Übersicht
Abschnitt (33) Konstellation für 1606
Abschnitt (34) Beginn der Verfolgung der Kirche - bis 1792
Abschnitt (35) Römisches Volk im Abglanz früheren Glanzes - >Venedig< erhebt seine Flügel
Abschnitt (36) Triumphbögen versunken - nur noch Haus, was früher Stadt war
Abschnitt (37) Verführung der Herrscher durch Sprachen - Antechrist verfolgt den wahren Vikar
Abschnitt (38) Dauer der Herrschaft des Antechristen (I)
Abschnitt (39) Erinnerung erleidet Verlust, auch die Schriften selbst - Ende der alten Erde
Abschnitt (40) Nah beim siebten Jahrtausend
Abschnitt (41) Verfolgung der Kirchenvölker durch aquilonische Könige
im Verein mit orientalischen Herrschern
Abschnitt (42) Militante Kirche verfolgt das Volk Gottes
Abschnitt (43) >Hungersnot und Seuche< - Verbot der Bibel
Abschnitt (44) Dauer der Herrschaft des Antechristen (II)
Abschnitt (45) Neues Goldenes Zeitalter
Abschnitt (46) Abschließende Widmung - 27.6.1558
VH (33) = Vorrede an König Heinrich II. von Frankreich, Abschnitt (33)
Text & apres quelque temps & dans iceluy comprenant depuis le temps que Saturne
qui tournera entrer à sept du moys d’ auril jusques au 25. d’ Aoust Iupitre à 14. de Iuin
jusques au 7. d’ Octobre, Mars depuis le 17. d’ Auril jusques au 22. de Iuin, Venus
depuis le 9. d’ Auril, iusques au 22. de May, Mercure depuis le 3. de Feurier, jusques
au 24. dudit. En aprés du premier de Iuin jusques au 24. dudit & du 25. de Septembre
jusques au 16. d‘ Octobre, Saurne en Capricorne, Iupiter en Aquarius, Mars en Scorpio
Venus en Pisces, Mercure dans vn moys en Capricorne, Aquarius & Pisces, la lune
en Aquarius, la teste du dragon en Libra: Ia queue a son single opposite suyvant vne
conionction de Iupiter à Mercure, auec vn quadrin aspect de Mars à Mercure, & la teste
du dragon sera auec vne conionction du Soleil à Iupiter,
Und nach einiger Zeit und in derselben enthalten ist die Zeit, von der an Saturn wenden
und eintreten wird vom Siebten des Monats April bis zum 25. August, Jupiter vom 14. Juni
bis 7. Oktober, Mars vom 17. April bis zum 22. Juni, Venus vom 9. April an bis zum 22. Mai,
Merkur vom 3. Februar an bis zum 24. desselben, darauf folgend vom 1. Juni an bis zum 24.
desselben, und vom 25. September an bis zum 16. Oktober. Saturn im Steinbock, Jupiter
im Wassermann, Mars im Skorpion, Venus in den Fischen, Merkur in einem Monat im
Steinbock, im Wassermann und in den Fischen, der Mond im Wassermann, der Kopf des
Drachens in der Waage, der Schwanz im gegenüberliegenden Zeichen. Es folgt eine
Konjunktion von Jupiter mit Merkur, mit einem Quadrataspekt des Mars zum Merkur,
und der Drachenkopf wird sein mit einer Konjunktion der Sonne mit Jupiter.
Anmerkung Zuletzt war N. in der „Zeit des Auseinanderstrebens der Bekenntnisse“, der Zeit
der Glaubensspaltung im 16. Jahrhundert, seiner Gegenwart also angelangt, und von da aus
blickt er nun wieder in die Zukunft. Saturn werde vom 7.4. bis 25.8. rückläufig sein; er war
es vom 17.4.1606 bis 4.9.1606. Jupiter werde vom 14.6. bis 7.10. rückläufig sein; er war es
vom 22.6.1606 bis 19.10.1606. Mars werde vom 17.4. bis 22.6. rückläufig sein; er war es
vom 21.04.1606 bis 2.7.1606. Venus werde vom 9.4. bis 22.5. rückläufig sein; sie war es
vom 20.04.1606 bis 1.6.1606. Merkur erlassen wir uns. Die Wendung tourner entrer wird
mit „wenden und eintreten“ wiedergegeben; für ihre Deutung im Sinne der Rückläufigkeit
spricht, dass die Zeitabgaben so und nur so passen. Die geringfügigen Differenzen sind
hauptsächlich auf die Kalenderreform durch Papst Gregor XIII. im Jahr 1582 zurückzuführen;
es wurden damals 10 Tage übersprungen, die man zu Datumsangaben aus der Zeit vor der
Reform hinzurechnen muss. Man mag einwenden, dass N. als Seher doch auch die Kalender-
reform vorausgesehen haben müsse; aber der Nichtseher sollte sich nicht einbilden, dem
Seher vorschreiben zu wollen, was der sehen müsse.
Festzuhalten ist, dass die Angaben, zusammen genommen, eindeutig dem Jahr 1606 und
keinem anderen Jahr zwischen 1558, dem Jahr der Veröffentlichung der Vorrede, und dem
Jahr 2050, 3/94 [XV], zuzuordnen sind. Die Angaben zu den Planeten in den Zeichen deuten
auf den A n f a n g des Jahres 1606.
Mit der umständlichen Art, ein bestimmtes Jahr zu benennen, will N. vielleicht seine Fertigkeit
zu astronomischer Berechnung und Zeitbestimmung unter Beweis stellen. Zur Frage, warum
er dieses Jahr hervorhebt, s. VH (34).
VH (34) = Vorrede an Heinrich II., Abschnitt (34)
Text l‘ année sera pacifique sans eclipse, & non du tout, & sera le commencement comprenant
ce de ce que durera & commencant icelle annee sera faicte plus grande persecution à
l’ Eglise Chrestienne qui n a esté faicte en Affrique, & durera ceste icy iusques à l’ an
mil sept cens nonâte deux que l’ on cuydera estre vne renouation de siecle:
Das Jahr wird friedlich sein ohne Sonnenfinsternis [1], und nichts von allem.
Doch es wird der Anfang sein, der etwas enthält, was dauern wird. Und beginnend
in demselben Jahr wird eine gewaltige Verfolgung der christlichen Kirche stattfinden [2],
wie es sie nicht einmal in Afrika gegeben hat. Und dauern wird dieselbe bis zum
Jahr 1792, wenn man glauben wird, es gebe eine Erneuerung des Zeitalters [3].
Anmerkung 1 [Ohne Sonnenfinsternis] Es wird angegeben, dass das gemeinte Jahr nicht
durch markant in Erscheinung tretende äußere Ereignisse in die Geschichtsbücher eingehen,
es insbesondere keine Sonnenfinsternis geben werde. Daher muss der Gedanke verworfen
werden, es könne hier das Jahr 1606 der sogenannten „liturgischen Zeitrechnung“ gemeint
sein, 6/54 [VI], das irgendwann um die Wende vom zweiten und dritten nachchristlichen
Jahrtausend liegt, wenn auch außerordentliche Verfinsterungen zu gewärtigen sind, VH (18).
