill erkennt N. eine

         realistische Kämpfernatur, 5/4 (Kap.34), in Stalin den Herrscher des religionsfeind-

         lichen >Neuen Babylon<, d.h. des kommunistischen Machtbereichs, 2/38 (Kap.40).

         Somit widerspiegelt >Größe< von Herrschern bei N. in der Regel nicht sein eigenes

         Werturteil, sondern das maßgebliche Werturteil der jeweiligen Zeitgenossen,

         welches die Betreffenden ja auch erst zu >Großen< macht.  Nur in wenigen Fällen

         legt N.  s e i n e n  Standpunkt zugrunde, so wenn er die Polen ein „großes Volk“ nennt,

         weil sie den Mut aufbringen, den Kommunismus niederzuringen, 2/28 (Kap.41).

 

 

         Exkurs (6) Zum Begriff der Sekte bei N.

Als Anhänger des Königtums übernimmt N. auch sprachlich nicht den Standpunkt

der Anhänger der Republik.  „Verschworene“ sind nicht Gegner der Republik,

sondern Gegner des Königtums.  Wer gegen das Königtum vorgeht, es schwer

erschüttert und dann beseitigt, weil er die Ungleichheit und das Gottesgnadentum

nicht mehr akzeptiert, der gründet für N. eine >Sekte<, die sich gegen den christlichen

Glauben stellt.  Er wird Partei mit dem Beiklang nicht nur politischer Verschwörung,

sondern auch des christlichen Ungehorsams. 

Ist dann die alte Ordnung umgestoßen, und sind die Revolutionäre an der Macht,

sind sie es, die die politische Sprache bestimmen.  Der Versuch zur Befreiung der

internierten Königin, 1/7 (Kap.17) wird zur Affäre, zum Komplott, eingefädelt von

Verschwörern.  N. aber lässt sich nicht beirren und bleibt bei seiner Sicht der Dinge. 

Für ihn sind in Wahrheit die von der Republik bestellten Richter, die das Todesurteil

fällen, die >Verschworenen< einer >Sekte<.  So nennt er abschätzig die erfolgreichen

Parteigänger der Republik, die sich gegen das Königtum gestellt und das Königspaar

physisch vernichtet haben.  Ebenso abschätzig nennt er die sich für aufgeklärt

haltenden Denker des 17. und 18. Jahrhunderts eine >neue Sekte von Philosophen<,

3/67 (Kap.13), weil sie sich gegen den alten Glauben stellen, soweit er als Legitimation

der alten Ordnung des Königtums dient.

In der Vorschau wird die Anhängerschaft des >neuen Weisen<, 4/31 [III], der nach

dem Kataklysmus [II] auftritt, einmal eine Sekte genannt, VH (30), wobei N. wieder

seinen Maßstab zugrundelegt, weil er die Lehren dieses Mannes als verderblich für

die Christen erkennt.  Doch meist sind es die Glaubensgemeinschaften der alten

Religionen, die in der Vorschau pauschal mit dem abwertenden Begriff der Sekte belegt

werden, z.B. in VH (25), 1/45 [VIII] und 1/96 [VIII].  Die Glaubensinhalte, die sie bis

dahin bewahrt haben, werden am Ende mit dem Bann eines globalen Regimes belegt; 

wer noch an ihnen festhält, gilt als Sektierer. Ein vollständiger Fundstellennachweis

findet sich unter secte im Glossar.

 

 

         Exkurs (7) Zur Schreckensherrschaft im Namen der Vernunft

Zu Zeiten des Sehers wird das Königtum noch nicht in Frage gestellt. Man glaubt,

dass jedes Volk eine Königsstelle, den Thron habe, etwa so wie jedes Kind eine

Vaterstelle hat.  Der Vater des Kindes ist notwendiger Teil seines Lebens, und

seine Stelle kann unbesetzt bleiben, aber nicht aus der Welt geschafft werden.

Dementsprechend kann auch der Thron zwar unbesetzt bleiben, aber nicht abge-

schafft werden.  Denn der König ist von Gott als Vermittler dessen eingesetzt, was

dem Volk von Gott her bestimmt ist.  Man kann den König hinrichten, auch dessen

ganze Familie töten, aber der Thron als die transzendental, d.h. im Glauben fun-

dierte Königsstelle ist nicht aufhebbar.

Will man davon nichts wissen, dann tritt nach der Abschaffung des Königtums

(in Frankreich im August 1792, Hinrichtung im Januar 1793), mit der auch die

Regeln der Erbfolge, d.h. des friedlichen Übergangs, über Bord gehen, der Ur-

zustand in Geltung: Der neue König wird ausgekämpft, gleich unter welcher zivilen

oder ideologischen Maske.  Charakteristisch für das Blutvergießen von 1793/94

ist die Ziellosigkeit der über Tod und Leben entscheidenden Instanzen.  Es kann

jeden treffen.  Die Schreckensherrschaft erscheint bei N. als Opferkult, 1/44

(Kap.15), durch den eine erzürnte Gottheit versöhnt werden soll, von der man

nicht recht weiß, was oder wen sie eigentlich fordert.  Namen des neuen Götzen

sind Vernunft und Tugend, und es geht darum, wer in ihrem Namen die Königsstelle

einnimmt.

Für Nostradamus wird in den Jahren ab 1789 der Zugang zu jener Instanz langfristig

verbaut, die allein das Recht wirksam schützen kann - eine Instanz, die auch in nicht

mehr ferner Zukunft sich als geeignet erweisen könnte, der Gefahr zu begegnen,

dass eine vom Kollektiv ausgehende Herrschaft, gleich welcher ideologischen Prägung,

ins Totalitäre und Menschenverachtende umschlägt.  Voraussetzung ist freilich, dass

der Glaube der Menschen und der daraus erwachsende Gehorsam gegenüber Gott

und in weltlichen Dingen auch gegenüber dem weltlichen Herrn wieder stark genug ist.

