Übersicht
Abschnitt (12) Lange Unfruchtbarkeit der großen Dame
Abschnitt (13) Vier Kinder - Zornbebender Zug zum Berg Jupiters
Abschnitt (14) Katholische Kirche und heidnische Sekte - Dritte Überschwemmung mit Menschenblut
Abschnitt (15) Religionen, weit entfernt von europäischen Gegenden
Abschnitt (16) Unfruchtbare Dame sehr mächtig
Abschnitt (17) Imperium des Antechristen auf dem Gebiet des Attila und Xerxes - Großer Königlicher
Abschnitt (18) Verfinsterung der Sonne im Oktober - Große Versetzung
Abschnitt (19) Neues Babylon, groß geworden durch ersten Holocaust - 73 Jahre und sieben Monate
Abschnitt (20) Tollwütiger, der den Weisen spielt - Glaubenskriege - Erneuerung der Kirche
Abschnitt (21) Freiheit - Linke und rechte Partei
Abschnitt (22) Großer Hund und größter Hund - Kirchen wiederaufgerichtet, dann erneut verlassen durch „Huren und Prunken“
VH (12) = Vorrede an Heinrich II., Abschnitt (12)
Text Premierement des temples de Dieu, secondement par ceux qui sont terrestrement soustenus
s‘ aprocher telle decadence, auecques mille autres calamiteuses aduentures, que par le cours
du temps on cognoistra aduenir: car Dieu regardera la longue sterilité de la grande dame,
qui puis après conceura deux enfans principaux (a): mais elle periclitant (b), celle qui luy sera
adioustee (c) par la temerité de l’ aage de mort periclitant dedans la dixhuictiesme, ne pouuant
passer le trentesixiesme qu’ en delaissera trois masles, & vne femelle, & en aura deux,
celuy qui n‘ en eut iamais d‘ vn mesme pere, des trois freres seront telles differences,
puis vnies & accordees, que les trois & quatre parties de l‘ Europe trembleront:
(a) Zu den Kindern s. Glossar unter -> enfans.
(b) Mittelfrz. v. pericliter Schiffbruch erleiden (faire naufrage), untergehen einer Stadt (périr, en parlant d‘ une ville), einer Gefahr aussetzen (exposer à un danger)
(c) Mittelfrz. v. adjouster verbinden (joindre), einen, vereinen (unir)
Erstens den Tempeln Gottes, zweitens denen, die weltlichen Rückhalt haben,
nähert sich ein gewaltiger Niedergang, zusammen mit tausend anderen unheilvollen
Begebenheiten, die man im Lauf der Zeit kommen sehen wird. Denn Gott wird die
lange Unfruchtbarkeit der großen Dame sehen, die dann später zwei fürstliche Kinder
empfangen wird. Doch sie gerät in Gefahr, es gerät jene, die ihm verbunden werden
wird, in Todesgefahr im achtzehnten (Jahr), kann das sechsunddreißigste (Jahr) nicht
überschreiten und wird drei männliche Kinder und ein weibliches Kind hinterlassen.
Daraufhin wird jener zwei Kinder haben, der noch nie von ein und demselben Vater
empfangen hatte. Unter drei Brüdern wird es große Zwistigkeiten geben, dann werden
sie geeint und einträchtig sein, so dass drei und vier Teile Europas erbeben werden.
Anmerkung 1 [Niedergang/ Unfruchtbarkeit der großen Dame] >Damen< können bei N.
Völker als ganze bedeuten, s. Glossar. Der Niedergang und die Unfruchtbarkeit der
>großen Dame< im darauf folgenden Satz treten gemeinsam auf, sind offenbar eng
miteinander verbunden. Die Vorgänge spielen sich in „Europa“ ab, und damit steht die
>große Dame< hier für die europäische Christenheit in ihrer weltlichen, d.h. politischen
Verfassung. Denn sie, die europäische Christenheit ist es, die keine Herrscher von Gottes
Gnaden mehr empfängt, da sie den Glauben als Grund der Legitimität von Herrschaft seit
der französischen Revolution ablehnt. Der Niedergang betrifft e r s t e n s die „Tempel
Gottes“, d.h. die Kirchen und die Geistlichen, und erst in der Folge auch die, die weltlichen
Rückhalt haben, d.h. den Adel und die Fürsten. VH (34) macht zu dieser Abfolge auch
Zeitangaben (1606 bis 1792). Der Legitimitätsverfall der alten Ordnung ist aus N.s Sicht
im Kern ein Glaubensverfall. Die >Unfruchtbarkeit< werde „lange“ anhalten, doch dann
werde Gott das von ihm aus Nötige tun, die besagte >Dame< werde, freilich ohne ihr
Wissen, >empfangen<, d.h. es wird der spätere christliche König geboren.
Anmerkung 2 [Jahresangaben] Eine sichere Deutung kann es heute nicht geben. Das Jahr
der Geburt müsste den Ausgangspunkt bilden. Der spätere König von Europa, 10/86 [XIV],
wird wohl im August 1999 geboren, an „nächtlichem Tag“, 5/41 [XIV]; eine totale Sonnen-
finsternis über Europa gab es am 11.8.1999. N. erkennt in ihm einen vom Himmel gesandten
Herrscher, 10/72 Vz 2 [XIV], was zu der hier erklärten Vaterschaft passt. Die >Dame< trägt
>einen Männlichen< aus, Sz 4, soll heißen: einen König. Die Christenheit Europas, die
>große Dame<, wird ihm >verbunden< werden, d.h. ihn zum >Gatten< nehmen, wenn er sich
durchgesetzt haben wird, 6/24 [XIII]. Zuvor aber wird sie im achtzehnten Jahr, demnach in
2017, in tödliche Gefahr geraten. Parallelen zur „Leichtfertigkeit des Alters“ könnten die
„Nachlässigkeit“ in 1/73 [VI] und die Verträumtheit in 2/73 [VIII] sein. Was der Tod der Dame
mit 36 bedeutet, ist ungeklärt, und ebenso, um wen es sich bei dem zweiten fürstlichen Kind
handelt.
Anmerkung 3 [Drei männliche Kinder] Nachdem zunächst nur „zwei fürstliche Kinder“ auf den
Plan getreten sind, erkennt N. nach dem Tod der >Dame< vier Kinder, darunter drei männliche.
„Drei Brüder“ bringen in 8/17 [XIII] die Welt durcheinander, sind wie hier auch in 6/7 [XIII]
„geeint“, und greifen von den Rändern des Kontinents aus nach der Herrschaft über Europa,
heißen in 8/18 [XIII] Lilienbrüder und bringen die vom globalen Regime ausgehende Bedrückung
zum Stillstand, indem sie einen Krieg auf europäischem Boden entfesseln, 8/46 [XIII]. Der
Widerspruch zwischen der Eintracht der drei Brüder und dem von ihnen ausgelösten kriege-
rischen Beben Europas würde sich auflösen, nähme man an, dass die betreffenden Militärs
im Widerstand gegen die Fremdherrschaft geeint sind und erst ihr Zusammenschluss sie
den Versuch wagen lässt, den gemeinsamen Gegner niederzuringen.