Demnach geht es hier um das Jahr 1606 der christlichen Zeitrechnung.
Anmerkung 2 [Verfolgung der Kirche] Nicht 1606, aber im Mai 1605 wird mit Paul V. ein
Papst gewählt, über den Leopold von Ranke schreibt:
„Indem ein Papst auftrat, welcher die streitigen Ansprüche seiner Gewalt mit rücksichts-
losem Eifer überspannte, geriet die venezianische Regierung in die Hände von Männern,
welche die Opposition gegen die römische Herrschaft zu ihrer persönlichen Gesinnung
ausgebildet (hatten) …“.
Im Januar 1606 wird Leonardo Donato, einer der antirömisch Gesinnten in Venedig, zum
Dogen gewählt. Der venezianische Widerstand gegen die Eingriffe des römischen Hofes führt
zur Ablehnung eines päpstlichen Auslieferungsbegehrens. Im April 1606 verhängt Paul V.
daraufhin die Exkommunikation, das sogenannte Staatsinterdikt über Venedig; doch es bleibt
wirkungslos und wird schließlich zurückgezogen.
In der damals noch mächtigen Republik Venedig können gegen die Ansprüche der kirchlichen
Zentralgewalt staatliche Gesetze erhalten werden, welche die kirchlichen Belange der weltlichen
Politik prinzipiell unterordnen - darin erkennt N. den B e g i n n einer >Verfolgung der Kirche<.
Zu voller Entfaltung gelangt diese Auffassung des Verhältnisses von Staat und Kirche dann im
Frankreich der Revolution, das die Kirche verstaatlicht und den Priestern den Eid auf die repu-
blikanische Verfassung abverlangt. In den beiden Jahrhunderten zwischen diesen Ereignissen,
dem 17. und 18. Jahrhundert, entfaltet sich, von Britannien ausgehend, aufklärerisches Denken
in Europa, das die absolute Königsherrschaft, ihre Legitimation durch den Glauben sowie die
Macht der Kirche zunehmend in Frage stellt.
Anmerkung 3 [Das Jahr 1792] Zur Zeit der französischen Revolution werden „die festen
Fundamente der nach ursprünglicher römischer Art geweihten Kirchen“ als Grundlage der
Gesellschaftsordnung verworfen, 2/8 (Kap.15); man will von der geistigen Grundlage des
Königtums nichts mehr wissen. Auf dem Höhepunkt des revolutionären Elans wird der
christliche Glaube schlicht für überholt und abgetan erklärt. An seine Stelle soll ein Kult
der Vernunft treten, den Robespierre am 8. Juni 1794 tatsächlich einmal zelebriert.
Dem revolutionären Denken entspringt der Wunsch, das Ende der christlich geprägten
Ära kenntlich zu machen, indem man eine neue Zeitrechnung einführt. Man werde 1792
„glauben, es gebe eine Erneuerung des Zeitalters“, sagt N.
In der Tat tritt am 22.9.1792 in Frankreich ein neuer republikanischer Kalender in Kraft.
Die christliche Epoche soll durch die „Ära der Franzosen“ abgelöst werden. Man beginnt
mit dem „Jahr 1 der Republik“, die Monate erhalten neue, jahreszeitlichen Erscheinungen
der Natur entlehnte Namen, werden anders eingeteilt als früher und sind alle genau dreißig
Tage lang, weil man die Ungleichheit nicht mag. Zwölf Jahre hindurch kann sich dieser
Kalender immerhin halten.
VH (35) = Vorrede an Heinrich II., Abschnitt (35)
Text apres commencera le peuple Romain de se redresser & deschasser quelques obscures
tenebres, receuant quelque peu de leur pristine clarté, nô sans grande diuision & continuelz
changemens. Venise en apres en grande force, & puissance leuera ses aysles si treshault
ne distant gueres aux forces de l’ antique Rome.
Danach wird das römische Volk beginnen, sich wieder aufzurichten und einige
finstere Schatten zu vertreiben, und es wird wieder ein wenig von seinem einstigen
Glanz empfangen [1], nicht ohne große Uneinigkeit und ständigen Wandel.
Venedig wird darauf mit großer Stärke und Macht seine Flügel sehr hoch erheben,
die sich von der Macht des antiken Rom kaum unterscheiden [2].
Anmerkung 1 [Römisches Volk im Abglanz früheren Glanzes] „Danach“, nach 1792 also,
werde „das römische Volk“ sich wieder aufrichten und „ein wenig von seinem einstigen Glanz
empfangen“. Durch das napoleonische Frankreich zunächst noch gebeutelt, 2/94 (Kap.23),
erreicht Italien unter jahrzehntelangen inneren Auseinandersetzungen und Kämpfen mit
äußeren Gegnern im 19. Jahrhundert das risorgimento, seine >Wiedergeburt< als Nation;
seit 1861 gibt es einen König von Italien (Kap.29). Der „einstige Glanz“ des römischen
Volkes hebt ab auf Macht und Ruhm des antiken römischen Imperiums. Aber es ist nur ein
Abglanz der antiken Herrlichkeit, der auf das Italien des 19. Jahrhunderts mit seiner mühsam
errungenen Einheit fällt.
Anmerkung 2 [>Venedig< erhebt seine Flügel] Das Ende der Republik Venedig im Jahr 1797
hat N. gesehen und schildert es als ein klägliches Verlöschen, 4/1 (Kap.20). Wenn also nach
1792 „Venedig mit großer Stärke und Macht seine Flügel erheben“ werde, kann das nicht
wörtlich gemeint sein. Eine >Verfolgung der Kirche< hat N. es genannt, dass die kirchliche
Zentralgewalt des Papstes ihren Einfluss auf die innerstaatliche Gesetzgebung in kirchlichen
Belangen verlieren würde; das kann die Republik Venedig in den Jahren 1606ff für sich
durchsetzen, VH (34). >Venedig< ist hier eine Chiffre für Staaten, die den Bereich von Religion
und Kirche nach eigenem Gutdünken ordnen. Das >Erheben der Flügel< ist ein Bild für das
Freiheitsstreben des säkularen (= sich rein weltlich begründenden) Staates, der sich für seine
Legitimation nicht mehr auf die alte Religion beruft. >Venedig< wird zu einem anderen Namen
für den säkularen Staat, der sich von der Religion befreit hat. Die Idee der französischen
Revolution, dass der Staat seine Legitimation nicht mehr aus dem alten Glauben schöpfen solle,
hat sich anschließend in Europa durchgesetzt und sich damit als „stark und mächtig“ erwiesen.