 

 

         Exkurs (8)  Der Prophet als Warner

Er scheitert, sogar wenn er sich, anders als N., klar ausdrückt  -  daran, dass Politiker

und Militärs vorrangig an der Macht und weniger an der Wahrheit interessiert sind,

am deutlichsten zu beobachten in autoritären oder gar totalitären Regimen, aber

auch in Demokratien, wenn sie an Kriegen teilnehmen.  Männer der Tat verachten

prophetische Warnungen, weil diese die ethische Grundlage oder den Erfolg ihres

Handelns in Frage stellen.  Wahrheitssuche und Machtstreben zielen in entgegen-

gesetzte Richtungen.  Je konsequenter das eine angestrebt wird, desto mehr Abstriche

müssen beim anderen gemacht werden.  Wer wirklich an der Wahrheit interessiert ist

und deshalb Propheten Gehör schenkt, die eine echte Berufung erkennen lassen,

kann dort seine Skepsis bestätigt finden.

         Die Vertreibung der Könige gilt dem Seher als ein Akt christlichen Ungehorsams,

         als Folge der Nichtachtung von Gottes Geboten.  Die Herrscher >von unten<, von

         Volkes Gnaden, die nach dem Ende des Königtums auftreten, sind ihm grundsätzlich

         suspekt.  Spätestens nach dem Abgang der Könige von der geschichtlichen Bühne

         würden die Mächtigen nicht mehr auf Berufene seines Schlages hören wollen,

         dessen war er sich sicher.  Die Warnungen sind demnach nur anders formulierte

         Vorhersagen.  Der wider besseres Wissen sich äußernde Wunsch einzugreifen

         verdeutlicht, das N. ein Mensch war, den seine Gesichte nicht kalt ließen.  Es grauste

         ihn vor der Verworrenheit, oft auch Verworfenheit des Tuns der Mächtigen und all

         dem Elend, das dadurch heraufbeschworen wird.  

         Der Prophet scheitert im Großen, kann aber doch denen, die ihn anhören, Hilfe zur

         Orientierung geben und hat dann seine Warnungen vor weltsüchtigen Eroberungs-

         plänen, charismatischen Machtmenschen und falschen Heilsbringern aller Art nicht

         gänzlich in den Wind gesprochen.

 

 

         Exkurs (9) Zur Symbolik geographischer Namen bei N.

         Namen von Städten, Ländern und Flüssen sind meistens wörtlich gemeint, aber sie 

         k ö n n e n  auch, anknüpfend an ihre Geschichte, einen politischen oder religiösen

         Symbolgehalt haben.  Zu seiner Verschleierungstechnik gehört es, dass N. nicht nur

         aus dem Fundus der geläufigen Symbole schöpft, sondern öfter selbst welche erschafft. 

         >Rom< als Name für die Spitze der katholischen Kirche, 10/65 [XI], ist geläufig, da folgt

         N. nur dem Sprachgebrauch.  Gelegentlich aber steht >Rom<, weil es die Hauptstadt des

         antiken Imperium Romanum ist, für das Zentrum der >Weltfriedensordnung<, das nicht

         in Italien liegen wird, 5/46 [IV], 5/49 [IV].

         >Neue Erde< nennt N. in 2/89 (Kap.40) den im 16. Jahrhundert noch neuen Erdteil

         Amerika.  Attika ist Teil Griechenlands, wo sich in der Antike die Demokratie erstmals

         durchsetzen konnte.  Als >attisches Land< kann daher ein Land bezeichnet werden,

         das in der Neuzeit zum Hort und zur Speerspitze der Demokratie wird, 5/31 [III],

         die USA nämlich.

Die Stadt Frankfurt ist seit dem 12. Jahrhundert der Ort, an dem die Kaiser gewählt

werden und kann daher allegorisch für diese Institution des Reich stehen, 3/53 (Kap.1).

         Die Stadt Venedig verliert 1797 ihre Souveränität, 4/1 (Kap.20).  Wenn d a n a c h

         „Venedig mit großer Macht die Flügel erhebt“, VH (36), dann kann das demnach nicht

         wörtlich gemeint sein.  >Venedig< steht aufgrund von Ereignissen der Jahre 1606ff. für

         einen Staat, der die Autorität der römischen Kirche im kirchlichen Bereich nicht mehr

         anerkennt, VH (35), darüber hinaus aber auch für den säkularen Staat schlechthin, der

         sich zu seiner Legitimierung nicht mehr auf den christlichen Glauben beruft.  ( Wenn

         ihm etwas gegen den Strich geht, ist N. nicht zu Differenzierungen aufgelegt.)

         Nach dem Rhein, der Grenze zwischen Frankreich und deutschen Landen, wird 1806

         ein Bündnis dieser Länder benannt, der Rheinbund, dem das alte Kaiserreich zum Opfer

         fällt.  Der alte Zusammenhalt des christlichen Europa wird >in den Rhein geworfen<,

         6/3 (Kap.22), 6/4 (Kap.27), er geht unter im Fluss der Zeit.

         Nach der Stadt Marseille ist die Nationalhymne der französischen Republik benannt. 

         Daher ist >Marseille< der Ort, wo der moderne Franzose das Gemüt zu den Prinzipien

         erhebt, auf die seine Nation seit der Revolution von 1789 verpflichtet ist, 10/24 (Kap.25). 

