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        Kapitel 38  Der Ausgang des zweiten Weltkriegs

Am Ende des Krieges rückt Deutschland als Hauptfeind in den

Mittelpunkt.  N. hat nicht nur Truppenbewegungen und Front-

verläufe, sondern auch die Strategiediskussion wahrgenommen,

die von der Anti-Hitler-Koalition auf mehreren Konferenzen

geführt wird.  In Casablanca treffen sich die West-Alliierten

Anfang 1943; die „Großen Drei“ verhandeln dann im November

1943 in Teheran und im Februar 1945 auf der Krimkonferenz in

Jalta.  Das Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 ist ein

Versuch, den Krieg vorzeitig zu beenden, und gehört daher auch

in dieses Kapitel.

 

          Auszug aus dem historischen Inhaltsverzeichnis

          04/59   Den Völkern wird von Iran her der Weg gewiesen (November 1943)

          01/31   Die „Großen Drei“ - von Teheran bis Jalta

          09/76   Das Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944

          02/82   Der Wolf entkommt seiner Beute nicht

          03/33   Nochmals: Hitler als Wolf

          02/55   Russland leistet einen entscheidenden Beitrag zum Sieg über Deutschland

          05/94   Frankreichfeldzug, Bruch des Hitler-Stalin-Pakts, Stalins Sieg

          Exkurs (12) Göttliche Gerechtigkeit als prophetisches Schema

          03/11   Waffen am Himmel über Berlin

          03/01   Kriegseintritt der USA nach Pearl Harbor

          Exkurs (13) Zum räumlichen Geltungsbereich der Centurien

 

        Den Völkern wird von Iran her der Weg gewiesen (November 1943)

 

04/59    Deux assiegez en ardente fureur,/

De soif estaincts pour deux plaines tasses:/

Le fort lime. & vn vieillart resveur,/

Aux Geneuois de Nira monstra trasse. (1568)

 

Zwei Belagerte (sind) voll brennender Glut/

des Durstes, gelöscht mit zwei vollen Tassen./

Der Starke (wird) verschlissen, und ein Greis (ist ein) Träumer.

Den Genfern wird (man) von Iran her (den) Weg weisen.

 

1) N.m. ferveur Glut, Feuer (von einem Gefühl gesagt)

2) Wendungen la grande tasse das Meer, boire à la grande tasse  ertrinken

Zum Durst s. das Glossar unter -> soif.

3) N.m. fort 1. Starker 2 . Stärke. 3. Festung.  V. limer abfeilen, polieren,

mittelfrz. auch: verbrauchen, verschleißen (user)

N.m. rêveur Träumer, mittelfrz. resveur Vagabund, Herumtreiber, aber in

der Bedeutung „Träumer“ schon um 1600 nachgewiesen (großer Larousse).

 

 

In ausgiebiger, aber nachvollziehbarer Bildersprache beschreibt N. hier die Endphase des zweiten

Weltkrieges, nicht ohne am Schluss ein deutliches >Detail< einzuflechten.

Vz 1 [Zwei Belagerte …]  Die deutsche Propaganda hat Europa zur >Festung< erklärt.  Diese

>Festung< zu belagern und zu erstürmen, haben sich die Alliierten zum Ziel gesetzt.  Die Achsen-

mächte Deutschland und Italien sind bis Anfang September 1943 Kriegsverbündete, es sind also 

z w e i  Belagerte.

Vz 1/2 [… voll brennender Glut des Durstes]  Hitler hat mit seinem Krieg einen >Brand< entfacht,

der ganz Europa erfasst.  Ihn zu löschen, treten die Alliierten an.  Die >Glut< dieses Krieges gleicht

einem >brennenden Durst<, d.h. sie fordert dazu heraus, gelöscht zu werden, indem man Brand

und Brandstifter bekämpft.

Vz 2 [… gelöscht mit zwei vollen Tassen]  Der Brand des Krieges wird mit >zwei vollen Tassen<

gelöscht.  Die >große Tasse< als salopper Ausdruck für das Meer ist dem Franzosen geläufig. 

Gemeint sind der Atlantik und das Mittelmeer, wo gewaltige Truppenverbände der Alliierten auf

Schiffen in Wartestellung gehen, um dann in die Festung der Belagerten einzuströmen.  Nach

gründlicher Vorbereitung landen sie im Juli 1943 in Sizilien, im Juni 1944 in der Normandie und

im August 1944 in der Provence.  Die >Tassen< namens Atlantik und Mittelmeer sind >voll<,

weil sie mit Truppen angefüllt sind. 

Vz 3 [Der Starke verschlissen]  Hitler ist der „Starke“, der den Krieg angefangen hat und am

Ende >verschlissen< wird, dem die Weltmacht-Ambitionen und die besetzten Territorien Stück

um Stück wieder >abgeschliffen< werden.

Vz 3 [greiser Träumer]  Der greise Träumer ist der über achtzigjährige Marschall Pétain, der

gehofft hat, er werde Vichy-Frankreich aus dem Krieg heraushalten können, 8/65 (Kap.36) 

-  ein Traum, aus dem er im November 1942 erwacht.