VH (36) = Vorrede an Heinrich II., Abschnitt (36)
Text & en iceluy temps grandes voyles Bisantines associees aux Ligustiques par l‘ appuy
& puissance Aquilonaire donnera quelque empeschement que des deux Cretenses
ne leur sera la Foy tenue. Les arcz edifiez oar les antiues Marciaux, s’ accompagnerôt
aux vndes de Neptune, en l’ Adriatique sera faicte discorde grande, ce que sera vny
sera separé approchera de maison ce que parauant estoit & est grande cité, comprenât
le Pempotam la mespopotamie de l’ Europe à quarante cinq, & autres de quarante vng,
quarantedeux & trentesept.
Und in jener Zeit [1] werden große byzantinische Flotten, verbündet mit den
ligurischen, mit aquilonischer Hilfe und Macht [2] ein gewisses Hindernis errichten,
damit den beiden Kretern [2] nicht die Treue gehalten werde. Die von den antiken
Kriegern errichteten Bögen werden sich den Wogen Neptuns anschließen [3].
Im adriatischen Meer wird es eine große Auseinandersetzung geben. Was geeint sein
wird, wird wieder getrennt werden. Es wird fast nur noch Haus sein, was früher eine
große Stadt war und noch heute ist, eingeschlossen der Pempotam [2],
das Mesopotamien Europas [2] am 45. und andere (Gegenden) am 41., 42. und 37.
(Breitengrad).
Anmerkung 1 [Jene Zeit] Wegen der voraufgehenden Schilderung unter (35) müssten hier
Zeiten nach der französischen Revolution gemeint sein, in denen sich die Idee des säkularen
Staates durchgesetzt hat. Da die Zuordnung zu historischen Kriegen, dem Krimkrieg 1853ff,
dem ersten und zweiten Weltkrieg scheitert, dürften zukünftige Ereignisse gemeint sein.
Anmerkung 2 [Orte, Namen, Begriffe] Kandidaten für das „Mesopotamien Europas“ sind die
Gebiete um Unterlauf und Mündung der Rhône, des Po und der Donau, die allesamt auf der
Höhe des 45. Breitengrades liegen. Dass zuvor von der Adria die Rede ist, spricht für den
Po und die oberitalienische Ebene.
"Pempotam“ heißt in 10/100 (Kap.40) das Großbritannien der Kolonialzeit, das mehrere Jahr-
hunderte lang Weltmacht ist. Die Chiffre bezeichnet ein Land, das Ströme von Menschen
aussendet und in der Welt triumphiert, s. Glossar. Hier geht es um die Zeit nach dem Ende
der Kolonialreiche. Es könnten die USA gemeint sein, die als Kolonie Großbritanniens an-
fingen und im 20. Jahrhundert in mancher Hinsicht dessen dominierende Rolle übernommen
haben.
Nach Kreta wird Europa vom stiergestaltigen Zeus entführt und hat dort mit ihm Kinder.
Die „beiden Kreter“ sind demnach >Söhne Europas aus ihrer Ehe mit Zeus<, d.h. Europäer
in einer Zeit, da >Zeus< über Europa herrscht. Der Staat des Zeus alias Jupiter wird die
„ganze Welt“ umfassen, 1/4 [VIII], wenn er an der Spitze der >Weltfriedensordnung< steht.
Da die gemeinten „Kreter“ hier offenbar Gegner von -> Aquilon, d.h. des völkerübergrei-
fenden Imperiums der >Weltfriedensordnung< sind, stellen sich in dem Bild die Söhne
gegen den Vater.
Anmerkung 3 [Die von antiken Kriegern errichteten Bögen in den Wogen Neptuns] „Bögen“,
nämlich Triumphbögen werden nach erfolgreichem Feldzug in der römischen Antike für den
siegreichen Feldherrn errichtet. Wenn die „von antiken Kriegern errichteten Bögen gemeinsam“
in der Versenkung verschwinden, ist das ein blumiger Hinweis auf ein allgemeines Verbot des
Krieges und von Kriegswaffen. Auf ein solches Verbot kann auch aus 3/36 [VII] und aus
6/94 [VII] geschlossen werden. Die Zeit vor der >Weltfriedensordnung< wird zur >Antike<,
über die man sich erheben will, 10/73 [VIII]. Es ist in diesem Zusammenhang wahrscheinlich,
dass der globale Staat Kriegswaffen und ihren Einsatz monopolisieren wird. Eben darin könnte
das „gewisse Hindernis“ für die beiden „Kreter“ bestehen; sie haben Probleme, an die Waffen
heranzukommen, die sie brauchen, um gegen „Aquilon“, d.h. den globalen Staat kämpfen zu
können. Durch diesen Kampf wird schließlich die Einheit des globalen Staates in Frage gestellt
und zwangsweise „Geeintes wieder getrennt“. Die USA (Pempotam) unterstützen am Ende,
wenn Europa schon zerstört und entvölkert ist, die aufständischen Europäer (Kreter), VH (13).
VH (37) = Vorrede an Heinrich II. Abschnitt 37
Text & dans iceluy temps & en icelles contrees la puissance infernalle mettra à l’ encontre de
l’ Eglise de Iesus Christ la puissance des aduersaires de sa loy, qui sera le second Antechrist,
lequel persecutera icelle Eglise & son vray vicaire par moyen des Roys temporels, qui seront
par leur ignorance seduitz par langues, qui trencheront plus que nul glaiue entre les mains
de l’ insensé:
Und in jener Zeit und in jenen Gegenden wird die höllische Macht gegen die Kirche Jesu
Christi die Macht der Widersacher seines Gesetzes einsetzen. Es wird der zweite Antechrist
sein, der jene Kirche und ihren wahren Vikar verfolgen wird mittels der Macht der welt-
lichen Könige [3]. Diese werden wegen ihres Unwissens [2] verführt sein durch Sprachen,
welche mehr zerschneiden als jedes Schwert in den Händen eines Irrsinnigen [1].
Anmerkung 1 [Verführung der Herrscher durch Sprachen …] Die weltlichen Herrscher werden
>durch Sprachen verführt<, nämlich durch die Ideen und die Philosophie des >neuen Weisen<,
4/31 [III]. Er wird den Frieden in einer großen vollkommenen Weltordnung den Menschen vor
Augen stellen, an dem alle Völker und Glaubensgemeinschaften teilhaben können, 4/32 [VII].
Seine Ideen verdichten sich dann später schlagartig zu einer Einheitsreligion, VH (29), die
die alten Religionen als unvollkommene Vorläufer auffasst, 9/12 9/12 [X], und diese Ein-
schätzung allgemein verbindlich macht.