         >Marseille< steht demnach für die Revolution und ihre Prinzipien.

         In den italienischen Vereinigungskriegen stellt sich auch die Lombardei mit ihrer

         Hauptstadt Mailand gegen die österreichische Herrschaft, 6/87 (Kap.30).  >Mailand<

         kann daher die nationalitalienische Bewegung bedeuten, die im neunzehnten

         Jahrhundert die >Wiedergeburt< Italiens als Nation anstrebt.

Babylon kann die Weltgegend bedeuten, wo diese Stadt einst lag (Irak). Doch >Babylon<

ist wegen des biblischen Hintergrundes auch eine Macht, die dem >Volk Gottes<  - das

sind für N. die Katholiken - feindlich gesonnen ist.  >Neues Babylon< heißt in VH (19a)

(Kap.41), der kommunistische Machtbereich als Feind der europäischen Christenheit.   

         Der Dnjepr fließt durch Russland, Weißrussland und die Ukraine ins Schwarze Meer. 

         Daher kann der >Dnjepr< diese Länder bedeuten, die als erste unter die Herrschaft der

         kommunistischen Ideologie geraten, 3/95 (Kap.31).

         Der Unterlauf der Donau heißt lateinisch Hister.  >Hister< steht bei N. für Hitler erstens

         wegen der ähnlichen Lautung, zweitens weil er aus dem Donauraum stammt und

         drittens u.a. dort >Lebensraum< für sein Volk erobern will, 5/29 (Kap.32).   

         In Genf lehrte einst Calvin, die Stadt wird im 16. Jahrhundert zu einem Zentrum des

         europäischen Protestantismus.  >Genfer Volk< kann N. daher jene Hugenotten nennen,

         die seit 1685 in Frankreich ihren Glauben nicht mehr ausüben dürfen, 2/64 (Kap.10). 

         Im 20. Jahrhundert wird Genf zum Sitz des Völkerbundes und 1945 zum europäischen

         Zentrum der Vereinten Nationen. Die >Genfer< können seitdem auch die Mitglieder der

         Völkergemeinschaft bedeuten, 4/59 (Kap.38).

         Dieser Katalog erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

 

 

         Exkurs (10)  Ironie und Sarkasmus als Deutungsproblem

         In der Bezeichnung als „heiliger Barbar“ 10/38 (Kap.34) gibt sich eine doppelte,

         in sich widersprüchliche Wertung kund, die nur erklärbar ist, wenn man annimmt,          

         dass N. eins von beiden nicht ernst, sondern ironisch gemeint hat.  Barbar ist das,

         was Hitler für den Seher war und für die Nachwelt ist, und >heilig< ist die von N.

         wahrgenommene Wertung vieler Zeitgenossen des Diktators, die ihn wie einen

         deutschen Messias verehren.  Wer das Ende absieht, kann das nur in ironischem

         Ton aussprechen.  D a s s  N. das Stilmittel der Ironie einsetzt, ist damit belegt,

         ohne dass dieser Beleg den Status eines Beweises haben könnte.

         N. nimmt in seinen Visionen den Irrsinn und die Verworrenheit des Geschehens,

         die Anmaßung und Grausamkeit der Akteure um kurzlebigen Ruhmes willen so oft

         wahr, dass die gelegentliche Flucht in die Distanz der Ironie verständlich erscheint. 

         Die Schärfe des Sarkasmus ist nur dann zu spüren, wenn ihm Unverzichtbares bedroht

         erscheint, namentlich die Einheit der Kirche, das christliche Königtum und die Souveränität

         seines Heimatlandes.  Dass seine Heimat 1940 bis 1944 in die Abhängigkeit, gar

         Botmäßigkeit einer fremden Macht gerät, ist für N. schwer mit anzusehen und lässt ihn

         zu bösem Sarkasmus greifen, den Philippe Pétain als Herrscher von Hitlers Gnaden

abbekommt, 8/65 (Kap.36)

         Ironische oder sarkastische Aussagen meinen das genaue Gegenteil dessen, was sie

         zu sagen scheinen.  Wird der Tod Kaiser Karls V. als „Lohn für Nürnberg“ bezeichnet,

         6/15 (Kap.1), für den Nürnberger Religionsfrieden von 1532, dann ist für Nostradamus

         dieser >Lohn< in Wahrheit das Scheitern als gerechte Konsequenz einer Haltung Karls

         gegenüber Luther und dessen Anhängern, die er als zu nachgiebig brandmarken will.

         Ironisch und sarkastisch gemeinte Aussagen erweitern also den Deutungsspielraum um

         das genaue Gegenteil dessen, was sie zu sagen scheinen.  Die Deutung wird dadurch

         nicht einfacher, aber ihre Möglichkeiten vervielfältigen sich auch nicht ins Beliebige. 

         Die Frage, ob Aussagen oder Begriffe ironisch gemeint sind, kann schwer zu entscheiden

         sein.  Legt eine große Huldreiche >souveräne Macht< an den Tag, 2/14 (Kap.4),

         oder wird ein Papst als Mann >ohnegleichen< verherrlicht, 8/53 (Kap.29), oder macht

         eine >große Heldentat< von sich reden, 4/65 (Kap.35), dann sind diese Formulierungen

         schon deshalb der Ironie verdächtig, weil ihr uneingeschränkt positiver Klang zu dem Bild

         des geistigen Verfalls nicht passt, das N. von der Zukunft im Allgemeinen entwirft und das

         für ihn mit dem Niedergang der Monarchien und seiner Kirche untrennbar verknüpft ist. 