Vz 4 [Iran und die >Genfer<]  Genf ist Sitz des 1919 gegründeten Völkerbunds gewesen, der

den Krieg nicht verhindert hat und 1946 aufgelöst wird.  Nach dem Krieg wird Genf das euro-

päische Zentrum der Vereinten Nationen.  >Genf< steht daher hier für die Völkergemeinschaft. 

Deren Interesse daran, Hitler und seine Verbündeten niederzuringen, nehmen die USA, Groß-

britannien und die Sowjet-Union durch ihre Kriegsteilnahme wahr.  Die Regierungschefs

Roosevelt, Churchill und Stalin treffen sich im November 1943 im Iran.   In Teheran sprechen

die drei obersten Repräsentanten der späteren Siegermächte über die einzuschlagende

Strategie und darüber, welchen Weg die >Genfer< gehen, d.h. wo es nach dem Krieg für die

Völkergemeinschaft >langgehen< solle.  Im Deutungskontext steht demnach „Nira“ für Iran,

getarnt durch Buchstabenvertauschung (Anagramm).

Es wird eingewandt (Pfändler 1999 S. 39), dass es einen Staat namens Iran erst seit 1935

gebe.  Vorher habe das Land Persien geheißen, und daran hätte N. sich halten müssen. 

Aber es gibt keinen Grund dafür anzunehmen, N. habe moderne Namen nicht erkennen

können, s. Exkurs (11).  Der moderne Name des Landes legt vielmehr nahe, dass von

Vorgängen nach 1935 die Rede sein müsste - und genau das ergibt die Deutung des

Verses in der Gesamtschau.

 

 

        Die „Großen Drei“  -  von Teheran bis Jalta

 

01/31    Tant d‘ ans les guerres en Gaule dureront,/

Oultre la course du Castulon monarque,/

Victoire incerte trois grands couronneront/

Aigle, coq, Lune, lyon soleil en marque. (1555)

 

So viele Jahre werden die Kriege in Frankreich andauern,/

über den Lauf des kastilischen Monarchen hinaus./

Sieg (noch) ungewiss, werden sie drei Große krönen,/

Adler, Hahn, Mond, Löwe (u.) Sonne dadurch markierend.

 

2) Mittelfrz. Präp. oultre über (par-dessus), über etw. hinaus (au-dela qch.).

Castulon ist ein abgewandeltes castillan Kastilier, kastilisch, wie in 1/93 (Kap.35).

3)4) Mittelfrz. n.f. marque auch: Grenze (limite). Die unklare Syntax der zweiten

Vershälfte klärt sich, wenn man annimmt, dass en marque den Reim erfüllen

soll und sich dahinter ein verstümmeltes Gerundiv en marquant verbirgt.

4) Zu Adler, Mond, Löwe und Sonne s. das Glossar.

 

 

Vz 2 [Über den Lauf des kastilischen Monarchen hinaus …]  Die spanische Monarchie hat sich bis

1931 erhalten, als König Alphons XIII. sich gezwungen sieht, ins Exil zu gehen.  Der im Jahr 1873

nur kurz unterbrochene „Lauf des kastilischen Monarchen“ ist 1931 zu Ende gegangen.

Vz 1/2 [… Kriege in Frankreich]   Der erste Krieg in Frankreich  n a c h  1931 ist der zweite Welt-

krieg, der daher gemeint ist.  Dass weitere Kriege folgen werden, ist aus dem Vers aber nicht

ableitbar, weil der Plural „Kriege“ auch 1931 bereits vorübergegangene Kriege einschließen kann.

Vz 3 [Sieg ungewiß/ Drei Große …]  Am 11.12.1941, als Hitler den USA den Krieg erklärt, sind

die Vereinigten Staaten zur Anti-Hitler-Koalition gestoßen.  Von da an besteht sie aus drei Haupt-

mächten:  Großbritannien, der Sowjet-Union und den USA.  Im November 1943, als der „Sieg“

noch „ungewiss“, der Krieg noch nicht aus ist, setzen sich die obersten Repräsentanten dieser

Koalition erstmals gemeinsam an einen Tisch.  Seit diesem Treffen in Teheran werden US-Präsi-

dent Roosevelt, der sowjetische Regierungschef Stalin und der britische Premier Churchill von

der angloamerikanischen Presse The Big Three genannt.      Ein weiteres, in dieser Besetzung

letztes Mal treten sie im Februar 1945 in Jalta auf der Krim gemeinsam ins Bild.  N. hat die „drei

Großen“ selbst so wahrgenommen oder die Wahrnehmung der Zeitgenossen (s. das Zitat zu Vers

2/38 in Kap. 40) erfasst und wiedergegeben.

Vz 3 [… werden gekrönt]  Den dreien werden keine Kronen aufgesetzt, aber kraft ihrer Ämter

wachsen ihnen Aufgaben zu, die in früheren Zeiten die Monarchen hatten.   Die „drei Großen“

bestimmen als Entscheidungsträger der Siegermächte über die militärische Strategie ebenso

wie über die Grundlinien der Nachkriegsordnung.