Anmerkung 4 [Der noch nie empfangen hat] Dem Bilde nach müsste es eine sie sein, die
empfängt oder nicht, aber im Text steht in allen Ausgaben celuy jener. Gemeint ist ein Volk,
das noch nie einen christlich legitimierten Herrscher hatte. Da kommen hauptsächlich die
USA in Betracht, die aus der ideologischen Gegnerschaft gegen die alte Ordnung in Europa
entstanden sind. Vielleicht ist es seine militärische Potenz, die in der alten Anschauung
untrennbar zum Herrschertum gehört, weshalb dieses Volk als männlich angesprochen wird.
Doch es scheint, dass dann dort gleich z w e i Herrscher auftreten. Die Angaben unter VH (13)
passen zu der hier für möglich gehaltenen Deutung dessen, >der noch nie empfangen hat<.
VH (13) = Vorrede an Heinrich II., Abschnitt (13)
Text Par le moindre d‘ aage sera la monarchie Chrestienne soustenue, augmentee:
sectes esleuees, & subitement abaissees, Arabes reculez, Royaumes vnis,
nouuelles Loix promulguees: des autres enfans le premier occupera les Lions
furieux coronnez, tenants les pattes dessus les armets (a) intrepidez.
Le second se profondera (b) si auant par les Latins accompagné, que sera faicte
la seconde voye (c) tremblante & furibonde au mont Iouis (d) descendant pour
monter aux Pyrenees, ne sera translate (e) à l’ antique monarchie,
(a) Mittelfrz. n.m. armet leichter Helm
(b) Mittelfrz. v. profonder vertiefen, tief eindringen (approfondir), > lat. v. se profundere sich ergießen lassen, hervorstürzen
(c) Altfrz. n.f. voie Straße; Reise, Fahrt; Wallfahrt
(d) Zum Berg Jupiters s. Glossar unter -> mont.
(e) Lat. p.p.p. translatum hinübergebracht
Durch das jüngere (Kind) wird die christliche Monarchie verteidigt und gestärkt werden,
Sekten finden Zulauf und verschwinden plötzlich wieder in der Versenkung, Araber werden
zurückgedrängt, Königreiche geeint, neue Gesetze verkündet [1].
Das erste der anderen Kinder wird die grimmigen gekrönten Löwen in seinen Besitz
bringen, die furchtlos die Pranken über die Helme schützend halten [2].
Das zweite wird tief eindringen und weit vorankommen, von den Lateinern begleitet,
und so wird der zweite zornbebende Zug zum Berg Jupiters unternommen [3]. Von dort
geht der Zug hinunter, um die Pyrenäen zu erklimmen, wird aber nicht bis zur antiken
Monarchie hinübergelenkt werden.
Anmerkung 1 [Die Zeit der vier Kinder] Es ist von denselben „fürstlichen Kindern“ wie in
Abschnitt (12) die Rede. >Kinder< heißen die Gemeinten, solange sie sich die Herrschaft
noch nicht erkämpft haben. Das Attribut fürstlich erhalten sie von N., weil sie die Freiheit
der christlichen Religion verteidigen und er sie daran als von Gott her legitimiert erkennt.
Diese späteren Herrscher werden sich besonders der Araber erwehren müssen, die nach
dem Kataklysmus nach Europa vordringen, 6/80 [IX], und nach ihrer Unterwerfung durch
den Weltherrscher eingesetzt werden, den Kontinent ideologisch gleichzuschalten, 9/80 [VIII].
Seine Freiheit wird Europa erst wieder erlangen, wenn die Araber hinausgeworfen werden,
5/74 [XIII]. Über die Sekten, die Zulauf haben und wieder verschwinden, ist in VH (14) zu
erfahren, dass eine starke Strömung innerhalb der katholischen Kirche sich dem Welt-
herrscher verbindet, und in VH (15), dass außereuropäische Religionen starken Zulauf
haben. Die Reiche, die im Krieg um die Freiheit Europas und der Religion [XIII] geeint
werden, könnten Spanien und Frankreich sein, 4/5 [XIV].
Anmerkung 2 [Das erste der anderen Kinder] Die >anderen Kinder< scheinen Kinder
dessen zu sein, „der noch nie empfangen hat“, und sind, wenn Letzteres eine Chiffre für
die USA ist, Anm. 3 zu (12), von dort kommende Feldherren. Der erste von ihnen gewinnt
zunächst die Kontrolle über die „grimmigen gekrönten Löwen“. Damit ist England gemeint,
wo gekrönte Löwen in den Wappen oft vorkommen und, wenn sie als Helmzier dargestellt
werden, ihre Pranken über den Helm recken.
Anmerkung 3 [Das zweite der anderen Kinder] Der zweite von Nordamerika kommende
Feldzug wird „zornbebend“ vorgetragen. Es könnte da jener Zorn gemeint sein, der sich an
der Bedrängung der europäischen Christen durch das globale Regime entzündet, 5/13 [XIV].
Das Ziel des Zuges bildet der >Berg Jupiters<, womit aber nicht der Olymp in Griechenland
gemeint ist. Jupiter dient N. als Deckname für den Weltherrscher, und der >Berg Jupiters<
ist die >Weltfriedensordnung< [Vorschau VII] mit dem Weltherrscher an der Spitze [Vorschau
VIII], s. Glossar unter -> mont und -> Iupiter. Wenn der >Berg Jupiters< erkämpft werden soll,
geht es demnach um nichts weniger als die Weltherrschaft. Zuerst noch mit dem Weltherrscher
verbündet, 8/74 [VII], scheinen Amerikaner dann zu seinen Feinden geworden zu sein.
VH (14) = Vorrede an Heinrich II., Abschnitt (14)
Text sera faicte le troisieme inondation de sang humain, ne se tournera de long temps Mars
en caresme. Et sera donnee la fille (a) par la conseruation de l’ Eglise Chrestienne,
tombant (b) son dominateur à la paganisme secte des nouveaux infidels, elle aura
deux enfans, l’ un de fidelité, et l‘ autre d‘ infidelité par la confirmation (c) de
l‘ Eglise Catholique. Et l’ autre qui à sa grande confusion & tarde repentance
la voudra ruiner.
(a) Zur Tochter s. Glossar unter -> dame.
(b) Mittelfrz. v. tomber hinunterwerfen (faire tomber), umstürzen lassen (faire culbuter)
(c) N.f. confirmation Bestätigung, Bekräftigung; Einsegnung, Konfirmation
Es wird stattfinden die dritte Überschwemmung mit Menschenblut [1], Mars wird sich
nicht lange in Enthaltsamkeit üben. Und es wird hingegeben werden die Tochter zur
Erhaltung der christlichen Kirche, indem sie ihren Herrscher in die heidnische Sekte
der neuen Ungläubigen stürzt, woraufhin sie zwei Kinder haben wird, ein Kind der Treue,
das andere (ein Kind) der Untreue zur Bestätigung der katholischen Kirche [2].