         Erst wenn dem geistigen Abstieg einmal wirklich Einhalt geboten sein wird, wenn dereinst

         die Geister geschieden sein werden, Offenbarung Kapitel 20 Vers 4 bid 6, könnten Elogen

         der angegebenen Art auch einmal wörtlich so gemeint sein, 10/89 [XV].

         Im Zweifelsfall gilt die allgemeine Regel, dass sich  a l l e  Teilaussagen eines Verses in das

         Gesamtbild einfügen müssen, dessen Perspektive und Färbung von den Anschauungen

         und Werturteilen des Sehers geprägt werden.  Und öfters ist dieses Gesamtbild eben nicht

         kenntlich ohne die Annahme, dass Ironie oder Sarkasmus im Spiel sind.

 

 

         Exkurs (11): Ist es möglich, dass N. die Namen der von ihm
                                       erschauten Personen erkennen konnte ?

         Es wird für absurd gehalten, in den Buchstaben D.M. eine Abkürzung für Duce Mussolini

         zu erkennen, dann könne hier auch die Deutsche Mark gemeint sein (Pfändler, Jean-

Claude, Nostradamus, Die Urtexte, Chieming 1996, S. 27).  Was diese Deutungsidee

angeht, müsste gezeigt werden, dass Nostradamus des Deutschen mächtig war und sich

auch für Volkswirtschaft interessiert hat  -  bisher ist das noch nicht gelungen. 

         Am Beispiel Napoleons zeigte sich, dass N. diesen Namen mindestens seiner Lautung

         nach wahrgenommen hat, denn er erinnerte ihn an den Engel des Abgrunds namens

         Apollyon in der Johannes-Apokalypse, 1/76 (Kap.19).  Das lässt auch Pfändler gelten

         (1996 S. 107).  Wer aber in einem Fall einräumt, dass N. einen Namen wahrgenommen

         hat, wird das für andere Fälle nicht prinzipiell ausschließen können.

         Mussolini, über zwanzig Jahre lang in Italien an der Macht, hat durch seine Politik das Ende

         des Königreiches Italien bewirkt und vor allem deshalb das Interesse des der Monarchie

         anhängenden N. erweckt.  Die Inschrift D.M., die 1922 in der italienischen Öffentlichkeit

         Furore macht, kannte N. von antiken Grabsteinen.  Seine Intuition erschloss ihm den

         Zusammenhang beider, die Ahnenverehrung der antiken wie der modernen Römer

         der 1920er und 1930er Jahre.  Die selbsternannten Erben der Cäsaren haben selbst

         nicht viel zu bieten und wollen in die antike Identität schlüpfen, um an alte Pracht und

         Herrlichkeit anzuknüpfen, 1/9 (Kap.37).

         Das deutlichste Beispiel für des Sehers Fähigkeit, die Namen der Akteure zu erkennen,

         bietet Vers 9/16 (Kap.33), der die Namen von gleich zwei spanischen Protagonisten

         nicht nur andeutet, sondern wörtlich nennt.  Und dann sind da noch der „abhängige Philipp“,

         Nachname Pétain, 8/81 (Kap.36), sowie der polnische Papst  „mit dem Beinamen des

         Propheten“ namens Johannes, 2/28 (Kap.41), jenes Propheten, der das letzte Buch der

         Bibel verfasst hat.

         Die hier behandelte Frage zeigt wieder, dass vorgefasste Meinungen, über welche

         Fähigkeiten Paragnosten verfügen müssten oder keinesfalls verfügen könnten, nicht

         weiterhelfen.  Ein begründetes Urteil kann sich nur auf die zusammengetragenen

         Indizien und ihre Verknüpfung stützen.

 

 

         Exkurs (12) Göttliche Gerechtigkeit als prophetisches Schema

         „Das Niedrige wird hoch, und das Hohe wird niedrig“, verkündet Ezechiel Kapitel 21,

         Vers 31 bündig, und Jesus schlägt in die gleiche Kerbe:  „Wer sich selbst erhöht,

         wird erniedrigt, wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht“, Matthäus Kapitel 23 Vers 12. 

         Als Beispiel für die göttliche Gerechtigkeit nicht geeignet, nennt doch Vers 10/18

         (Kap.6) diese Sentenz wörtlich und bietet so einen Beleg für ihr Wirken bei N. 

         E r s t  die Erhöhung des Ungerechten durch den Willen der Menschen,  d a n n   

         dessen Erniedrigung durch den Willen Gottes, e r s t  der Erfolg desVerkehrten,

         d a n n  dessen Scheitern  -  so vereinfacht N. des Öfteren die Vorgänge und will

         gerade durch den Schematismus klar machen, dass er hier ein Gesetz aus dem

         Willen Gottes walten sieht.

         Nicht nur Personen, auch verkehrte Ideen sieht er aufsteigen und scheitern.

         Ihre Träger erfahren erst durch das Scheitern die Verkehrtheit.  „Bevor für lange Zeit

         das ganze in Ordnung gebracht wird, „erwarten wir ein ganz verkehrtes Zeitalter“,

         2/10 (Kap.15).  Nach der amerikanischen und der französischen Revolution werde

         niemand mehr den ihm bestimmten Platz und Rang einnehmen wollen. 

         Auch an den Sturz der alten Ordnung im Habsburgerreich 1918 knüpfen manche

         Völker große Hoffnungen, aber „das neue Gesetz wird härter sein als Dienst“,

         weil die Ideologen, die dann emporkommen, die Völker untereinander und in sich

         entzweien, 2/90 (Kap.31).