Vz 4 [Adler, Hahn, Mond, Löwe markierend]   Damit ist angedeutet, dass es bei den Dreier-

treffen um die Nachkriegsordnung geht.  Die Machtbereiche müssen „markiert“, d.h. abgegrenzt

werden.  Zu den Markierenden gehört der britische „Löwe“ als Siegermacht.  Eine passive Rolle

spielt der deutsche „Adler“, der ein Imperium hatte gründen wollen.  Seine Außengrenzen, aber

auch die Binnengrenzen der Sektoren stehen zur Disposition.  Dadurch ist auch der gallische

„Hahn“ im Spiel, der einen Sektor im Süden Deutschlands erhält.   Am Rande geht es um die

Einflussbereiche der Sieger in Nordafrika und Arabien, da Stalin hier z.B. Ansprüche auf Libyen

geltend macht.  Also muss auch der „Mond“, der Bereich des Islam, markiert werden. 

Vz 4 [Sonne markierend]  Die Sonne, bei N. Symbol für den Gott, der sich in Christus offenbart

hat, ist jenen Ländern zuzuordnen, in denen die christliche Religion überwiegt.  Die Sowjet-

Union ist für N. das >Neue Babylon<, VH (19), d.h. eine Macht, die das >Gottesvolk<  - für N.

die katholischen Christen -  bedrängt, so wie in vorchristlicher Zeit die Juden von den Babyloniern

und später frühe Christen von den Römern bedrängt worden sind.  Die >Grenzen der Sonne<,

jenes Bereichs, in dem die christliche Religion anschließend ungehindert ausgeübt werden kann,

werden bestimmt, indem die Grenzen des sowjetischen Einflussbereichs festgelegt werden. 

Endgültig geschieht das dann in Potsdam im Sommer 1945. Man mag einwenden, in Jalta,

später in Potsdam sei es nicht um Religion gegangen, die in der Tat nicht Gegenstand der

Verhandlungen war.  Aber Nostradamus verliert nie aus den Augen, wie sich politische Ereig-

nisse auf dem Feld der Religion auswirken.  Dass die Bedingungen für die Religion, soweit

sie durch gemeinschaftliche Ausübung öffentlich in Erscheinung tritt, jenseits des sogenannten

Eisernen Vorhangs andere, deutlich schlechtere sind als im Westen, ist heute eine geschicht-

liche Tatsache.  An unscheinbarer Stelle wird deutlich, dass dem Schicksal der christlichen

Religion des Sehers vorrangiges Interesse gilt.

 

 

        Das Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 

 

09/76    Auec le noir Rapax & sanguinaire,/

Yssu du peaultre de l’ inhumain Neron,/

Emmy deux fleuues main gauche militaire/

Sera meurtry par ioyne chaulueron. (1568)

                   

Überdies wird der finstere Räuber, der blutrünstige,/

hervorgegangen aus dem üblen Bett des unmenschlichen Nero,/ 

inmitten zweier Ströme (mit) linker militärischer Hand/ 

verletzt werden durch einen jungen Hitzkopf.

 

1) Mittelfrz. avec auch: darüber hinaus (en outre). Lat. n.m. rapax Räuber.

Zu schwarz s. das Glossar unter -> noir.

2) Mittelfrz. n.m. peautre schlechtes Bett (mauvais lit)

3) Mittelfrz. Präp. emmi, enmi inmitten von (en milieu de)

Zu Flüssen s. das Glossar unter -> fleuve.

4) Mittelfrz. meurtrir töten (tuer), quetschen (contusionner), verletzen (blesser).

Altfrz. n.m. chalderon, mittelfrz. chauderon Dampfkessel (chaudière).

Die metaphorische Verwendung ist nicht belegt, aber im Kontext

wird klar, dass mit chaulueron eine Person gemeint ist.

 

 

Vz 1 [Räuber] Hitler zielt von Anfang an, nachlesbar in seinem Buch >Mein Kampf< von 1927

(15. Kapitel des zweiten Bandes, S. 742 der Ausgabe in einem Band) auf Landraub im Osten

Europas, speziell in Russland.  Im Unterschied zu anderen Räubern stehen ihm die Ressourcen

eines 75-Millionen-Volks für seine Raubzüge zur Verfügung.

Vz 1 [finster, blutrünstig] Er lässt sich von Hass und Machtgier leiten, ist verfinsterten Geistes

(nicht Verstandes).  Blindlings hat er die Juden für schuld am verlorenen Weltkrieg und an den

Übeln der Moderne erklärt.  Seine Rassenpolemik entmenscht ganze Völker wegen ihres Blutes. 

Aber erst die Radikalität seiner Konsequenz macht ihn „blutrünstig“.

Vz 2 [hervorgegangen aus dem üblen Bett des unmenschlichen Nero]  Der gemeinte Räuber

werde geistig, d.h. seiner Gesinnung nach >von denselben Eltern< sein wie Nero.   Dem antiken

und dem modernen Imperator gemeinsam ist die niedrige Gesinnung, erkennbar daran, dass

beide Unschuldige zu Sündenböcken machen, um mit diesen dann „unmenschlich“ umgehen

zu können.