Und das andere (Kind) wird in seiner großen Verwirrung und mit spätem Bedauern
trachten, sie (die katholische Kirche) zu zerstören.
Anmerkung 1 [Dritte Überschwemmung mit Menschenblut] Wenn der römische Kriegsgott
ein drittes Mal losschlägt, wird damit blumig ein dritter großer Krieg angekündigt. In VH (19)
spricht N. von einem „ersten Holocaust“ und meint im Kontext den ersten Weltkrieg, zählt
also in gleicher Weise, wie es im 20. Jahrhundert üblich geworden ist. Daraus wäre zu
folgern, dass hier ein dritter Weltkrieg angesagt ist. D a n a c h kommt der Auftritt des
>wiedergekommenen Heilandes< und seiner Anhängerschaft, die N. eine „heidnische Sekte“
nennt. D a n n errichtet der >Wiedergekommene< ein globales Regime, das in VH (13)
>Berg Jupiters< heißt. D a n n erst kommt die Auseinandersetzungen Europas mit den
Zumutungen des Regimes der >Weltfriedensordnung< [X], von denen die Abschnitte (12)
und (13) der Vorrede erstmals handeln. Am Beginn von (14) wird also in eine frühere Zeit
zurückgeblendet.
Anmerkung 2 [Katholische Kirche und heidnische Sekte] Von der „katholischen Kirche“
ist die Rede, und vorher noch von der „christlichen Kirche“. Da aber letztere einen „Herrscher“
hat, kann damit auch nur die katholische Kirche gemeint sein, weil es in den anderen christ-
lichen Kirchen kein dem Papst vergleichbares Oberhaupt gibt. Die wahre christliche Kirche
ist für N. allemal nur die katholische.
Die Rede von >Kindern< und einer >Tochter< im Zusammenhang mit der Kirche meint
das Volk der Gläubigen, das Kirchenvolk, das zusammen mit >Mutter Kirche< und Gott
als Vater eine >Familie< bildet, 8/19 [V]. Zunächst tritt >die Tochter< allein ins Blickfeld,
dann sind es >zwei Kinder<. Daran ist ablesbar, dass die katholische Kirche zunächst
noch eine Einheit bildet, dann aber in z w e i Kirchenvölker auseinanderfällt.
Die katholische Kirche werde ihr Oberhaupt „in die heidnische Sekte der neuen Ungläubigen
stürzen“, woraufhin dem Papst ein Teil der Gläubigen zu folgen bereit ist, die der Seher
>Kind der Untreue< nennt. Dagegen hält sich das >eine Kind< fern von der >heidnischen
Sekte<, hält am alten Glauben fest, und ist damit ein >Kind der Treue<.
Eine der historischen Spaltungen, als deren Grund die Abweichler angaben, dass der Papst
selbst vom wahren Glauben abweiche, kann hier nicht gemeint sein, weil es dabei in keinem
Fall der Beitritt des Papstes zu einer „heidnischen Sekte“, zu einem „heidnischen Bekenntnis“
(paganisme secte) war, welcher die Spaltung auslöste. Am ehesten wäre noch an die Stellung-
nahmen der römischen Kirche zu den faschistischen Regimen des zwanzigsten Jahrhunderts
zu denken, die umstritten waren, aber zu keiner Spaltung der Kirche geführt haben. Und von
Verschwörungstheorien im Zusammenhang mit Logen usw. kann man ganz absehen, da sich
die gemeinten Trennungen öffentlich vollziehen, erkennbar daran, dass sich die Gläubigen
dazu ins Verhältnis setzen können. Die gemeinten Vorgänge liegen also heute (2011) noch
in der Zukunft.
Glich nach den singulären, hier in der Vorrede in Abschnitt (18) erwähnten Naturereignissen ist
mit dem erstmaligen Auftritt jenes Mannes zu rechnen, der als >wiedergekommener Heiland<
gefeiert werden wird. Der Seher erkennt in ihm die letzte und machtvollste Verkörperung des
antichristlichen Prinzips, 9/5 [VIII] und unten VH (17). Die christlichen Kirchen werden sich
erklären müssen, wie sie zu dem neuen Mann stehen. Dass sich die katholische Kirche
nach inneren Auseinandersetzungen positiv zu dem >Wiedergekommenen< stellt, ist öfters
belegt, 5/46 [IV].
Über das Motiv des Bündnisses mit der >heidnischen Sekte<, d.h. mit der Anhängerschaft
des neuen Mannes, ist Widersprüchliches zu erfahren. Einerseits geht es um confirmation,
d.h. „Bestätigung“ oder „Einsegnung“ der katholischen Kirche. Aber es heißt auch, die
>untreuen Kinder< trachteten danach, die katholische Kirche zu zerstören, und es ist von
„Verwirrung“ und „spätem Bedauern“ die Rede. Dieser Widerspruch würde sich auflösen,
wenn man zwischen Wunschdenken und den tatsächlichen Wirkungen des Bündnisses mit
der >heidnischen Sekte< unterscheidet. Die >untreuen Kinder< wünschen sich Bestätigung
und Segen für die Kirche, bewirken aber, ohne es abzusehen, deren Zerstörung.
VH (15) = Vorrede an Heinrich II., Abschnitt (15)
Text seront trois regions par l‘ extreme difference des ligues, c’ est assauoir la Romanie (a),
la Germanie, l’ Espaigne, qui feront diuerses sects par main militaire, delaissant le 50
et 52. degrez de hauteur, & ferôt tous hômage des religions loingtaines aux regions de
l‘ Europe & de Sptentrion de 48. degr. d‘ hauteur, qui premier par vaine timidité tremblera,
puis les plus occidenteaux, meridionaux et orientaux trembleront; telle era leur puissance,
que ce qui se fera par concorde & union insuperable des conquests belliques.
De nature seront esgaux: mais grandement different de foy.
(a) Der lat. Eigenname Romania bezeichnete das ganze antike Imperium der Römer. Aber bei N. ist Romanie ein Name für Italien, was hier dadurch deutlich wird, dass Romanie in einer Reihe mit Germanie und l‘ Espaigne genannt wird. Vgl. 8/60 und 4/82.
Es werden drei Regionen sein, die äußerst verschiedene Bündnisse eingehen, nämlich
Römerland, Germanien und Spanien, welche verschiedene Sekten mit der Macht des
Militärs bilden [1], und dabei den 50. und 52. Breitengrad aufgeben. Sie werden allesamt
Religionen huldigen, die weit entfernt sind von europäischen Gegenden [2] und vom
48. nördlichen Breitengrad. Dieser wird als erster in eitler Furcht erbeben, dann werden
die weiter westlichen, südlichen und östlichen Regionen erbeben. Ihre Macht wird so
beschaffen sein, dass erst ihre Eintracht und Einheit sie unüberwindlich bei kriegerischen
Eroberungen macht. Ihrer Natur nach werden sie gleichartig sein, aber ganz verschieden
in ihrem Glauben.