         Auch an Personen lässt sich das Schema verfolgen. „Beherztheit, Kraft, Ruhm“

         zeichnen Frankreich unter Ludwig XIV. aus, doch nach dessen Tod geht es bergab - 

         Nostradamus zufolge, weil die Franzosen sich für die aufgeklärten politischen Ideen

         der Briten begeistern, 3/15 (Kap.13).  Später unter Ludwig XVI. kommt „eine gute Zeit,

         große königliche Güte“, doch „allzu“ große Güte, 10/43 (Kap.14), die Revolution holt

         den Mann aus seiner abgehobenen Welt am Hof und überfordert ihn, er kommt

         ums Leben.

         Der >Adler< Napoleon verjagt einige andere „Palastvögel“, aber „recht bald danach“

         ist „der Fürst vereitelt“, 2/23 (Kap.26).  Als Usurpator des Kaiserthrones, 10/46 (Kap.22),

         muss er scheitern.

         Unter König Viktor Emanuel III. von Italien steht das Land im ersten Weltkrieg auf der

         Siegerseite, „doch dann wird kommen ein grausamer Übeltäter“  -  die Berufung

         Mussolinis zum Regierungschef ist der Anfang vom Ende des Königreiches Italien,

         8/31 (Kap.37).

         Hitler wird „von unten nach oben emporgehoben geschwinde“, aber „binnen kurzem

         wird (man) ihn eine verkehrte Bestie nennen“ wegen seiner Verbrechen, 1/12 (Kap.37). 

         Wenn diese nach dem Krieg aufgedeckt werden, ist „das >goldene Zeitalter< tot,

         der neue König ein großer Skandal“, sagt Vers 9/17 (Kap.39) lapidar.

Kann z.B. in einem schwierigen Fall wie Vers 5/94 (Kap.38) gezeigt werden, dass

eine Deutung das prophetische Schema der von Gott gewirkten Gerechtigkeit erfüllt,

dann ist das ein unterstützendes Argument für diese Deutung  -  selbstverständlich

ohne sie allein begründen zu können.

 

 

         Exkurs (13) Zum räumlichen Geltungsbereich der Centurien

Diesen beschreibt N. selbst in VH (4) als „den größten Teil der Städte und Großstädte

ganz Europas, einschließlich jener Afrikas und eines Teils von Asien“.  Er meint damit

die Ausdehnung der antiken römischen Zivilisation, zu der noch die christlichen Gebiete

Mitteleuropas hinzukommen.  Die Ortsnamen in vielen Versen bestätigen als geographi-

schen Schwerpunkt der Centurien den Mittelmeerraum und damit Südeuropa, aber

auch West- und Mitteleuropa.

Am Beispiel des Verses 3/1 (Kap.38) ist aber nun ablesbar, dass dieser Schwerpunkt

nicht  e x k l u s i v  zu verstehen ist, sondern in Einzelfällen auch überschritten werden

kann.  Wenn sich außereuropäische Ereignisse maßgeblich auf Europa auswirken,

lässt N. es sich nicht nehmen, davon zu handeln, o b w o h l  sie außerhalb seines

geographischen Fokus liegen. Ohne den Kriegseintritt der USA hätte die Nachkriegs-

gestalt Europas anders ausgesehen und wäre seine Geschichte anders verlaufen. 

Japan bewirkt den Kriegseintritt der USA und beeinflusst so als weiterer Kriegsgegner

der Vereinigten Staaten von Amerika mittelbar auch den Krieg in Europa.  Es ist auch

kein Zufall, dass gerade ein Vers, der in den Jahren 1941 bis 1945 sich erfüllt, die

geographische Mitte der Centurien verlässt.   Denn nach dem ersten und mehr noch

infolge des zweiten Weltkriegs haben andere Mächte die bis dahin dominierende

Stellung Europas in der Welt übernommen.

Es gibt andere Beispiele.  Moskau und Stalingrad liegen in Europa, aber schon

außerhalb der geographischen Grenzen der antiken Zivilisation.  Moskau ist im Jahr

1812 Schauplatz eines Geschehens, das den Wendepunkt im Schicksal des französi-

schen Empire bringt, 2/99 (Kap.24).  Stalingrad ist im Jahr 1943 Schauplatz des

Wendepunktes im Schicksal >Großdeutschlands<, 5/81 (Kap.37).  Die Ereignisse

dieser Jahre prägen jeweils die spätere Geschichte Europas.  Nach dem zweiten

Weltkrieg werden „die beiden großen Meister“  - gemeint sind die Supermächte - 

„vom Joch des Krieges befreit“ sein, heißt es in 2/89 (Kap.40).

Dass in der Zukunft noch mehr Beispiele für die Überschreitung des Schwerpunktes

Europa zu finden sind, ist angesichts der Globalisierung der geschichtlichen Prozesse

nicht anders zu erwarten.  So handeln etwa die Verse 2/60 [IX], 3/60 [XII] und 3/03 [XII]

explizit von Vorgängen in Asien, nicht etwa nur Kleinasien.

 

 

         Exkurs (14) Anmerkungen zur Wiederkunft Christi

Christus ist im Ostererlebnis zu Menschen in der ihnen bekannten Gestalt gekommen,

so dass sie aus dem eigenen Erleben glauben konnten, dass er lebe.  Vor seinem

Tode hatte er ihnen aufgegeben, dass sie es  n i c h t  glauben sollten, wenn ihnen nur 

g e s a g t  würde, dass hier oder dort der Christus sei, mit der Begründung, dass

falsche Propheten und Messiasse auftreten würden, Matthäus Kapitel 24, Vers 23 bis 28.