Vz 3 [inmitten zweier Ströme]  Ein „Angreifer“ werde „in äußerster Not“ sein und ein „Großer

in der Mitte des Drucks nicht entkommen“, heißt es in 2/82 (s.u.).   Dieser Druck wird ausgeübt

durch >zwei Ströme<, die Heere der Westalliierten und der Russen, die den Angreifer in die

Zange nehmen.  Demnach handelt der Vers von der Zeit  n a c h  der Landung in der Normandie

im Juni 1944, denn vorher gibt es nur die von Osten auf Deutschland zuströmenden Truppen,

wenn man von dem italienischen Nebenschauplatz einmal absieht.

Vz 3/ 4 [Junger Hitzkopf/ linke militärische Hand]  Es passt zu dieser Zeit der >zwei Ströme<

(ab Juni 1944), hier das Attentat auf Hitler im Juli 1944 zu erkennen.  Das Verbum meurtrir

bedeutet mittelfrz. ermorden, aber auch verletzen  -  eine sichere Aussage über den Erfolg des

Hitzkopfs ist aus dem Vers also nicht ableitbar.  Claus Graf Schenk von Stauffenberg ist Soldat,

und somit ist der Schlag, den er führt, von „militärischer Hand“ geführt.  Er hat in Tunesien die  

r e c h t e  Hand verloren, deshalb muss er mit „linker“ Hand agieren.  Die Widerständler lassen

einen praktisch Einarmigen das Attentat ausführen  -  ein echtes Detail, gesehen aus einer

Distanz von fast 400 Jahren.

 

        Der Wolf entkommt seiner Beute nicht

 

02/82    Par faim la proye fera loup prisonnier/

L’ assailant lors en extremes detresse./

Le nay aiant au deuant le dernier,/

Le grand n‘ eschappe au milieu de la presse. (1555)

 

Vor Hunger wird die Beute den Wolf zum Gefangenen machen,/

der Angreifer (wird) dann in äußerster Not (sein)./

Der Erschienene, der zuvor der Letzte war,/

der Große entkommt nicht der Mitte des Drucks.

                   

1) Zu Hunger s. das Glossar unter -> faim.

3) Zu den Bedeutungsmöglichkeiten von -> naistre s. Glossar

Mittelfrz. au devant vorher, vordem, zuvor (précédement)

3)4) Da ein Prädikat in der dritten Verszeile fehlt, wird der

„Erschienene“ als ein erstes Subjekt zu n‘ eschappe aufgefasst.

 

 

Vz 1 [Der Wolf als Symbol]  Der Wolf steht nicht für Deutschland, ist nicht Symbol für einen geo-

graphischen Bereich, sondern für einen Herrscher oder ein Land, wenn es sich wie ein Wolf verhält,

so wie der Adler  - das Wappentier des römischen Imperiums -  nicht Napoleon ist, sondern für einen

Herrscher und sein Land steht, wenn es ein Imperium beherrscht oder gründet.  Wölfe müssen in die

abgesteckten Bereiche der Herdentiere eindringen.  Um leben zu können, werden sie zu Grenzver-

letzern, zu Angreifern der friedlichen Herden, die sich dann gegen die Gefahr von außen zusammen-

schließen.  Daher eignet sich der Wolf als Zeichen der Ausgegrenzten oder zu kurz Gekommenen,

die sich ihr Recht mit Gewalt glauben holen zu müssen.

Vz 1 [Hitler als Wolf]  Gemeint ist Hitler und das von ihm geführte Land.  In der Person des (Rudel-)

Führers sind die wölfischen Instinkte der im ersten Weltkrieg unterlegenen Nation an die Macht

gekommen.  Dem Beutetrieb des >Wolfes< Hitler sind die Happen einiger Annexionen nicht genug,

sondern nur die Tilgung der erlittenen Schmach in einem vergleichbaren Beutezug.  Die Charak-

terisierung Hitlers als Wolf bedeutet aber auch, dass genau dies nicht möglich sein würde.  Denn

es ist das Schicksal des Wolfes, als Räuber immer wieder auf den Hass der Herden zu treffen

und aus den Ansiedlungen vertrieben zu werden.  Darauf muss sich ein Volk gefasst machen,

das einen >Wolf< zu seinem Anführer macht.

Vz 2/3 [Angreifer/ der Erschienene zuvor der Letzte] Deutschland ist 1939ff der „Angreifer“, und

es ist daher auch der auf dem Kriegsschauplatz „zuerst Erschienene“.  Zuvor ist es „der Letzte“

gewesen, weil es schon einmal verprügelt und in die Versailler Zwangsjacke gesteckt worden ist.

Vz 1 [Beute macht Wolf zum Gefangenen]  Die „Beute“, auf die es der Wolf hauptsächlich ab-

gesehen hat, ist ein sehr großes Beuteland, nämlich die Sowjet-Union.  Als einziges Beuteland

ist sie in der Lage, den „Angreifer“ in einen Kampf zu verwickeln, aus dem der sich nicht wieder

lösen kann.  Der Wolf hat sich in eine allzu große Beute verbissen und ist in dieser Verstrickung

deren „Gefangener“ geworden.  Und die Beute erweist sich dann selbst als hungrig.