Anmerkung 1 [Militante Sekten/ Zeitliche Einordnung] Es wurde vermutet, dass hier der
europäische Faschismus der gemeint sei, doch spielten außereuropäische Religionen
damals keine Rolle, und Mitteleuropa (50. und 52. Breitengrad) wurde nicht aufgegeben.
In Deutschland wurde nationale Romantik mit aufgewärmten germanischen Mythen bedient,
und der Wahn von der >arischen Rasse< wurde mit dem Mythos vom >Reich< vermengt.
Die italienischen Faschisten wollten die antike Größe Italiens wiederbeleben, waren auch
an e u r o p ä i s c h e r Vergangenheit orientiert, 8/66 (Kap.37).
Zudem scheint es hier, dass Europa durch die Bündnisse, die man dort mit außereuropä-
ischen Mächten eingeht, bedroht wird, während in den 1930er Jahren die faschistisch
beherrschten Staaten zur Bedrohung für ihr Umfeld wurden. Daraus ist abzuleiten, dass
die Erzählfolge, die in (14) neu ansetzte, hier fortgesetzt wird.
Anmerkung 2 [Außereuropäische Religionen] Der Bereich des Glaubens werde nach der
„Zerstörung von Allem“ eine ungeahnte Aufwertung erfahren, und die christlichen Kirchen
würden „wieder aufgerichtet“ werden, VH (22). Daneben scheint man sich an außereuropä-
ischen Religionen, vor allem wohl am Islam zu orientieren, 3/27 [VI], und es werden
„Bündnisse“ eingegangen, die auch politisch von außerhalb Europas unterstützt werden.
Zudem macht dann bald eine „heidnische Sekte“ von sich reden, womit die Anhängerschaft
des >wiedergekommenen Heilandes< gemeint ist, VH (14). Die sich auf ihn berufenden
Gruppen sind militant pazifistisch ausgerichtet, was sie in Verbindung mit der Unterstützung
von außen zu einer Bedrohung werden lässt, zumal auch von „Eroberungen“ die Rede ist.
In der Nähe des 48. Breitengrades liegt Orléans, mit dessen Namen der Freiheitskampf
Frankreichs verbunden ist, 10/45 (Kap.6), und liegt auch Blois, wo der spätere König von
Europa geboren wird, 10/44 [XIII]. Von dort ausgehend, kämpft er gegen den Antechristen
und wird später zum christlichen König von Europa, 10/86 [XIV]. Vom 48. Breitengrad her
werde „der Heilige Geist vorankommen“, heißt es weiter unten in VH (17).
VH (16) = Vorrede an Heinrich II., Abschnitt (16)
Text Apres cecy la Dame sterille de plus grande puissance que la seconde sera receue
par deux peuples, par le premier obstiné par celuy qui a eu puissance sur tous,
par le deuxiesme & par le tiers qui estêndra ses forces vers le circuit de l’ Orient
de l’ Europe aux pannôs (a) l’ a profligé (b) & succombé & par voyle marine fera
ses extensions à la Trinacrie (c) Adriatique par Mirmidons (d) & Germaniques
du tout succombé, & sera la secte Barbarique du tout des Latins grandement
affligee & deschasee.
(a) Lat. Pannonia war eine römische Provinz zwischen Ostalpen, Donau und Save.
(b) Lat. v. profligare niederschlagen, überwältigen, vernichten, stürzen
(c) Lat. Trinacria Sizilien
(d) Myrmidones hießen die Gefolgsleute Achills, eines griechischen Kriegshelden
Danach wird die unfruchtbare Dame, von viel größerer Macht als die zweite, von zwei
Völkern aufgenommen werden: Von einem ersten, widerspenstig durch jenen, der
Macht über alle gehabt hat, (und) von einem zweiten und dritten (Volk), das seine Macht
ausdehnen wird zum östlichen Umkreis Europas hin, (der) bei den Pannoniern nieder-
geschlagen und unterworfen (wird). Und mit seinen Seestreitkräften wird es sich
ausbreiten bis zum östlichen Sizilien, durch Myrmidonen und germanische (Truppen)
gänzlich unterworfen. Und vollends wird die barbarische Sekte von den Lateinern
niedergeworfen und verjagt werden.
Anmerkung 1 [Zweite Dame/ Unfruchtbare Dame …] Mit der >Unfruchtbarkeit< meint N.
das unchristliche Wesen der Anhängerschaft des >neuen Heiligen<, 10/30 [X], welches
verhindert, dass christlich legitimierte Herrscher >empfangen< werden und ihren Platz
einnehmen, VH (12). Diese >Dame< wird „aufgenommen“ von europäischen Völkern,
d.h. die Anhänger des zur höchster religiöser Autorität aufgestiegenen Charismatikers
werden geschätzt, und die betreffenden Völker werden so selbst zu dessen Anhängern.
Aus dem Stamm der Synagoge, d.h. aus dem jüdischen Volk als der >ersten<, von Gott
erwählten >Dame< ist (geistig) die Christenheit als >zweite Dame< hervorgegangen.
Aus dem gleichen Stamm wie das Christentum werde die >unfruchtbare Dame< hervor-
gehen, denn auch sie fängt an als jüdische Sekte, 6/18 Vz 3 [III]; doch werde ihr mehr
Macht zuwachsen, als sie christliche Kirchen jemals besaßen.
Anmerkung 2 [… von drei Völkern aufgenommen] Die >heidnische Sekte der neuen
Ungläubigen< werde in Römerland, Germanien und Spanien aufgenommen werden,
VH (15), die demnach mit den drei Völkern gemeint sein dürften. Italien sei „widerspenstig“,
d.h. gegen die christliche Religion eingestellt „durch jenen, der Macht über alle gehabt hat“ -
eine bemerkenswerte Einschätzung des Papsttums von einem kirchentreuen Katholiken.
Die erwähnten kriegerischen Ereignisse sind zu undeutlich geschildert, als dass man
damit etwas anfangen könnte.
VH (17) = Vorrede an Heinrich II., Abschnitt (17)
Text Puis le grand empyre de l‘ Antechrist commencera dans la Atila & Zerses descendre
en nombre grand & innumerable, tellement que la venue du sainct Esprit procedant
du 48. degrez fera telle transmigration (a), deschassant à l‘ abomination de l‘ Antechrist,
faisant guerre contre le royal qui sera le grâd Vicaire de Iesus Christ, & contre son
Eglise, & son regne per tempus, et in occasione temporis,
(a) N.f. transmigration > lat. n.f. transmigratio Auswanderung, Wegzug
Dann wird das große Imperium des Antechristen [1] im (Gebiet des) Attila und Xerxes [3]
beginnen einzufallen in riesiger Zahl, so dass die Ankunft des heiligen Geistes,
vom 48. Grad aus vorankommend [3], eine Wanderung auslösen wird (und die Menschen)
wegtreibt von den Gräueln des Antechristen.