Anmerkung 2 [… wegen ihres Unwissens] Die Verführung der Herrscher setzt ihre Verführ-
barkeit voraus. Deren Grund ist aber nicht das Unwissen, wie N. meint, sondern es sind
mangelndes Interesse an der Wahrheit und der Wunsch zu verdrängen, was man nicht wissen
will. Wer sich nicht die Mühe macht, durch Beobachtung und Nachdenken zu eigenen Urteilen
zu kommen und die falschen Propheten an ihren Früchten zu erkennen, Matthäus Kapitel 7
Vers 15 bis 20, kann sich nicht auf Unwissen berufen, sondern ist dann eben anfällig dafür,
angelogen zu werden. Eine der Lügen wird sein, dass es eine >neue Religion< gebe.
Eine Religion wird von Gott gestiftet. Der >neue Heilige<, wird aus dem Fundus des
Vorhandenen mit philosophischem Bombast etwas >Neues< zusammensetzen.
Umgekehrt hilft das Wissen im Sinne der übertragenen Information, z.B. durch diese Zeilen,
allein nicht gegen das Verführtwerden; denn es kann unterdrückt oder verdrängt werden,
wo es ein Keim auf unfruchtbarem Boden bleibt.
Anmerkung 3 [Zweiter Antechrist] N. zählt d r e i Herrscher, die es nacheinander auf die
Weltherrschaft abgesehen haben, 9/5 [VIII], nämlich Napoleon, Hitler und den angeblich
>wiedergekommenen Christus<, der später zum Weltherrscher wird, 1/95 [III]. Dieser wird
hier „Antechrist“ genannt, s.a. das Glossar unter -> Antechrist.
Als „zweiter“ erscheint er nach Napoleon, dessen Gegnerschaft gegen die Kirche deutlicher
hervortrat als die Hitlers, was N. auch in 9/5 [VIII] so beurteilt. Er selbst wird als >Mann des
Friedens und der Religion< über keine Truppen verfügen. Aber er wird die oberste spirituelle
Autorität der globalen >Friedensordnung< sein, und die Lenker der Völker (die „weltlichen
Herrscher“) werden Gesetzen, die in seinem Namen ergehen, Geltung verschaffen müssen.
Sie setzen das Verbot der christlichen Religion, VH (26), durch und verfolgen die Kirchen
und die Gläubigen, soweit diese sich nicht unterwerfen.
Der „wahre Vikar“ dürfte identisch sein mit dem „Königlichen“, den N. an anderer Stelle den
„großen Stellvertreter Christi und seiner Kirche“ nennt; damit ist aber >nur< ein weltliches
Herrschertum gemeint, VH (17).
VH (38) = Vorrede an Heinrich II., Abschnitt (38)
Text le susdit regne de l‘ antechrist ne durera que iusques au definement (a) de ce nay
pres de l’ eage & de l’ autre à la cité de Plâcus accompagnez de l’ esleu de Modone Fulcy (b)
par Ferrare maintenu par Liguriens Adriatiques & de la proximité de la grande Trinacrie.
Puis passera le mont Iouis. Le Galique ogmium accompagné de si grand nombre que
de bien loing l’ Empire de la grand loy sera presenté & par lors & quelque temps apres
sera espanché profuseement le sang des Innocens par les nocens (c) vng peu eslevez,
(a) Atfrz. n.m. definement Ende (fin), Schlußfolgerung (conclusion), Tod (mort)
(b) Mittelfrz. v. fulcir stützen, tragen (soutenir)
(c) Lat. n.m. nocens der Schuldige, der Übeltäter
Die obenbenannte Herrschaft des Antechristen wird nicht länger als bis zum Tode dessen
dauern, der erscheint, wenn die Zeit nah ist, und des anderen aus der Stadt des Plancus.
(Sie werden) begleitet (sein) von dem Gewählten von Modena, gestützt von Ferrara,
aufrechterhalten durch adriatische Ligurer und von der Nähe des großen Sizilien.
Dann wird er vorbeiziehen am Berg Jupiters. Der gallische Ogmion (wird) begleitet von
sehr vielen, so dass von weit her die Oberherrschaft des großen Gesetzes angesagt wird.
Dann und einige Zeit danach wird viel Blut der Unschuldigen vergossen werden durch
die Übeltäter, die noch etwas weiter aufsteigen.
Anmerkung Von der Herrschaft des Antechristen war schon eben in VH (37) die Rede.
„Der erscheint, wenn die Zeit nah ist“, meint wahrscheinlich einen Propheten, der vor dem
Ende der alten Erde öffentlich auftritt, also zu einer Zeit, da die Zeit der wahren Wiederkunft
Christi auf der neuen Erde schon sehr nahe gekommen ist. Wenn dieser Mann umkommt
- das ist hier abzulesen -, ist der große Umschwung zu gewärtigen.
Der „gallische Ogmion“ ist wahrscheinlich ein Name für den späteren Heinrich V. [XIV],
der hier den Namen einer keltischen Gottheit erhält, die mit dem römischen Herkules gleich-
gesetzt wurde; Herkules war vor gewaltige Aufgaben gestellt, darunter das Ausmisten des
Augias-Stalles.
Ansonsten enthält dieser Abschnitt enthält zu viele Unbekannte, um ihn deuten zu können.
VH (39) = Vorrede an Heinrich II., Abschnitt 39
Text alors par grands deluges la memoire des choses contenues de telz instruments receura
innumerable perte mesmes les lettres: qui sera deuers (a) les Aquilonaires par la volonté
diuine & entre vne foys lyé satan. Et sera faicte Paix vniuerselle entre les humains, & sera
deliuree l’ Eglise de Jesus Christ de toute tribulation, combien que par les Azoarains (b)
voudroit mesler dedans le miel du fiel, & leur pestifere seduction.
(a) Mittelfrz. devers auch: gegen (envers)
(b) Azoarains ist ungeklärt. Bei einigen Alchemisten war „Azoth“ ein Name für den Stein der Weisen (Gebelein 1996 S. 160). Der >neue Weise<, 4/31 [III], >wird Steine regnen lassen<, die >Steine< seiner Weisheit, 2/47 [VII]. s. Glossar unter -> pierre.
Durch große Überflutungen wird dann die Erinnerung an (die) in jenen Urkunden
enthaltenen Dinge unschätzbaren Verlust erleiden, auch die Schriften selbst [1].
Das wird gegen die Aquilonier sein durch den Willen Gottes [2], und mit einem Mal
wird Satan gebunden sein. Und es wird weltweit Frieden unter den Menschen
geschlossen werden. Und es wird die Kirche Jesu Christi befreit sein von aller Drangsal.
Mag auch durch die … (?) der Wunsch bestehen, Galle in den Honig zu mischen und
ihre seuchenbringende Verführung.