Vz 2/4 [Angreifer in äußerster Not/ entkommt nicht]  Der „Große“, wiederum Hitler und das von

ihm geführte Land, ist schließlich in „äußerster Not“ und entkommt seinem Feind nicht.  Er befindet

sich am Ende  „in der Mitte des Drucks“ von mehreren Seiten, wird durch die alliierten Truppen

>zerquetscht<.

 

 

        Nochmals: Hitler als Wolf

 

03/33    En la cité ou le loup entrera,/

Bien pres de là les ennemis seront:/

Copie estrange grand pais gastera./

Aux murs & Alpes les amis passeront. (1555)

 

In der Stadt, wo der Wolf einziehen wird,/

ganz in der Nähe dieses Ortes werden die Feinde sein./

Fremde Truppen werden ein großes Land verheeren,/

die Freunde werden Mauern und Alpen überqueren.

 

2) Zu Feinden s. das Glossar unter -> ennemi..

3) Lat. n.f.pl. copiae Truppen, Mannschaft.  Mittelfrz. v. gaster

verheeren (ravager), verwüsten (dévaster), zugrunde richten (perdre).

4) Zu Mauern s. das Glossar unter -> mur.

 

 

Vz 1 [Wahrnehmung Hitlers als Wolf]  Das Wölfische in Hitlers Denken und Handeln bleibt den

Zeitgenossen nicht vollständig verborgen, wird aber nicht ernst genommen.  Seine Ideologie, die

mit dem >Kampf ums Dasein< Erkenntnisse der Evolutionsbiologie zum politischen Programm

erhebt, ist für >Raubtiere< konzipiert. Einen der Orte, von dem aus der Raubzug gelenkt wird,

tauft Hitler Wolfsschanze.  Schon zu Zeiten der verhassten Weimarer Demokratie hat der spätere

Diktator gelegentlich den Decknamen eines  „Herrn Wolf“ benutzt, unter dem er z.B. auf dem Ober-

salzberg logiert.  Für die Wagnerenkel in Bayreuth ist er nur der „Onkel Wolf“.  Der Vorname Adolf

leitet sich her vom althochdeutschen adal + wolf, was >edler Wolf< bedeutet.

Vz 1/2 [Stadt, wo der Wolf einziehen wird]  In viele Städte ist Hitler „eingezogen“, z.B. 1938 in

Wien, das ihm einen triumphalen Empfang bereitet.  1939 ist er im okkupierten Prag, 1940 in

Paris.  Es müsste eine Stadt sein, in deren Nähe später, gegen Ende des Krieges, „die Feinde“

mit einem „fremden Heer“ stehen.  Gemeint sind die Sowjets, die auch ihre Steppenvölker,

Kirgisen, Usbeken, Tataren usw. mobilisiert haben.  Sowjetische Truppen stehen im April 1945

vor Berlin und vor Wien, 5/94 (s.u.). 

Vz 4 [Mauern]  Die „Mauern“, die die Armeen der Westalliierten überwinden müssen, um den

Wolf zu erlegen, sind der Atlantikwall sowie der Westwall am Rhein, in Lothringen und den

Ardennen.

Vz 2/4 [Feinde/ Freunde]  Auf Anhieb ist nicht klar, wessen Standpunkt eingenommen wird. 

Die Freunde, die die Alpen überqueren, können nur die amerikanischen und britischen Truppen

sein, die von Italien her nach Österreich vordringen.  Denn das liegt auch im Interesse des

ohnmächtigen Frankreich.  „Die Feinde“ sind zunächst die Feinde des Wolfs, weil sie im selben

Satz wie dieser vorkommen.  Für N. aber ist es das >neue Babylon<, VH (19), das er vordringen

sieht, einen Feind des christlichen Abendlands, also  a u c h  Frankreichs.  Es erweist sich daher,

wenig überraschend, der Blickwinkel Frankreichs als ausschlaggebend für die Frage, wen N.

als Freund oder Feind einstuft.

 

 

        Russland leistet einen entscheidenden Beitrag zum Sieg über Deutschland

 

02/55    Dans le conflit le grand qui peuvalloyt,/

A son dernier fera cas merueilleux:/

Pendant qu’ Hadrie verra ce qu’ il falloyt,/

Dans le banquet pongnale l’ orguilleux. (1555)

 

In dem Krieg wird der Große, der wenig galt,/

zuletzt einen erstaunlichen Ausgang herbeiführen./

Wenn Hadrian sehen wird, dass er scheiterte,/

erdolcht (sich) der Hochmütige beim Festessen.

 

2) Mittelfrz. n.m. cas Ereignis (événement), Umstand (circonstance)

> lat. n.m. casus Fall, Verfall, (zeitliches) Ende, Ausgang.

3) Mittelfrz. v. falloir 1. brauchen, nötig sein. 2.. fehlen, versagen,

fehlschlagen (manquer)

4) Ein Verbum pongnaler gibt und gab es nicht. N.m. poignard Dolch,

v. poignarder  erdolchen. Adj. pongitif stechend.  V. pénaliser bestrafen. 

Mittelfrz. n.m. poignal Faust, Griff eines Schwertes.