Der führt Krieg gegen den Königlichen [1], welcher der große Stellvertreter Christi
sein wird [2], und gegen seine Kirche und seine Herrschaft, wenn die Zeit und die
Gunst der Stunde es zulassen.
Anmerkung 1 [Antechrist gegen den Königlichen] Der angesagte Weltherrscher, 1/4 [VIII],
heißt hier „Antechrist“ - es ist in der Zählung des Nostradamus der dritte Antichrist nach
Napoleon und Hitler, s. Glossar unter -> Antechrist. Nachdem die vom globalen Regime
aufgehetzten Menschen sich massenweise in Richtung Europa in Bewegung gesetzt haben,
wird der Krieg um die Freiheit des Kontinents von dem späteren Heinrich V., dem Mann
aus dem lange unfruchtbaren Stamm, VH (12) und (20), und seinen Verbündeten geführt,
6/24 [XIII]. Die Bezeichnung „Königlicher“ verdeutlicht, dass der Gemeinte ein persönliches
Format erkennen lässt, in dem sich natürliche Eignung mit Berufung glückhaft verbindet.
Er ist einer der aus VH (12) bekannten „drei Brüder“, die sich gegen den „Antechrist“
verbünden, 1/99 [XIV]. Er wird am Ende zum „christlichen König der Welt“, 4/77 [XIV],
unter dessen Schutz sich Christen werden stellen können, VH (23). Unter ihm können
sich die Menschen an der (geistigen) Herrschaft Christi erfreuen.
Anmerkung 2 [Stellvertreter Christi] Als >Stellvertreter Christi< mit einem Alleinrecht an
ihrem Stellvertretertum wollten sich seit dem Mittelalter die Päpste verstanden wissen.
Demnach wäre es nicht nur weltliche Macht, sondern auch höchste geistliche Autorität,
die der „Königliche“ auf sich vereinigen wird. Dem widerspricht aber die Angabe in Vers
5/75 Vz 4 [XV], wonach der später Heinrich V. den Bereich der Religion frei lässt, d.h.
keine Vorgaben bezüglich Liturgie und Dogma macht.
Dass der christliche Kaiser der Gegner des endzeitlichen Antichristen sei, war im Mittel-
alter eine geläufige Vorstellung. Zum Konzept des sakral begründeten Kaisertums (der
Karolinger und Ottonen) gehörte es, dass der Kaiser i n w e l t l i c h e r H i n s i c h t
zum Diener und Stellvertreter (minister et vicarius) Christi bestellt sei. Dem Kaiser war
aufgegeben, draußen in der Welt die Christen und ihre Kirche vor Feinden zu schützen,
während die Bischöfe, gewissermaßen als Innenminister Christi, als Hirten und Lenker
der Seelen eingesetzt waren.
Anmerkung 3 [Attila und Xerxes] Der Hunnenkönig Attila beherrschte im 5. Jahrhundert
nach Christus ein weitläufiges Reich, das sich von Asien bis Europa erstreckte.
Xerxes war ein König der Perser im 5. Jahrhundert vor Christus. Ein Machtzentrum
des Weltherrschers werde sich in A r m e n i e n befinden, geben die Verse 4/95 [VII]
und 5/50 Vz 4 zu erkennen. Von A s i e n her werde ein „Großer“ kommen, die Christen
zu verfolgen, 6/80 Vz 3/4 [IX].
Der Heilige Geist weht sicherlich, wo er will, und auch die himmlischen Heerscharen
werden keine irdischen Aufmarschgebiete benötigen. Wenn der Heilige Geist am 48.
Breitengrad an- und von da vorankommt, kann nur eine irdische Macht gemeint sein,
die der Seher als vom Himmel gesandt erkennt. Den späteren Heinrich V. erkennt N
als vom Himmel gesandt, 10/72 [XIV]; sein Geburtsort liegt bei 47,6° nördlicher Breite,
also in der Nähe des 48. Breitengrades, 10/44 [XIII].
VH (18) = Vorrede an Heinrich II., Abschnitt (18)
Text & precedera deuant une eclipse solaire le plus obscure, & le plus tenebreux,
que soit esté depuis la creation du monde iusques à la mort & passion
de Iesus Christ, & de là iusques icy, & sera au moys d’ Octobre que quelque
grande translation (a) sera faite, & telle que l’ on cuydera la pesanteur de la
terre auoir perdu son naturel mouuement, & estre abismee en perpetuelles tenebres.
(a) N.f. translation Übertragung, Überführung, Verschiebung > lat. n.f. translatio Übertragung, Versetzung, Verlegung
Und vorausgehen wird eine Verfinsterung der Sonne, die finsterste und dunkelste,
die es gegeben hat, seit der Erschaffung der Welt bis zum Tod und Leiden Jesu Christi,
und von da bis heute. Und es wird im Monat Oktober sein, dass eine große Versetzung
geschehen wird derart, dass man meinen wird, die Schwere der Erde habe ihre natürliche
Bewegung verloren, und die Erde sei gestürzt in den Abgrund ewiger Finsternis.
Anmerkung 1 [Monat Oktober] Am Beginn von Abschnitt (18) bricht die Erzählung offen ab
und holt erneut zu einer >Rückblende< aus. Das gemeinte Verfinsterung wird der soeben
in Abschnitt (17) behandelten Auseinandersetzung zwischen dem globalen Regime und dem
späteren Heinrich V. v o r a u s gehen (precedera) und n a c h den Erschütterungen der
Erde im Frühling eintreten, von denen der folgende Abschnitt (19) handelt. –
Zu der Monatsangabe muss man wissen, dass N. noch mit dem julianischen Kalender
rechnete, VH (33), zu dessen Datierungen man 10 Tage hinzurechnen muss, um sich im
aktuellen (gregorianischen) Kalender zu bewegen; es kann also auch November werden.
Anmerkung 2 [Verfinsterung der Sonne] Die gemeinte Verfinsterung hält N. wegen ihrer
Begleitumstände für bemerkenswert. Eine normale Sonnenfinsternis durch den zwischen
Erde und Sonne tretenden Mond ist damit ausgeschlossen. Wie es scheint, ist dann das
Drehmoment des Planeten gestört und kann infolgedessen die Sonne nur noch einen
niedrigen Stand am Horizont erreichen oder gar nicht mehr aufgehen. Sie werde dann
„ihre matten Tage nehmen“, 1/48 [II]. Ursache des Geschehens scheint ein irregulärer
Himmelskörper zu sein, der in die Nähe des Planeten Erde kommt, 2/41 [II].