Denn Christus kehrt nicht draußen wieder, als ein bestimmter Mensch von Fleisch und

Blut, sondern wird in allen Menschen wiedergeboren, die ihm nachfolgen, indem sie

seine Gebote halten.  Alle Menschen, die den Geist Christi bei sich aufnehmen, werden

wiedergeboren im Geist.  Und das ist keine Metapher, sondern geschieht wirklich.  Der

Geist Christi ist wirklich anwesend bei und unter denen, die ihm das möglich machen,

Matthäus Kapitel 18 Vers 20, Kapitel 28 Vers 20.

Der >Zwillingsbruder< aber versteht die in der Bibel angekündigte Wiederkunft Christi

nicht in diesem geistigen Sinne, sondern beansprucht sie exklusiv für sich. Er tritt

denen nicht entgegen, die ihn für den wiedergekommenen Christus halten. Darin steckt,

seitens der Verehrer wie des Verehrten, die Leugnung der Gnaden, die Christus durch

seinen Kreuzestod erwirkt hat, besonders der Ausgießung des Geistes, der räumlich

und zeitlich nicht begrenzt ist und a l l e Menschen erfüllen will.

Christus hat sich nicht als heilig ausgeben lassen, obwohl er es spätestens am Kreuz

war.  Doch der vermeintliche Wiedergänger wird den Heiligen >geben<, 8/41 [III],

und sich die öffentliche Verehrung der Menschen gefallen lassen, 10/71 [VIII].

An der Kennzeichnung Jesu Christi als >zu früh geboren und gestorben<, die im

lateinischen Begriff des vopiscus, 1/95 [III], steckt, lässt sich die zur Zeit des ver-

meintlichen >Zwillingsbruders< Christi verbreitete Ansicht ablesen, der angeblich

zu früh Gekommene sei nicht mehr am Leben.  Das ist mit dem christlichen Glauben

an die Auferstehung Christi nicht vereinbar. 

Die Menschen im irdischen Leben können wiedergeboren werden  a u s  d e m 

G e i s t  C h r i s ti.  Das Wort von der Wiederkunft führt in die Irre, wenn man meint,

es müsse sich vollziehen auf die gleiche Weise wie damals, in der Gestalt eines

bestimmten einzelnen Menschen von Fleisch und Blut.  Der wiedergekommene Christus

ist der gegenwärtige Christus, gegenwärtig, wo und wann immer seinen Gegenwart

erwünscht ist..  Allerdings ist die Wiedergeburt aus dem Geist Christi Sache des

Herzens und bleibt der bloßen, auf sich allein gestellten Vernunft eine unverständliche

Formel.  „Das Herz hat seine Gründe, die die Vernunft nicht kennt“ (Pascal).

 

 

Exkurs (15) Wird hier erneut eine jüdische Weltverschwörung behauptet?

"Eine der furchtbarsten und folgenreichsten Verschwörungstheorien der Geschichte

ist die Behauptung, es gebe eine jüdische Geheimorganisation, die nach der Weltherr-

schaft strebt. Wann immer einflussreiche Politiker oder Geschäftsleute einen jüdischen

oder jüdisch klingenden Namen tragen, betrachten die Anhänger dieser Verschwörungs-

theorie dies als Beleg dafür, dass die sogenannten Protokolle der Weisen von Zion die

Realität wiedergeben. Das Anfang des 20. Jahrhunderts zum ersten Mal veröffentlichte

Dokument enthält Protokolle angeblicher Treffen von zwölf jüdischen Führern, die darüber

diskutieren, wie man Regierungen übernehmen und schließlich an die Weltherrschaft

kommen könnte." (Süddeutsche Zeitung vom 26.8.2011).

Diese gefälschten, aus verschiedenen trüben Quellen gespeisten >Protokolle< hatten

eine klar antijüdische Tendenz und dienten später u.a. den deutschen Nationalsozialisten

und dienen noch heute z.B. der palästinensischen Hamas dazu, die Judenfeindlichkeit

ihrer Politik zu begründen.

Die Centurien des Nostradamus werden hier so gedeutet, dass in nicht mehr ferner

Zukunft ein Mann, der dem jüdischen Volk entstammt, sich in mehreren Etappen bis

zur Weltherrschaft [Vorschau VIII] aufschwingen und von dieser Position aus u.a.

dafür sorgen werde, dass seinem Volk "Gunst gewährt" wird, 6/18 [III]. Ein flüchtiger

Leser kann daher auf die Idee kommen, dass hier anscheinend die Theorie oder

besser Paranoia von einer jüdischen Weltverschwörung unseligen Angedenkens

erneut aufgewärmt werden soll. Aber in Wahrheit trifft das nicht zu, weil N. gesehen

hat, dass die ungewöhnliche Karriere des späteren Weltherrschers in aller Öffentlich-

keit stattfindet, weshalb auch der Kommentator keinen Anlass sieht, das Geschehen

im Sinne einer weltweiten Verschwörung zu deuten.

Der spätere Weltherrscher fängt klein an, als höchst begabter Prediger und Diplomat,

der sein Volk, das jüdische Volk des Staates Israel, 7/32 [III], das in schwerste

Bedrängnis geraten ist, vor dem vollständigen Untergang bewahrt und seine Lebens-

bedingungen verbessert, 2/07 [III]. Viele religiöse Juden, deren Zahl sich in existen-

zieller Not vermehrt hat, halten den Mann daher für den ihnen in biblischer Zeit einst

versprochenen Messias, 6/18 [III], zumal er auch außerordentliche Zeichen zu wirken

imstande ist, 4/24 [III]. Schon diese räumlich noch sehr begrenzten Vorgänge im

Mittelmeerraum finden nun aber nicht heimlich statt, sondern öffentlich, bei Nostrada-

mus z.B. an Vers 6/58 [VI] ablesbar, der die Empörung zweier weit entfernter Gross-

mächte über die schreckliche Lage der israelischen Juden in der gemeinten Zeit an-

spricht. Dass diese öffentlichen Vorgänge von irgendwelchen Geheimgesellschaften,

Logen oder Sekten ins Werk gesetzt werden, ist bei N. dagegen nirgends zu erkennen.