 

 

 

 

„Churchill hatte mit aller Welt zwei Fehleinschätzungen geteilt: die Überschätzung

der Luftmacht und die Unterschätzung Rußlands.   Er glaubte, daß die große

Bombenoffensive, die 1943 eingesetzt hatte, Deutschlands Heimatfront zermürben

und kapitulationsreif machen würde, und er glaubte, daß Rußland, trotz seiner

wiederholten Wintererfolge, sich nur eben gerade am Leben halten und in den

Sommerfeldzügen weiterhin alle Hände voll zu tun haben würde, Leningrad,

Moskau und Stalingrad zu verteidigen.“

 

                  Sebastian Haffner, Winston Churchill, Reinbek 1995, S. 144f.

Vz 1 [Großer, der wenig galt …]  Wie um ein solches Urteil zu widerlegen, streut Churchill in seine

mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichneten Erinnerungen („Der zweite Weltkrieg“) des Öfteren

Bemerkungen ein, die belegen sollen, wie oft und wie früh er auf eine verstärkte Einbeziehung der

Sowjet-Union in die Kriegsanstrengungen der Alliierten gedrungen habe.  Doch erst als sich im

November 1943 in Teheran der amerikanische Präsident Roosevelt mit Stalin verbündet, wird der

Beitrag Russlands zum Kampf gegen Hitler realistischer bewertet.  Mit dem „Großen, der wenig galt“,

ist demnach Stalin und die Sowjet-Union gemeint.  Russland war bei Hitlers Überfall im Juni 1941

auf einen Krieg nicht vorbereitet.  1942 noch wird dem Land kaum zugetraut, sich selbst zu vertei-

digen, geschweige denn einen Beitrag zur Niederwerfung Deutschlands leisten zu können.

Vz 2 [… führt erstaunlichen Ausgang herbei]  Es sind russische Truppen, die eine Wende des

Krieges erreichten, noch bevor die Amerikaner massiv eingriffen.  So führen sie einen, an der

anfänglichen Geringschätzung gemessen, „erstaunlichen Ausgang“ herbei.  Zugleich war es ein

„erstaunliches Ereignis“, wie man cas merveilleux auch übersetzen kann, von dem die zweite

Vershälfte handelt.  Denn es sind die Truppen des >wenig geschätzten Großen<, die am Ende

Berlin erobern und den deutschen Diktator in den Tod treiben.

Vz 3/4 [Hadrian gescheitert/ Festessen/ der Hochmütige]  Wegen der Radikalität seines Vor-

gehens gegen die europäischen Juden erhält Hitler den Decknamen jenes römischen Kaisers,

der Jerusalem einst dem Erdboden hat gleich machen lassen, 1/8 (Kap.37).  Einen Tag vor

seinem Selbstmord am 30.4.1945 heiratet der vorzeitig vergreiste >Führer< seine langjährige

Verlobte Eva Braun, und es gibt, inmitten der umkämpften Reichshauptstadt, eine kleine Feier

(banquet) im Bunker der Reichskanzlei.  Bevor die beiden tags darauf Zyankali nehmen, hat

Hitler noch verlauten lassen, das deutsche Volk habe wegen seiner Unterlegenheit und Schwäche

im Kampf sein Existenzrecht verwirkt.  Ein letztes Mal erweist er sich so als „hochmütig“.

Vz 4 [erdolcht]  Erdolcht hat sich Hitler nicht.  Die Stelle ist unklar, weil es ein Verbum  

pongnaler nicht gibt.  Gebildet ist es wohl in Anlehnung an poignarder, das die Einwirkung

von Gewalt durch Schwert oder Dolch bezeichnet.  Auch pénaliser, d.h. bestrafen mit der

Konnotation des Sich-Richtens klingt an.   Hitler beißt auf eine Zyankali-Kapsel und schießt

sich dann gleich noch eine Kugel in den Kopf, um sicher zu gehen.

 

        Frankreichfeldzug, Bruch des Hitler-Stalin-Paktes, Stalins Sieg

 

05/94    Translatera en la grand Germanie./

Brabant & Flâdres, Gand, Bruges, & Bolongne:/

La traifue fainte, le grand duc d‘ Armenie,/

Assaillira Vienne & la Coloigne. (1568)

 

Überführen wird er in das große Germanien/

Brabant und Flandern, Gent, Brügge und Boulogne./

Die geheuchelte Waffenruhe.  Der große Feldherr aus Armenien/ 

wird angreifen Wien und Köln.

 

1) Wortgleich la grand Germanie hat schon 9/90 (Kap.32). An beiden Stellen

ist das Gleiche gemeint, das unter Hitler aufgeblähte deutsche Reich.

3) Zu den Bedeutungsmöglichkeiten von -> Duc  s. das Glossar.

1) bis 4) Das Subjekt des ersten Satzes (Vz 1/2) muss nicht auch das Subjekt

des zweiten Satzes (Vz 3/4) sein, es können verschiedene Personen sein.