Anmerkung 3 [Große Versetzung] Mit der „großen Versetzung“ ist zunächst der Vorgang
des Versetzens, d.h. die Störung der Drehung und Achsenneigung der Erde gemeint;
zweitens ist damit benannt, was von dem Vorgang zurückbleibt, nämlich eine dauerhafte
„Versetzung“ der Erde. Es scheint, dass es eine dauerhafte Änderung der Erdachsen-
neigung gegen die Erdbahnebene (Ekliptik) geben wird, welche sich als Verschiebung
des Fixsternhimmels bemerkbar macht, 3/46 [II]. Dieser „Umsturz“ werde bis zum
Beginn des >achten Jahrtausends< dauern, d.h. bis zum Ende der alten Erde, VH (6).
VH (19) = Vorrede an Heinrich II., Abschnitt (19)
Text seront precedans au temps vernal, & s‘ ensuyvant apres extremes changemens,
permutations de regnes, par grands tremblemens de terre, auec pullulation
de la neufue Babylonne fille miserable augmentee par l‘ abomination du premier
holocauste (a), & tiendra tant seulement que septante trois ans, sept mois,
(a) N.m. holocaust 1. Brandopfer (von Tieren) 2. Blutbad, Massaker 3. die Massenvernichtung der Juden während des Dritten Reiches
Zur Frühlingszeit vorausgehen und darauf folgen werden extreme Veränderungen,
Umwandlungen von Reichen durch große Erschütterungen der Erde [3],
mit dem Um-Sich-Greifen [2] des neuen Babylon, der elenden Tochter, groß geworden
durch den Gräuel des ersten Holokaustes. Und es wird sich keinesfalls länger halten
als dreiundsiebzig Jahre und sieben Monate [1].
Anmerkung 1 [Neues Babylon, groß geworden durch ersten Holocaust] >Babylon< ist im
NT ein Deckname für die römische Weltmacht und wird von N. im erweiterten Sinn als Name
für einen mit überlegener Macht ausgestatteten >Ort des Unglaubens< verwendet, 8/96 (Kap.39) -
für den Katholiken N. ein Ort, an dem Mächte herrschen, die dem in Christus offen
bar gewordenen Gott nicht huldigen. Das >neue Babylon< steht hier für den kommunistischen
Machtbereich, und die >elende Tochter< ist das Volk, das diesen >Unglauben< angenommen
hat bzw. dem er aufgezwungen wurde. Denn so gedeutet, passen die beiden Angaben zu
seiner Entstehung und zu seinem Ende. „Groß geworden“ ist dieses >Babylon< „während
des ersten Holocaust“, d.h. während des ersten Weltkrieges. Die russische Revolution
findet im November 1917 in St. Petersburg statt. Das kurze bürgerlich-demokratische
Intermezzo nach der Abdankung des Zaren im März 1917 endet am 21. Januar 1918, als
die Bolschewiken, die bei den Wahlen nach der Revolution nur ein Viertel der Stimmen
erhalten haben, das verfassunggebende Parlament auseinandertreiben und danach ihre
Diktatur errichten. Dort einsetzend, sind es „dreiundsiebzig Jahre und sieben Monate“
bis zum 20. August 1991, als ein fehlgeschlagener Putschversuch der schon lange
maroden Sowjet-Union den Todesstoß versetzt.
Anmerkung 2 [Um-Sich-Greifen des neuen Babylon] Im Zuge „extremer Veränderungen“
sowie „großer Erschütterungen der Erde“ werde sich das neue Babylon vermehren, heißt es.
Das Wort pullulation bedeutet Gewimmel, Vermehrung, von lat. pullulare Junge kriegen,
wimmeln, sich vermehren, um sich greifen. Es scheint hier einen Widerspruch zu geben:
Wie kann das >neue Babylon<, d.h. der ehemals kommunistische Machtbereich um sich
greifen, sich vermehren, nachdem dieser Ort gottfeindlicher Mächte als solcher sich
schon aufgelöst hat ? Diesen Widerspruch zu lösen, gibt es mehrere Möglichkeiten:
1) Nachdem die angegebene Lebensfrist des >neuen Babylon< abgelaufen ist, kann
Entwarnung gegeben werden, und mit dem Um-Sich-Greifen hat N. sich vertan;
2) >Babylon< ist nach dem Ablauf der Frist nur scheintot, es wird wiederbelebt,
d.h. der Kommunismus wird restauriert und breitet sich aus;
3) Der Kommunismus wird nicht wiederbelebt, aber der Versuch unternommen,
den alten von Russland dominierten Machtbereich zurück zu erobern.
Das >Junge-Kriegen< kann im gegebenen Zusammenhang ein Bild sein für die Vermehrung
unabhängiger Staaten durch den Zerfall der alten Zentralmacht. Die Satellitenstaaten der
Sowjet-Union werden 1991 aus dem Zwangspakt mit Russland entlassen. Ein Fortschreiten
des Zerfalls darüber hinaus ist möglich; der aus dem Ruder laufende Versuch, ihn zu
verhindern, könnte mit dem Um-Sich-Greifen gemeint sein.
Anmerkung 3 [Frühlingszeit] Mit den >Erschütterungen der Erde<, die das Um-Sich-Greifen
des >neuen Babylon< bringt, können kriegerische Ereignisse gemeint sein (-> terre.)
Es scheint, dass diese Ereignisse im Frühling jenes Jahres eintreten, das dann im Oktober
die außerordentliche Verfinsterung der Sonne sowie die „große Versetzung“ bringt, von
denen zuvor in VH (18) die Rede ist.
VH (20) = Vorrede an Heinrich II., Abschnitt (20)
Text puis apres en sortira du tige (a) celle qui auoit demeuré tant long temps sterille
procedant du cinquantiesme degré (b) qui renouvellera toute l’ eglise Chrestienne.
Et sera faicte grande paix vnion & concorde entre vng des enfans des frons esgarez
& separez par diuers regnes, & sera faicte telle paix que demeurera attaché au plus
profond baratre (c) le suscitateur & promoteur de la martielle faction par la diuersité
des religieux, & sera uny le Royaume du Rabieux (d), qui contrefera le sage.
(a) N.f. tige Stiel, Stamm, Ahne; de la tige wäre korrektes Französisch.
(b) Mit dem „50. Grad“ ist der Breitengrad gemeint, vgl. oben (15) und (17).
(c) N.m. barathre Schindanger, griech. barathron Schlund, Kluft, Abgrund.
(d) Rabieux ist gebildet nach dem lat. adj. rabiosus tollwütig, vgl. 4/56 [XI].