Anmerkung 1 [Erinnerung erleidet Verlust …] Die „in jenen Urkunden enthaltenen Dinge“
und „die Schriften selbst“ sind das Alte und das Neue Testament, die man VH (44) zufolge
„vertreiben und verbrennen“ wird. Die Erinnerung an Christus soll vollständig von der Erde
getilgt werden, 3/72 [XI]. Stattdessen wird die Welt mit der >neuen Religion< [X], d.h. mit
der Propaganda des globalen Regimes überflutet. Dessen Vertreter und Anhänger nennt
N. „Aquilonier“, weil sie ein Imperium beherrschen, VH (30) und -> Aquilon.
Anmerkung 2 [… was sich gegen die Aquilonier auswirkt] Weil die Menschen von Gott her
die freie Wahl haben sollen, sich auf Christus zuzubewegen oder ihn abzulehnen, überschreiten
die „Aquilonier“ mit der angestrebten Auslöschung der Erinnerung an Christus das Maß dessen,
was der Himmel zuzulassen bereit ist. Die Tilgung Christi aus dem Geschichtsbuch wäre mit
der geistigen Freiheit der Menschen nicht vereinbar. Das Verbot der Bibel werde sich daher
„gegen die Aquilonier“ auswirken „durch den Willen Gottes“. Somit wird das Verbot der Bibel
ein Zeichen sein, dass das Ende der alten Erde nahe herangekommen ist.
VH (40) = Vorrede an Heinrich II., Abschnitt (40)
Text & sera proche du septiesme millenaire que plus le sanctuaire de Iesus Christ ne sera
conculque (a) par les infideles qui viendront de l‘ Aquilon, le monde approchant de quelque
grande côflagration, combien que par mes supputations en mes propheties le cours du
temps aille[t] beaucoup plus loing. Dedans l’ Epistre que ces ans passez ay dediee
à mon fils Caesar Nostradamus, I’ ay assez appertement declaré aucuns poincts sans
presage (b). Mais icy, ô Sire, sont comprins plusieurs grands & merueilleux aduenemens,
qui ceux qui viendront apres le verront.
(a) Mittelfrz. v. conculquer in den Staub treten (fouler aux pieds), verachten (mépriser), beleidigen (outrager), von lat. conculcare mit Füßen treten, mißhandeln, mißachten
(b) N.m. présage (großer Larousse) 1. Vorzeichen (signe par lequel on croit pouvoir connaître l‘ avenir) 2. aus diesem Zeichen abgeleitete Mutmaßung (conjecture tirée de ce signe)
Und es wird nah beim siebten Jahrtausend sein, dass das Heiligtum Jesu Christi nicht mehr
mit Füßen getreten wird durch die Ungläubigen, die von Aquilon kommen, wenn die Welt
sich einem großen Brand nähert - mag der Zeitenlauf meinen prophetischen Berechnungen
zufolge auch sehr viel weiter gehen. In dem Brief, den ich vor einigen Jahren meinem Sohn
César Nostradamus widmete, habe ich einige Punkte hinreichend deutlich erklärt, ohne
jede Spekulation. Hier nun, mein Herr, sind enthalten mehrere große und wunderbare
Ereignisse, die die Nachgeborenen erleben werden.
Anmerkung Das >siebte Jahrtausend< ist die Zeit vom Kataklysmus [II] bis zum Ende
der alten Erde, VH (6). Wenn Christus „nicht mehr mit Füßen getreten wird durch die
Ungläubigen, die von Aquilon kommen“, dann ist vom E n d e dieses >Jahrtausends<
die Rede. Der „große Brand“ würde demnach die Art des Endes der alten Erde bezeichnen.
VH (41) = Vorrede an Heinrich II., Abschnitt (41)
Text & durant (a) icelle supputation Astrlogicque conferee (b) aux sacrees lettres la persecution
des gene Ecclesiastiques prendra son origine pat la puissance des Rois Aquilonaires
vnis auecques les Orientaux, & celle persecution durera vnze ans quelque peu moins,
que par lors defaillera le principal Roy Aquilonaire,
(a) Lat. v. durare härten; dauern
(b) Lat. v. conferre zusammenbringen, vergleichen
Und erhärtend jene astrologische Berechnung [1] durch Vergleich mit den Heiligen
Schriften, wird die Verfolgung der Kirchenvölker ihren Ursprung haben in der Macht
der aquilonischen Könige, die vereint sind mit den orientalischen Herrschern [2].
Und diese Verfolgung wird elf Jahre dauern [3], ein wenig kürzer, und dann wird der
höchstrangige aquilonische König schwach werden.
Anmerkung 1 [Astrologische Berechnung] „Astrologie“ bedeutete zu Zeiten N.s die
Beobachtung der Wandelsterne (Planeten) und ihrer Bewegungen sowie das Studium
ihres Einflusses auf das Schicksal der Menschen. In dem Begriff war also auch enthalten,
was heute als Astronomie bezeichnet wird; wissenschaftiche Beobachtung und spekulative
Deutung waren noch nicht klar getrennt. Dass N. seine Prophetie aufgestellt habe o h n e
Zuhilfenahme dessen, was modern unter Astrologie verstanden wird, sagt er u.a. in der
Legis Cantio, wiedergegeben in der Einführung (17), und in der Vorrede an César N.
Wozu ihm seine Berechnungen dienten, wird bei VH (7) unter Anmerkung (4) erklärt.
Anmerkung 2 [Zusammenwirken aquilonischer und orientalischer Herrscher]
Die „aquilonischen Könige“ sind die unter diesem Namen erstmals in VH (30) erwähnten
Machthaber des globalen Regimes, dessen Entstehung nach dem Kataklysmus [II] zu
gewärtigen ist. Dieses Regime wird auch die Orientalen unterwerfen, wie in VH (25)
und VH (28) abzulesen ist, und diese dann für die Unterwerfung Europas dienstbar
machen, 9/80 [VIII].
Anmerkung 3 [Verfolgung und ihre Dauer] Mit dem Begriff der Verfolgung hat N. auch
die geistige Gegnerschaft vieler sich als aufgeklärt verstehender Menschen gegen den
alten katholischen Glauben bezeichnet, s. oben VH (34). Es muss damit also noch nicht
die Bedrückung von Menschen durch Ausgrenzung, Entrechtung, Gefängnis und Tod
gemeint sein. Die „elf Jahre“ haben eine Parallele in den „Jahren 606 bis 617“, von
denen in den Sechszeilern die Rede ist, Sz 19 und Sz 16.
VH (42) = Vorrede an Heinrich II., Abschnitt (42)
Text lesquels ans accomplis suruiendra son vny Meridional: qui persecutera encore plus fort
par l’ espace de trois ans les gens d’ eglise, par la seduction apostatique d’ vn qui tiendra
toute puissance absolue à l eglise militante, & le sainct peuple de Dieu obseruateur de
sa loy, & tout ordre de religion sera grandement persecuté (a) & affligé, tellement que
le sang des vrais ecclesiastiques nagera partout, & un de horrible Rois temporels, par ses
adherans luy seront donnees telles louanges, qu’ il aura plus respandu de sang humain
des innocens ecclesiastiques, que nul ne scauroit auoir de vin: & iceluy Roy commetra
de forfaicts enuers l’ Eglise incroyables, coulera de sang humain par les rues publiques
& temples, comme l’ eau par pluye impetueuse, & rougiront de sang les plus prochains
fleuues, & par autre guerre navalle rougira la mer, que le rapport d’ vn Roy à l’ autre luy
sera dit: Bellis rubuit navalibus aequor.