 

  

Vz 1 [großes Germanien]  Deutschland nach dem Zusammenbruch der Monarchie und der alten

Feudalstrukturen im Jahr 1918 nennt Nostradamus „Germanien“, um anzudeuten, dass es an-

schließend zu einem zivilisatorischen Rückfall in die Zeit vor der mittelalterlichen Christianisierung

kommen werde, 3/76 (Kap.32).  (Die heutige Geschichtsschreibung und -deutung datiert den Zivili-

sationsbruch nicht auf 1918, sondern auf 1933.)  Seit dem Anschluss Österreichs im März 1938

wird der Terminus „Großdeutsches Reich“ offiziell verwendet, und „Großdeutschland“ wird dann

in der Kriegspropaganda zum festen Begriff.

Vz 2 [Brabant, Flandern]  Die Städte Gent und Brügge liegen in Flandern, Brabant gehört zum

wallonischen Teil Belgiens, Boulogne war eine französische Grafschaft an der Küste des Ärmel-

kanals.  Überführen kann man nur Bewegliches, also bedeutet translater hier das Überführen in

den Machtbereich, nicht notwendig in den Staatsverband, wie Pfändler meint (1996 S. 415). 

Im Westfeldzug wurden die Niederlande und Belgien im Mai 1940 als erste überrannt und dem

Machtbereich der deutschen Militärherrschaft einverleibt.

Vz 3 [geheuchelte Waffenruhe]  Die zweite Vershälfte wendet den Blick nach Osten.  Im August

1939 schließen Hitler und Stalin einen Nicht-Angriffs-Pakt mit einem geheimen Zusatzprotokoll,

in dem die Interessensphären beider Mächte in Osteuropa definiert werden.  Nach dem West-

feldzug hat dann der Vertrag im Juni 1941 schon wieder ausgedient, Hitler hat die Waffenruhe

nur „vorgetäuscht“.  Pfändler (1999 S. 39) wendet ein, dass das Wort trêve für Waffenstillstand

einen bereits ausgebrochenen Krieg voraussetze.  Das trifft zu, aber Deutschland und die Sowjet-

Union sind ideologische Feinde und Konkurrenten im Kampf um die Vorherrschaft in Osteuropa,

mindestens seit 1933.   Dieser  >Krieg<, der diplomatisch geführt wird, kommt im August 1939

auf dem Papier zum Stillstand.  Es ist ein diplomatischer >Waffenstillstand<.

Vz 3/ 4 [Kriegsherr aus Armenien greift an Wien …]  Stalin stammt aus Georgien, das an Arme-

ien grenzt.  Der Name Georgien ist im 16. Jahrhundert nicht geläufig, Armenien dagegen schon,

und dieses umfasste ein größeres Gebiet als heute.  Heute sind Armenien und Georgien, beide

im Transkaukasus, zwei Republiken aus dem Nachlass der Sowjet-Union.  Stalins Truppen sind

es, die im April 1945 unter anderem „Wien“ angreifen.

Vz 4 [… und >Köln<]  Auf Karten des 17. Jahrhunderts sind Cölln und Berlin noch getrennt ver-

zeichnet (Blaeu 1990 S. 50f.), heute ist Neukölln ein Stadtteil Berlins.   N. hat einen alten Namen

gewählt, obwohl es den modernen Namen schon gab, weshalb Pfändler (1996 S. 416) diese

Deutung ablehnt.  Aber N. liebte die Mehrdeutigkeit, weil erst nach den Ereignissen diese in

den Versen wiedererkennbar sein sollten, 3/94 [XV].

N. lässt in 5/94 das Wirken der Gerechtigkeit Gottes durchblicken, der zufolge der Hochmut

vor dem Fall kommt.  Dieses Zwei-Stufen-Schema wird hier dreistufig variiert:   1) triumphaler

Anfangserfolg (Polen- und Frankreichfeldzug 2) Wendepunkt (Bruch des Hitler-Stalin-Paktes)

3) totale Niederlage (Stalins Truppen in Deutschland).

  

         Exkurs (12) Göttliche Gerechtigkeit als prophetisches Schema

„Das Niedrige wird hoch, und das Hohe wird niedrig“, verkündet Ezechiel Kapitel 21,

Vers 31 bündig, und Jesus schlägt in die gleiche Kerbe:  „Wer sich selbst erhöht,

wird erniedrigt, wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht“, Matthäus Kapitel 23 Vers 12. 

Als Beispiel für die göttliche Gerechtigkeit nicht geeignet, nennt doch Vers 10/18

(Kap.6) diese Sentenz wörtlich und bietet so einen Beleg für ihr Wirken bei N.   

E r s t  die Erhöhung des Ungerechten durch den Willen der Menschen,  d a n n   

dessen Erniedrigung durch den Willen Gottes, e r s t  der Erfolg des Verkehrten,

d a n n  dessen Scheitern  -  so vereinfacht N. des Öfteren die Vorgänge und will

gerade durch den Schematismus klar machen, dass er hier ein Gesetz aus dem

Willen Gottes walten sieht.

Nicht nur Personen, auch verkehrte Ideen sieht er aufsteigen und scheitern.

Ihre Träger erfahren erst durch das Scheitern die Verkehrtheit.  „Bevor für lange Zeit

das ganze in Ordnung gebracht wird, „erwarten wir ein ganz verkehrtes Zeitalter“,

2/10 (Kap.15).  Nach der amerikanischen und der französischen Revolution werde

niemand mehr den ihm bestimmten Platz und Rang einnehmen wollen.  Auch an den

Sturz der alten Ordnung im Habsburgerreich 1918 knüpfen manche Völker große

Hoffnungen, aber „das neue Gesetz wird härter sein als Dienst“, weil die Ideologen,

die dann emporkommen, die Völker untereinander und in sich entzweien, 2/90 (Kap.31).