Und dass der Mann, der in die Identität des Messias der Juden hineinschlüpft, nur

Jude sein kann, ergibt sich daraus, dass ein gottgesandter Messias nicht irgendeinem

Volk, sondern dem Volk der Juden einst von seinen Propheten versprochen wurde.

Er lässt es zu, dass die alte Verheißung auf ihn bezogen wird und zündet so die erste

Stufe einer >Trägerrakete<, die ihn schließlich bis in die Umlaufbahn des Weltherr-

schers emporträgt [Vorschau VIII].

Wie die zweite Stufe dieser raketenhaften Karriere ihren Schub entfaltet, wird in

den Kapiteln [III] und [IV] deutlich. Der Gemeinte versteht es, die Spitze der katho-

lischen Kirche davon zu überzeugen, dass sich durch die Ankunft seiner Person die

Verheißung von der Wiederkunft Christi auf Erden nunmehr erfülle. Noch mehr als

die Hilfe, die er seinem eigenen, dem jüdischen Volk leisten kann, wird seine Aner-

kennung als >wiedergekommener Heiland< in aller Öffentlichkeit gefeiert, wofür das

Kapitel [IV] mehrere Belege bietet. In Vers 10/52 [IV] findet sich die einzige Stelle,

die als Hinweis auf eine Verschwörung gedeutet werden könnte: Die Bindung der

katholischen Kirche an den vermeintlich >Wiedergekommenen< sei "von langer

Hand vorbereitet". Doch damit ist nur die 2000 Jahre alte Ankündigung der Wieder-

kunft Christi gemeint, aber keine Steuerung der Vorgänge aus dem Hintergrund mit

irgendwelchen geheimen Machtmitteln. Es sind die mangelnde Urteilsfähigkeit und

Wahrheitsliebe in Sachen Religion sowie auch Ehrgeiz, Wunschdenken und Aben-

teuerlust mancher Kleriker, die daraus entstehende leichtsinnige Gläubigkeit und

schließlich Verblendung vieler Menschen, die die Vorgänge ermöglicht. Sie mag

massenpsychologisch ansteckend sein, wird aber nicht von außen gesteuert.

Das Bild der Trägerrakete für die Antriebskräfte der Karriere des vermeintlich

>Wiedergekommenen< macht auch deutlich, dass mit dem Ausbrennen der

Stufen diese dann irgendwann nicht mehr gebraucht werden; sie verglühen im

Raum, weil der Karrierist nicht mehr auf sie angewiesen ist. Im Klartext wird dann

"verjagt, wer ihm taugte", 4/21 [VII], seine Karriere überhaupt erst zu ermöglichen.

 

Exkurs (16) Braucht Gott Blutzeugen?

In den Kapiteln [XI] und [XII] der Vorschau scheint es, dass es kurz vor dem Ende

der alten Erde weltweit noch einmal religiös bedingte Verfolgungen geben werde.

Wenn das so kommt, kann sich für alle, die ihrem Gott treu bleiben wollen, dann die

Frage stellen, ob es von Gott her vorgesehen oder gar erwünscht ist, wegen des reli-

giösen Bekenntnisses bis in den Tod zu gehen. In dieser heiklen und schwerwiegenden

Frage hätte man gern von Gott selbst eine Auskunft. Daher werden hier hauptsächlich

Texte aus den Evangelien sowie aus der Neuoffenbarung in den Schriften des Jakob

Lorber gebracht - Texte, die dem Kommentator als von Gott inspiriert gelten.

"Seht, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe; seid daher klug wie die

Schlangen und arglos wie die Tauben", Matthäus Kapitel 10 Vers 16 [Einheitsüber-

setzung]. Demnach soll niemand wegen seines Glaubens sein Leben riskieren

oder die Blutzeugenschaft anstreben, sich gar danach drängen.

Aber es heißt auch: "Wer sich nun vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde

auch ich mich vor dem Vater im Himmel bekennen. Wer mich aber vor den Menschen

verleugnet, den werde auch ich vor meinem Vater im Himmel verleugnen. - Denkt nicht,

ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, um

Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen, um den Sohn mit

seinem Vater zu entzweien und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit

ihrer Schwiegermutter, und die Hausgenossen eines Menschen werden seine Feinde

sein. - Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig, und wer

Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig. Und wer nicht sein Kreuz

auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht würdig. Wer das Leben gewinnen will,

wird es verlieren; wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen",

Matthäus Kapitel 10 Vers 32 bis 39 [Einheitsübersetzung]. Das Erdenleben zu erhalten,

soll demnach nicht das oberste Ziel sein, die Unversehrtheit der Seele ist wichtiger.

Um diese zu erhalten, darf man Gott und Christus nicht verleugnen, wenn das etwa

verlangt würde - auch dann nicht, wenn das Nachteile bis hin zum Verlust des Lebens

mit sich brächte. Es scheint, dass Gott das Martyrium nicht ganz ausschließt.

"Der Täter wird immer erst vollständig durch sein Opfer. Also ist das Opfer ein Teil des

Bösen." (W. Döbereiner, Der Zorn des Poseidon, München 1996, S. 272). Das Opfer,

das man wird (franz. victime, engl. victim), ist Teil des Bösen, aber nicht das Opfer, das

man bringt (franz. und engl. sacrifice). Die deutsche Sprache ist hier in seltsamer Weise

geizig, indem sie für zwei sehr verschiedene Dinge ein und dasselbe Wort bereithält.