Darauf wird aus jenem Stamm, der so lange Zeit unfruchtbar geblieben ist, ausgehend
vom fünfzigsten Grad, jener Mann hervorgehen [3], der die ganze christliche Kirche
erneuern wird [3]. Und es wird ein großer Friede [3], Einheit und Eintracht entstehen
zwischen einigen Kindern, die durch Fronten verstört und getrennt waren unter
verschiedenen Herrschaften. Und es wird ein Frieden geschlossen werden solcher Art,
dass im tiefsten Abgrund festgebunden bleiben wird der Anstifter und Förderer [3] der
kriegerischen Umtriebe, (die) aufgrund der Verschiedenartigkeit der Glaubensrichtungen
(entstehen) [2]. Und es wird geeint werden das Königreich des Tollwütigen, der den
Weisen nachäfft [1].
Anmerkung 1 [Tollwütiger, der den Weisen nachäfft] Wieder springt N. in die Zeit nach dem
Kataklysmus. Der dann auf den Plan tretende vermeintlich >wiedergekommene Heiland<
heißt hier „Tollwütiger, der den Weisen spielen wird“ (Rabieux qui contrefera le sage).
Mit seinen außerordentlichen Begabungen wird er sich als „Haupt der Weisheit“ ausgeben
lassen, 5/31 [III], als den >größten Philosophen, der jemals lebte<. Das Verbum contrefaire
bedeutet „spielen“ auch im Sinne von „betrügerisch vormachen“ oder „nachäffen“.
Das bezieht sich auf die alte Allegorie, der zufolge >Christus der wahre Salomo<, Heiland
u n d größter Weisheitslehrer der Menschen ist. I h n also, s e i n e Weisheit wird der
>Tollwütige< nachäffen und den Eindruck erwecken, Christus spreche durch ihn, 4/24 [III].
Doch werden er und seine Krankheit an seiner >tollwütigen Sprache<, 4/56 [XI], erkennbar
werden, der jeder echte Jenseitsbezug fehlt. Ihr wird das >Wasser< fehlen, 5/36 [X],
das der an Tollwut Erkrankte scheut - das >lebendige Wasser< als Sinnbild für den
in der Sprache der Evangelien sich äußernden Heiligen Geist, der im Herzen derer,
die ihr Leben danach einrichten, lebendig wird, Johannes Kapitel 4 Vers 7 bis 15.
Anmerkung 2 [Glaubenskriege] Es werde noch einmal „kriegerische Umtriebe aufgrund
der Verschiedenartigkeit der Glaubensrichtungen“ geben. Gemeint ist die Zeit, da das
globale Regime der >Weltfriedensordnung< offen totalitär wird und seine >neue Religion< [X]
überall durchsetzen will. Dass es noch einmal zu Verfolgungen und kriegerischen Umtrieben
kommen werde, die sich an dem entzünden, was Menschen glauben, mag bei dem heute
erreichten Ausmaß der Verweltlichung, und zumal nach dem sang- und klanglosen Ende
des Kommunismus abwegig klingen. Aber das ist eine, wenn nicht die wichtigste Botschaft
des provenzalischen Sehers.
Anmerkung 3 [Anstifter gebunden/ Mann aus unfruchtbarem Stamm/ Erneuerung der Kirche]
Mit dem Anstifter der Glaubenskriege ist der Gegner Gottes selbst gemeint, der durch den
vermeintlich Weisen machtvoll wirken kann; erst auf der Neuen Erde ist er dann „im tiefsten
Abgrund angebunden“, was aus der Offenbarung des Johannes Kapitel 20 Vers 3 bekannt ist.
Der lange unfruchtbare Stamm ist hier wie oben in Abschnitt (12) die europäische Christenheit
im Allgemeinen und das „Geblüt von Bourbon“, Sechszeiler 4, im Besonderen, aus dem der
spätere Heinrich V. hervorgeht. Unter seinen Schutz werden sich die Christen Europas
am Ende stellen können, VH (23). Die „Kinder, die durch Fronten verstört und getrennt waren
durch verschiedene Herrschaften“, sind die nach seinem Sieg unter der Oberhoheit Heinrichs
stehenden Völker Europas. Das „Reich des Tollwütigen“, das dann „geeint“ sein wird,
ist die ganze Welt, 1/4 [VIII]. Von der Erneuerung der Kirche auf der neuen Erde handeln
u.a. die Verse 5/79 [XIV] und 10/89 [XV].
VH (21) = Vorrede an Heinrich II., Abschnitt (21)
Text Et les contrees, villes, citez, regnes & prouinces qui auront delaissé
les premieres voyes pour se deliurer se captiuant plus profondement
seront secrettement faschez de leur liberté, & parfaicte religion perdue,
commenceront de frapper dans la partie gauche pour retourner à la dextre,
& remettant la sainteté profligée de long têps auec pristine (a) escrit.
(a) Lat. Adj. pristinus vormalig, früher
Und die Gegenden, Dörfer, Städte, Reiche und Provinzen, welche die ersten Wege
verlassen haben werden, um sich zu befreien, sich (dadurch) viel tiefer verfangend,
werden insgeheim unzufrieden sein mit ihrer Freiheit [1]. Erst wenn die ganze
Religion verloren ist, werden sie anfangen, auf die linke Partei einzuschlagen,
um zurückzukehren zur rechten Partei [2], indem sie das Geheiligte, seit langem
Verfolgte wiederaufrichten mit seiner alten Schrift.
Anmerkung 1 [Freiheit] Aus seiner Adlerperspektive holt N. erneut aus, beschreibt
das >Abfallen< der Völker vom >rechten Weg< und die Rückkehr zu ihm. Mit dem
>Verlassen der ersten Wege< meint er die Vertreibung der Könige aus der Herrschaft,
durch die die Völker gewissermaßen >vom Königsweg abgewichen< seien und sich
auf Um- und Abwege begeben hätten. Dem liegt die alte Auffassung von der Freiheit
zugrunde, der zufolge diese darin besteht, dass sich Menschen wie Völker in ihre
Bestimmung fügen oder gegen diese auflehnen können. Den Völkern teilt sich ihre
Bestimmung durch ihre Könige mit, denen wiederum auferlegt ist, ihren Völkern zu
dienen, indem sie die christliche Religion beschützen und äußere Feinde abwehren.
N. erkennt, dass die Völker Europas sich gegen ihre Herrscher auflehnen und sie
stürzen werden, „um sich zu befreien“. Dabei folgen sie einer ganz anderen Auffassung
von Freiheit, die er schlicht eine „Scheinfreiheit“ (liberté faincte) nennt, 6/22 (Kap.30).
Dem aufklärerischen Begriff von Freiheit zufolge steht der Mensch nicht von Natur aus
in der Freiheit, sondern wird in die Unfreiheit hineingeboren, nämlich in Unwissenheit,
vielfältige natürliche Notwendigkeiten und soziale Abhängigkeiten. Frei wird er erst in
dem Maße, wie er natürliche und soziale Gesetzmäßigkeiten erkennt und seine Kennt-
nisse dafür nutzt, das Leben nach seinen Wünschen zu gestalten. Diesem subjektiven
Freiheitsbegriff zufolge muss die Freiheit in der Welt erst erworben, auch erkämpft
werden und ist an dem Maß zu erkennen, in dem das Subjekt seine Talente entfalten
und seine Wünsche verwirklichen kann. Der alte (objektive) Freiheitsbegriff setzt die
Freiheit des Menschen unabhängig von den Lebensbedingungen voraus und erkennt
sie an dem Verhältnis, das er zu seiner Bestimmung, also letztlich zu Gott hat.