(a) Mittelfrz. v. persecuter unablässig verfolgen (poursuivre sans relâche), verklagen (poursuivre en justice)
(b) Der >Seekrieg< kann einen Glaubenskrieg bedeuten, s. Glossar unter -> nef und -> mer
Wenn diese Jahre vollendet sind, wird sein südlicher Verbündeter nachfolgen, der noch
machtvoller drei Jahre lang das Kirchenvolk verfolgen wird [2] mittels der abtrünnigen
Verführung durch einen (Mann), der die ganze absolute Macht in der militanten Kirche
innehaben wird [1]. Und das heilige Volk Gottes, das sein Gebot beachtet, und jeder
geistliche Stand wird hart verfolgt und heimgesucht werden [2] derart, dass überall
das Blut der wahren Geistlichen fließen wird. Und einer der schrecklichen weltlichen
Könige wird von seinen Anhängern dafür gelobt werden, dass er mehr Menschenblut
der unschuldigen Geistlichen vergossen haben wird, als er jemals Wein trinken könnte.
Und derselbe König wird unglaubliche Schandtaten gegen die Kirche begehen, Menschen-
blut wird durch die öffentlichen Straßen und Tempel rinnen wie Wasser bei einem
Gewitterregen, und vom Blut werden sich die nahen Flüsse röten. Und durch einen
weiteren Seekrieg wird das Meer sich röten, wie es in einem Bericht des Königs an einen
anderen heißen wird: Durch Seekriege rötete sich die Meeresoberfläche [3].
Anmerkung 1 [Militante Kirche/ absolute Macht] Die „militante Kirche“ heißt wie die
„militärische Kirche“ in Vers 8/78 [XI] so, weil sie intolerant und lebensbedrohlich denen
gegenüber auftritt, die ihr nicht angehören wollen. Sie ist intern nach dem Prinzip von
Befehl und Gehorsam geordnet, dem die „absolute Macht“ des Mannes an ihrer Spitze
entspricht. Es handelt sich also um einen Diktator und seine militante Anhängerschaft,
die sich aber ausdrücklich als Religionsgemeinschaft, als „Kirche“ versteht.
Anmerkung 2 [Drei Jahre der Verfolgung des heiligen Volkes Gottes und der Kirche]
Die hier angekündigte Verfolgung wird so geschildert, dass sie nur als eine tödliche
Bedrängung von Menschen wegen ihres Glaubens verstanden werden kann; anders als
eben noch in VH (41) werden alte Glaubenslehren von den Machthabern nicht nur gering-
geschätzt, sondern ihre Anhänger mit dem Tode bedroht. Aber wen meint N. mit dem
„heiligen Volk Gottes“ und mit den „wahren Geistlichen“, wer wird dann wirklich verfolgt ?
Es werde das „heilige Volk Gottes, d a s s e i n G e b o t b e a c h t e t“ sowie „jeder
geistliche Stand“ hart verfolgt und heimgesucht werden. Demnach werden, unabhängig von
der Konfession, die christlichen Geistlichen, die ihr Amt trotz des staatlichen Verbotes nicht
niederlegen, der staatlich angeordneten und religiös begründeten Verfolgung unterliegen.
Darüber hinaus werden aber auch Christen bedrängt, die „s e i n Gebot beachten“. In die
Einzahl gesetzt, ist damit zunächst der Inbegriff seiner Lehre, die Beachtung des Liebegebotes
gemeint, Matthäus Kapitel 22 Vers 34 bis 40; darüber hinaus in der Bedrängnis insbesondere
auch das Gebot, Christus nicht zu verleugnen, Matthäus Kapitel 10 Vers 16 bis 39.
Anmerkung 3 [Durch Seekrieg rötet sich die Meeresoberfläche] Im gegebenen Kontext ist
der Seekrieg nicht wörtlich zu verstehen. Das >Meer< als Sinnbild des Schöpfungsgrundes
wird von >Schiffen< befahren, die für die konkurrierenden Glaubensformen der verschiedenen
alten Relgionen stehen, 1/30 [X]. Der neue religiöse Führer wird die >Schiffe< auf sich
verpflichten können und dadurch zum „Oberhaupt der Flotte“ werden, 9/79. Dessen eigenes
>Schiff< nennt N. >Galeere<, 10/2; es beansprucht am Ende ein Existenzrecht für sich allein
und richtet die anderen >Schiffe< zugrunde. Das >Blut<, das das Meer verfärbt, sind die
verbotenen alten Glaubenslehren, die das Leben der alten Religionen ausgemacht haben,
s. Glossar unter -> sang.
VH (43) = Vorrede an Heinrich II., Abschnitt (43)
Text Puis dans la mesme annee & les suyvantes s‘ en ensuyura la plus horrible pestilence, & la
plus merueilleuse par la famine precedente; & si grandes tribulations que iamais soit aduenue
telle depuis la premiere fondation de l’ Eglise Chrestienne, & par toutes les regions Latines (a).
Demeurant par les vestiges en aucunes contrees des Espaignes. Par lors le tiers Roy Aqilonaire
entendant la plaincte du peuple de son principal tiltre, dressera si grande armee, & passera
les destroits (b) de ses derniers auites (c) & bisayeux qui remettra la plus part en son estat
& le grand vicaire de la cappe (d) sera remis en son pristin (e) estat, mais desolé & puis du tout
abandonné & tournera estre Sancta sanctorum (f), destruicte par paganisme, & le vieux & nouueau
testament seront deschassez, bruslez,
(a) Adj. latin 1. lateinisch 2. romanisch. Die regions Latines dürften alle Länder mit romanischen Sprachen bedeuten, wo traditionell der Katholizismus die Religion mit der größten Anhängerschaft ist.
(b) Mittelfrz. n.m. destroit Engstelle (lieu resserrée), Gegend (région)
(c) Lat. Adj. avitus großelterlich, uralt, angestammt, ererbt
(d) Mittellat. n.f. cappa Soutane, Mantel der hohen Geistlichen
(e) Lat. Adj. pristinus ehemalig, früher
(f) Sancta Sanctorum heißt die Kapelle des Papstes im Vatikan; sie dürfte hier als Teil für das Ganze stehen, also für die ganze katholische Kirche.
Dann im selben Jahr und in den folgenden werden sich daraus ergeben die fürchterlichste
Seuche, um so unglaublicher durch die vorausgegangene Hungersnot [1], und so große
Bedrängnisse, wie sie niemals seit der ersten Gründung der christlichen Kirche sich
ereigneten, und zwar in allen römisch-katholischen Regionen, bleibend durch die Spuren
in etlichen Gegenden der (beiden) Spanien.