Vielleicht hat das damit zu tun, dass beim Einbruch des Heils in die Weltgeschichte, auf

Golgatha, beides, das Opferwerden und das freiwillige Opferbringen, in Christus in eins

fällt. Wird der Erdenleib eines Menschen, der Christus nachfolgt, zum Opfer, ist er Teil

des Bösen, weil sein Opferwerden anzeigt, dass sein Träger sich eben n i c h t nach

dem Wort des Evangeliums "klug wie die Schlangen und sanft wie die Tauben" verhalten,

sondern sich auf einen Kampf mit seinen Feinden eingelassen hat. Dennoch gehört ein

freiwillig und uneigennützig erbrachtes Opfer immer zu seinen für die Ewigkeit erworbe-

nen Gütern.

"Alles das, was Ich jetzt eben zu euch rede, ist auch von dieser Art, daß es euch in

jeder Lage eures Lebens den wahren, inneren Herzensfrieden geben muß, wenn ihr

eben dieses Gesagte auch nur einigermaßen werktätig beachtet.

Die Welt möchte euch bedrängen von allen Seiten; aber sie kann es nicht, weil sie von

Mir überwunden ist. So ihr aber durch eure Liebe Mich in euch habet, so habet ihr ja

auch den ewigen Überwinder der Welt in euch. Die Welt aber hat Meine Macht erfahren;

daher darf und kann sie dem kein Haar krümmen, der wahrhaftig Meinen Frieden in

seinem Herzen birgt.

Sobald aber jemand sich aus diesem Frieden erheben will und wirft selbst der Welt den

Handschuh zum Kampf hin, der hat sich 's dann nur selbst zuzuschreiben, wenn er

gefangengenommen und mißhandelt wird. Wer aber wahrhaftig bleibet in Meinem Frieden,

der ist geborgen für die Ewigkeit, und kein weltlicher Hauch wird ihm je ein Haar krümmen.

Es wird hier freilich mancher sagen: >O Herr!, Siehe die Apostel und Deine Jünger und

so viele der ersten Christen und auch in der späteren Zeit eifrige Streiter um das reine

Evangelium sind zu Märtyrern geworden, und die Welt hat sich schändlichst grauenhaft

an diesen von Deinem Frieden Erfüllten gerächt. Warum, o Herr, hat sie Dein Friede

nicht geschützt vor den Krallen der Welt? Denn Du hast doch selbst geredet vor Deinem

Leiden, daß der Fürst der Welt gerichtet ist. Wie mochte dann der Gerichtete wohl Gewalt

haben, die Welt gegen Deine Friedensträger also grauenhaft zu entrüsten?<

Diese Frage ist eitel genug, und wer nur einigermaßen in der Geschichte bewandert ist,

der wird es klar finden, daß alle die Märtyrer von den Aposteln angefangen bis in die

späteren Zeiten abwärts nicht durch irgendeinen Zwang oder durch irgendeine Bestimmung

von Mir, sondern freiwillig nur aus einem Liebeheroismus in den Martertod darum gegangen

sind, weil Ich, ihr Meister, Selbst gekreuzigt ward.

Ich sage euch: Ein jeder Märtyrer hätte auch, ohne ein Märtyrer zu werden, Mein Evangelium

ausbreiten können. Aber die Ausbreiter kannten Mich, hatten das ewige Leben vor Augen,

und so hatten sie dann auch keine große Lust, lange in der Welt umherzugehen, sondern

konnten den Zeitpunkt kaum erwarten, in dem ihnen ihr Fleisch abgenommen würde, auf daß

sie dahin gelangen möchten, wohin ich vorangegangen bin.

Johannes aber hatte die größte Liebe zu Mir; darum scheute er die Verfolgungen der Welt

nicht und wollte sie lieber bis auf den letzten Tropfen verzehren, als daß er Mir von seiner

bestimmten irdischen Lebenszeit etwas gewisserart abgebettelt hätte. Er war somit in

Meiner Ordnung vollkommen zufrieden, während viele andere Bettler waren und sich lieber

die schmählichsten Leibesmartern wollten gefallen lassen, als noch einige Jahre länger zu

wirken für Mein Reich.

Da aber bei Mir ein jeder das haben kann, worum er ernstlich und vollgläubig bittet, so

konnte Ich ja doch auch nicht bei diesen ersten Zeugen Mein Wort zurücknehmen, das da

spricht: >Um was immer ihr Mich bitten werdet, das werde Ich euch geben!<

Aus dieser Beleuchtung geht nun klar hervor, daß Mein Wort der Blutzeugen nicht bedurfte;

denn Ich habe ja den Einen ewig gültigen Zeugen, Meinen Heiligen Geist Selbst allen denen

verheißen, die Meine Lehre annehmen und nach derselben leben werden. Und dieser Zeuge

ist der bleibende, während das Blut der ersten Märtyrer schon lange für alle späteren Zeiten

sogar geschichtlich spurlos geworden ist.

Wenn aber diese Geist ein ewiger Zeuge ist, wozu sollte Ich dann die Blutzeugenschaft

Meiner Nachfolger verlangen? Wer selbst ein Blutzeuge werden will, der soll es auch werden;

aber es glaube ja niemand, daß er Mir dadurch einen Dienst erweist, sondern ein jeder, der

das tut, der tut es zum eigenen, aber nicht zu Meinem Vorteile!"

(aus: Jakob Lorber, Schrifttexterklärungen, 35. Kapitel, Abschnitte (3) bis (12))