Anmerkung 2 [Linke und rechte Partei] Die „linke Partei“ wird mit dem Verlust der Religion,
und die „rechte Partei“ mit der Wiederaufrichtung der Religion in Verbindung gebracht.
Das entspricht im Groben den politischen Begriffen von links und rechts, wie sie nach der
französischen Revolution aus der parlamentarischen Sitzordnung entstanden sind und kann
als erfüllte Vorhersage eingestuft werden. Die Religion werde gänzlich verlorengehen,
und erst dann werde es eine geistige Strömung geben, die in einer so verstandenen Freiheit
auch den Verlust erkennt und Unzufriedenheit artikuliert, allerdings nur „insgeheim“;
insgeheim wohl deshalb, weil das aufklärerische Verständnis von Freiheit noch weithin die
öffentliche Meinung beherrscht. Was der Grund dafür ist und wer die Schuld daran trägt,
dass die Religion und das Reich des Geistes mit Unfreiheit assoziiert werden, statt als
das Reich der Freiheit erkannt zu werden, verdeutlicht N. nur selten, 8/71 (Kap.7).
Ist nun die angesagte „Rückkehr zur rechten Partei“ schon eingetreten ? Den Sturz des
>Neuen Babylon<, VH (19), d.h. das Ende des Kommunismus in Osteuropa kann man
als Schritt auf dem Weg zur Wiederaufrichtung der Religion bewerten. Doch im Großen
und Ganzen ist diese Vorhersage noch nicht eingetroffen. Die Zerstörung der Welt durch
den heidnischen Kult der Wissenschaft wird immer rasanter, und man fragt sich, wodurch
das aufgehalten und die angesagte Wiederaufrichtung der Religion erwirkt werden könnte.
VH (22) = Vorrede an Heinrich II., Abschnitt (22)
Text qu‘ apres le grâd chien sortira le plus gros mastin, qui fera destruction de tout,
mesmes de ce qu’ au parauant sera esté perpetré, seront redresses les temples (a)
comme au premier temps, & sera restitué le clerc à son pristine estat,
& commêcera à meretricquer & luxurier (b), faire & commettre mille forfaicts.
Et estant proche d’ vne autre desolation (c), par lors qu’ elle sera à sa
plus haute & sublime dignité,
(a) Zu den Tempeln s. das Glossar unter -> temple.
(b) Lat. n.f. meretrix Hetäre, Prostituierte; davon ist das Verbum meretricquer gebildet. Lat. v. luxuriare üppig sein, strotzen.
(c) Mittelfrz. n.f. désolation Verwüstung; Betrübnis > lat. v. desolare verlassen
Und nach dem großen Hund [1] wird hervorkommen der größte Hund [2],
der alles und sogar das zerstört, was vorher schon zugrundegerichtet ist.
Es werden die Kirchen wieder aufgerichtet werden wie in der ersten Zeit,
und der Kleriker wird zurückversetzt werden in seinen früheren Stand [1]
und wird wieder beginnen zu huren und zu prunken [3], tausend Schandtaten
zu begehen und begehen zu lassen. So wird (die Kirche) einer erneuten Ver-
lassenheit nahe sein, wenn sie in höchstem und erhabenstem Ansehen steht [1].
Anmerkung 1 [Großer Hund/ Kirchen wieder aufgerichtet] Der Seher nennt hier den
Himmelskörper, der Kurs Richtung Erde nimmt, einen >großen Hund<, ähnlich wie in
2/41 [II], wo er als großer Hund (gros mastin) bezeichnet wird. Es ist damit dessen
Erscheinen im Sternbild Orion angedeutet, 6/35 [II], eines mythischen Jägers.
Dieser >Hund< dient dem >Jäger< (oder den Jägern) bei der Jagd auf die Seelen der
Menschen, offenbar mit manchem Erfolg. Durch Krieg und Kataklysmus könnte der
Glaube an Wissenschaft und Fortschritt schwer erschüttert werden. Wenn danach
die Kirchen „wieder aufgerichtet“ werden und in „höchstem Ansehen“ stehen, wird
demnach in der Religion wieder vermehrt Orientierung gesucht und gefunden.
Anmerkung 2 [Größter Hund/ erneute Verlassenheit der Kirchen] Der „größten Hund“,
der auf Seelenfang ausgeht, ist der Weltherrscher, den es nach dem Kataklysmus
geben wird [Vorschau VIII]. Er wird - etwa neun Jahre nach seinem Antritt der Herrschaft -
die Spur des >Blutes des alten Götter< aufnehmen, nach dem es ihn dürstet, 2/9 [VIII].
Durch ihn kommt es zu einer erneuten „Trübsal“ und „Verlassenheit“ der Kirchen.
Schon seit Jahrhunderten hat die geistige Anziehungskraft der Kirchen abgenommen,
und haben sie ihre die Gesellschaft prägende Kraft verloren. Erst der Weltherrscher
wird dann zu dem „Einen“, der die Welt über alles bisher Dagewesene hinaus zerstört,
9/51 Vz 4, indem er die alten Glaubensinhalte radikal verbietet, 10/65 [XI].
Anmerkung 3 [Huren und prunken] Als Grund für die erneute Trübsal der Kirchen wird
angegeben, dass „der Kleriker“, d.h. der Papst, „hurt“ und „prunkt“ sowie „Schandtaten
begeht und begehen lässt“. Sittliche Verfehlungen oder das Gepränge des Ritus sind
damit nicht gemeint. An anderer Stelle hat N. den wahren Grund des erneuten Nieder-
gangs benannt, nämlich das verderbliche Bündnis der Kirche mit den Mächtigen,
das sie, vermeintlich um ihrer Erhaltung willen, einzugehen bereit sein wird, VH (14),
wie sie es seit den Zeiten des Kaisers Konstantin praktiziert. Im Bild des >Hurens<,
das den Tatbestand des >Ehebruchs< erfüllt, VH (25), ist das >Fremdgehen mit den
Mächtigen< und damit auch der Abfall von Gott enthalten, welcher als >Bräutigam<
der >Mutter Kirche< nach deren Selbstverständnis die >Ehe< mit ihr geschlossen hat.
Im Bild des >Prunkens< sind weltliches Ansehen und irdische Machtentfaltung erfasst,
in deren Genuss die Kirche durch ihren Anschluss an die Mächtigen kommt.
Schandtaten schließlich wurden im Namen der Kirche meist an >Ketzern< begangen,
die beim >Huren< und >Prunken< nicht mittun wollten.