Wenn dann der dritte aquilonische König [2] von der Klage des Volkes von seinem höchsten
Beamten hört, wird er eine sehr große Armee aufstellen und da vorbeikommen, wo
schon seine Groß- und Urgroßeltern in Not gerieten. Er wird das meiste in seinen Stand
wieder einsetzen, und der große Stellvertreter mit der Soutane wird in seinen früheren
Stand eingesetzt. Doch er (wird) verlassen, und dann ganz preisgegeben [3], und es wird
(das Los der) Sancta Sanctorum sich wenden, (sie wird) zerstört durch das Heidentum.
Und das Neue und das Alte Testament werden verworfen und verbrannt.
Anmerkung 1 [Hungersnot und Seuche] Die >Hungersnot< ist im gegebenen Zusammenhang,
der durch „dasselbe Jahr“ hergestellt wird, sinnbildlich zu verstehen als Mangel an geistiger
Nahrung. Dieser Mangel wird durch das Verbot von AT und NT, VH (39), bestätigt am Ende
des vorliegenden Abschnittes, hervorgerufen. Die >Seuche< ist wie die >seuchenbringende
Verführung< in VH (39) als >Ansteckung mit dem Unglauben< zu verstehen. Gemeint sind
im Kontext die staatstragenden Ideen der den Völkern oktroyierten >neuen Religion< [X].
Anmerkung 2 [Dritter aquilonischer König] Aquilon bzw aquilonisch bedeutet bei N. soviel
wie Imperium bzw. imperial, -> Aquilon. Ob mit dem „dritten aquilonische König“ der
Weltherrscher gemeint ist, ist nicht sicher. Dagegen spricht, dass er eine Armee aufstellt,
was zu einem Friedensstifter und Mann der Religion, als welcher er sich ausgibt, nicht passt.
Dafür spricht, dass er die Macht hat, den „großen Stellvertreter“, als welcher sich der Papst
versteht, in seinen Stand wieder einzusetzen. Allerdings geschähe dies in einer früheren
Zeit, nicht in der Zeit der großen, weltweiten Verfolgung der Anhänger der alten Religionen,
von der eben noch die Rede war.
Anmerkung 3 [Stellvertreter wieder eingesetzt/ dann ganz preisgegeben] Der „dritte
aquilonische König“ kommt also anscheinend der Kirche und dem Papst zunächst zu Hilfe,
vielleicht gegen den vordringenden Islam. „Der Kleriker wird zurückversetzt werden in seinen
früheren Stand“, hieß es schon in VH (22). Wenige Jahre später wird die katholische Kirche
an der Bindung an ihren vermeintlichen Retter zugrundegehen, 10/65 [XI]. Das ist hier am
Verbot des Alten und Neuen Testaments abzulesen. „So ist sie (die Kirche) einem erneuten
Verlassensein nah, wenn sie in höchstem und erhabensten Ansehen stehen wird“, VH (22).
VH (44) = Vorrede an Heinrich II., Abschnitt (44)
Text en apres l‘ antechrist sera le prince infernal, encores par la derniere foy trembleront
tous les Royaumes de la Chrestienté, & aussi des infidelles par l’ espace de vingtcinq ans,
& feront plus grieues (a) guerres & batailles, & seront villes, citez, chasteaux, & tous autres
edifices bruslez, desolez, destruits, auec grande effusion de sang vestal, mariees, & vefues
violees, enfans de laict contre les murs des villes allidez (b), & brisez, & tant de maux se
commettront par le moyen de Satan prince infernal, que presque le monde vniuersel se
trouuera defaict & desolé, & avant iceux aduenemens, aucuns oyseaux insolites crieront
par l’ air Huy, Huy, & seront apres quelque temps esuanouys,
(a) Mittelfrz. Adj. griefe schmerzhaft (douloureux), kummervoll, traurig (chagrin, triste), roh (rude), schwer (fort), schwerwiegend (grave)
(b) Lat. v. allidare etw. gegen etw. anschlagen, schleudern
Daraufhin wird der Unterweltsfürst (selbst) der Antichrist sein, nochmals, zum letzten
Mal erbeben alle Königreiche der Christenheit, und auch die der Ungläubigen, während
eines Zeitraums von fünfundzwanzig Jahren. Und sie werden noch schlimmere Kriege
führen und Schlachten veranstalten, es werden Dörfer, Städte, Schlösser und alle
anderen Gebäude verbrannt, verlassen, zerstört sein. Und gleichzeitig wird viel Blut der
Vestalinnen vergossen werden. Verheirateten Frauen und Witwen wird Gewalt angetan
werden. Säuglinge werden gegen die Mauern geschlagen und zerschmettert werden
werden, und soviele Untaten werden sie durch Vermittlung Satans, des Höllenfürsten
begehen, dass beinah die ganze Welt niedergeworfen und verwüstet sein wird.
Und vor diesen Ereignissen werden einige ungewöhnliche Vögel durch die Luft
„heute, heute“ schreien und werden nach einiger Zeit wieder verschwunden sein.
Anmerkung 1 [Fünfundzwanzig Jahre] Oben in VH (42) sind d r e i Jahre der „Verfolgung
des heiligen Volkes Gottes, das sein Gebot beachtet“ sowie „jedes geistlichen Standes“
angesagt. Hier sollen es nun 25 Jahre sein; in 8/77 [XII] ist sogar von 27 Jahren die Rede,
die der Krieg des Antichristen dauern werde, nachdem die drei alten Offenbarungsreligionen
„zunichte gemacht“ wurden. Eine Möglichkeit ist, dass die 25 bzw. 27 Jahre getarnte Monate
sind, was bei N. vorkommen kann, s. Glossar unter -> an. Aber auch das würde zu den drei
Jahren in VH (42) nicht ganz passen, wohl aber zu Jesu Ansage in seiner Endzeitrede, dass
die Tage verkürzt werden, Matthäus Kapitel 24 Vers 22. Dort steht allerdings auch, dass wir
den Tag und die Stunde des großen Umbruchs nicht kennen können, Matthäus Kapitel 24
Vers 36. Somit sind die Jahresangaben des N. ungeeignet, den Zeitpunkt des Endes der
alten Erde zu berechnen, zumal sie in sich nicht klar und stimmig sind.
Anmerkung 2 [Glaubenskriege] Die Schilderung der Kriegsgräuel ist so detailreich, dass
sie offenbar wörtlich gemeint ist; man denkt an Szenen, wie sie aus dem dreißigjährigen
Krieg überliefert sind. Aber die Rede von den Vestalinnen wird nur verständlich, wenn man
annimmt, dass sich dahinter ein weiterer, symbolischer Sinn verbirgt. Mit >verheirateten
Frauen< meint N. die von einem Fürsten regierten Völker, und die >Witwen< sind Völker,
denen ihr Fürst abhanden kam, also heute (2011) fast alle Völker (Glossar unter -> dame).
Die >Vestalinnen< stehen für Glaubensgemeinschaften, die eine dienende Rolle im Kult des
Weltstaats spielen werden, s. Glossar unter -> Vesta. Im Mittelpunkt dieses Kultes wird der
>wiedergekommene Heiland< stehen, der bildlich das Amt des obersten Priesters ausüben
kann, weil ihm über den Bereich einzelner Glaubensformen hinaus spirituelle Kompetenz und
Autorität zugesprochen wird, 2/73 [VIII]. Die >Vestalinnen<, also die alten Glaubensgemein-
schaften, müssen am Ende alles Eigene preisgeben, ihre alten Glaubenslehren vollständig
aufgeben und damit bildlich ihr >Blut vergießen<, von dem sie geistig leben, s. Glossar unter ->
-> sang. Von dieser Art von Blutvergießen handeln z.B. auch die Verse 10/65 [XI], 2/97 [XI]
und 8/45 sowie in der Vorrede Abschnitt (42).
VH (45) = Vorrede an Heinrich II. Abschnitt (45)
Text & apres que tel temps aura duré longuement sera presque renouuellé ung autre regne
de Saturne, & siecle d’ or, Dieu le createur dira entendant l’ afflictiô de son peuple, Sathan
sera mis & lyé dans abbisme du barathre dans la profonde fosse, & adoncques commencera
entre Dieu & les hommes une paix vniuerselle & demeurera lyé enuiron l‘ espace de mille ans,
& tournera en sa plus grande force, la puissance ecclesiastique, & puis torné deslié.
Und nachdem diese Zeit lange gedauert hat, werden eine neue Herrschaft des Saturn
und ein (neues) Goldenes Zeitalter schon fast erneuert sein. Gott der Schöpfer wird
sprechen, wenn er hört von der Bedrängnis seines Volkes. Satan wird versetzt und
gebunden werden in den Abgrund des Schlundes, in die tiefe Grube. Und dann wird ein
weltweiter Friede zwischen Gott und den Menschen beginnen und halten durch einen
Zeitraum von etwa tausend Jahren. Und zu ihrer größten Kraft zurückfinden wird die
kirchliche Macht. Und dann wird er [Satan] wieder losgebunden werden.
Anmerkung Als >Herrschaft des Saturn im Goldenen Zeitalter< umschreibt N. hier die
(geistige) Herrschaft Christi auf der neuen Erde, nach dem großen Umschwung und der
Scheidung der Geister. Erst die (geistige) Herrschaft Christi bringt wirklich weltweiten
Frieden zwischen Gott und den Menschen und von daher auch Frieden der Menschen
untereinander. Im übrigen stimmen die Aussagen dieses Abschnittes mit dem überein,
was schon in der Offenbarung des Johannes Kapitel 20 und 21 steht und bietet darüber
hinaus keine weiteren Einzelheiten.
VH (46) = Vorrede an Heinrich II., Abschnitt (46)
Text Que toutes ces figures sont iustement adaptees par le diuines lettres aux choses celestes,
visibles, c’ est à asscauoir par Saturne, Iupiter & Mars. & les autres conionct comme plus
à plain par aucuns quadrins lon pourra veoir. l’ eusse calculé plus profondement & adapté
les ungs auecques les autres. Mais voyant, ô sereniss. Roy, que quelcuns de la censure
trouueront difficulté qui sera cause de retirer ma plume à mon repos nocturne. Multa etiam
ô Rex omnium potentissime preclara & sane in brevi ventura, sed omnia in hac tua epistola
innectere non possumus, nec volumus, sed ad intelligenda quaedam facta, horrida fata,
pauca libanda sunt, quamuis tanta sit in omnes tua amplitudo & humanitas homines,
deosque pietas, vt solus amplissimo & Christianissimo regis nomine, & ad quem summa
totius religionis auctoritas deferatur dignus esse videare. Mais tant seulement ie vous
requiers, ô Roy tres clement, par icelle vostre singuliere & prudente humanité d’ entendre
plustost le desir de mô courage, & le souuerain estude (a) que I’ ay d’ obeyr à vostre
serenissime Maiesté, depuis que mes yeux furent si proches de vostre splendeur solaire,
que la grandeur de mon labeur n’ attainct ne requiert.
De Salô ce 27. de Iuin, Mil cinq cens cinquante huict.
Faciebat Michael Nostradamus
Salonae Petreae Prouinciae
(a) Mittelfrz. n.m. estude Sorge (souci), Mühe (effort), Aufmerksamkeit (application)
Und alle diese Bilder sind ganz genau in Einklang gebracht durch die Heiligen Schriften
mit den sichtbaren Himmelskörpern, namentlich Saturn, Jupiter und Mars in Verbindung
mit den anderen, wie man es noch vollständiger in einigen Vierzeilern wird sehen können.
Ich hätte gründlicher noch gerechnet und die einen mit den anderen (Vierzeilern) abge-
stimmt, doch sehe ich, huldreichster König, dass einige davon vor der Zensur Schwierig-
keiten machen werden, was der Grund dafür ist, meine Feder niederzulegen, um mich
zur Nachtruhe zurückzuziehen. (Er fährt fort auf lateinisch:)
„Viele Dinge, auch solche, die sehr bekannt werden, o machtvollster König, werden sich
gewiß in Kürze ereignen. Doch alles in diesen Brief einflechten können wir nicht und
wollen es auch nicht. Damit aber gewisse schreckliche Weissagungen, wenn sie eingetreten
sind, erkannt werden, soll nur Weniges davon angedeutet werden, mag auch gewaltig sein
Eure Größe, Menschenfreundlichkeit und Frömmigkeit vor Gott, so dass erkennbar Euch
allein der Titel des mächtigsten und allerchristlichsten Königs gebührt, der auch würdig
ist, die höchste Autorität in allen Dingen der Religion zu sein.“
Doch um eines allein bitte ich Euch, gütigster König, wegen Eurer einzigartigen klugen
Menschlichkeit, den Wunsch meines Eifers zu erhören, und um die Aufmerksamkeit des
Souveräns dafür, dass ich Eurer huldreichsten Majestät zu gehorchen habe, seit meine
Augen Eurem Sonnenglanze nahe waren, dessen Größe mein Werk weder erreicht noch
beansprucht. Zu Salon, den 27. Juni 1558.
Verfasst von Michael Nostradamus
in Salon, Provinz Petri
Anmerkung N. fürchtet, bei der Zensur Anstoß zu erregen und bittet den König nicht
ausdrücklich, aber hinreichend deutlich, ihn vor diesen Schwierigkeiten zu bewahren,
ihn besonders vor Eiferern der Kirche zu schützen, weshalb er ihm „höchste Autorität
in allen Dingen der Religion“ zuschreibt. Zu der Befürchtung, Anstoß zu erregen, siehe
im übrigen schon die Abschnitte (5) und (8) der Vorrede.