Auch an Personen lässt sich das Schema verfolgen. „Beherztheit, Kraft, Ruhm“

zeichnen Frankreich unter Ludwig XIV. aus, doch nach dessen Tod geht es bergab - 

Nostradamus zufolge, weil die Franzosen sich für die aufgeklärten politischen Ideen

der Briten begeistern, 3/15 (Kap.13).  Später unter Ludwig XVI. kommt „eine gute Zeit,

große königliche Güte“, doch „allzu“ große Güte, 10/43 (Kap.14), die Revolution holt

den Mann aus seiner abgehobenen Welt am Hof und überfordert ihn, er kommt

ums Leben.

Der >Adler< Napoleon verjagt einige andere „Palastvögel“, aber „recht bald danach“

ist „der Fürst vereitelt“, 2/23 (Kap.26).  Als Usurpator des Kaiserthrones, 10/46 (Kap.22),

muss er scheitern.

Unter König Viktor Emanuel III. von Italien steht das Land im ersten Weltkrieg auf der

Siegerseite, „doch dann wird kommen ein grausamer Übeltäter“  -  die Berufung

Mussolinis zum Regierungschef ist der Anfang vom Ende des Königreiches Italien,

8/31 (Kap.37).

Hitler wird „von unten nach oben emporgehoben geschwinde“, aber „binnen kurzem

wird (man) ihn eine verkehrte Bestie nennen“ wegen seiner Verbrechen, 1/12 (Kap.37). 

Wenn diese nach dem Krieg aufgedeckt werden, ist „das goldene Zeitalter tot,

der neue König ein großer Skandal“, sagt Vers 9/17 (Kap.39) lapidar.

Kann in einem schwierigen Fall wie Vers 5/94 gezeigt werden, dass eine Deutung

das prophetische Schema der von Gott gewirkten Gerechtigkeit erfüllt, dann ist das

ein unterstützendes Argument für diese Deutung  -  selbstverständlich ohne sie allein

begründen zu können.

 

 

        Waffen am Himmel über Berlin

 

03/11    Les armes batre au ciel longue saison,/

L’ arbre au milieu de la cité tumbé:/

Vermine, rongne, glauie, en face tyson,/

Lors le monarque Hadrie succombé. (1555)

 

Die Waffen führen Schläge am Himmel für lange Zeit,/

der Baum in der Mitte der Stadt (ist) gefallen./

Gesindel, Wut, Schwert, glühendes Holz ins Angesicht,/

wenn der Alleinherrscher Hadrian unterlegen (ist).

 

3) N.f. vermine Ungeziefer, metaphorisch Gesindel

n.f. rogne Krätze; Gereiztheit, Stinklaune (maivaise humeur), Wut (colère).

N.m. tison angesengtes Stück Holz, v. tisonner Feuer schüren

 

 

Vz 4 [Hadrian…]  Erst dieser Name ermöglicht die Zuordnung des folgenden Verses.  Wegen der

Radikalität seines Vorgehens gegen die Juden erhält Hitler hier wie in 1/8 (Kap.37) den Namen

jenes römischen Kaisers, der die einem >Sternensohn< folgenden aufmüpfigen Juden Jerusalems

einst hat massakrieren lassen, s.a. das Glossar unter Hadrian.

Vz 4 [… unterlegen/ Waffen am Himmel]  Im Jahr 1942 beginnen die alliierten Luftstreitkräfte mit

den Flächenangriffen auf deutsche Städte, darunter Berlin, die bis Kriegsende fortgesetzt werden

und damit für eine „lange Zeit“ andauern.  Am Ende ist dann Hitler „unterlegen“ oder „überwältigt“,

samt seinem „Gesindel“.

Vz 2 [Baum gefallen]  Der „Baum in der Mitte der Stadt“ ist hier einmal, vom Singular abgesehen,

keine Metapher.  Mit N.A. Centurio (Die großen Weissagungen 1977 S. 215) kann hier der Tier-

garten erkannt werden, der bei den Luftangriffen nicht verschont bleibt.  Der Baumbestand geht

im Krieg und den ersten beiden Nachkriegswintern fast völlig verloren.

 

 

        Kriegseintritt der USA nach Pearl Harbor

 

03/01    Apres (!) combat & bataille nauale,/

Le grand Neptune à son plus hault beffroy,/

Rouge auersaire de fraieur (!) viendra pasle,/

Metant le grand ocean en effroy. (1555)

 

Nach Gefecht und Schlacht auf See/

(wird) der große Neptun in seinem höchsten Alarm (sein)./

Roter Feind wird vor Furcht bleich werden,/

wenn er den großen Ozean in Schrecken versetzt.

                   

2) N.m. beffroi Turmwarte, Sturmglocke (einer Stadt),

sonner le beffroi die Sturmglocke läuten

Zu Neptun s.a. das Glossar.

3) Zu „rot“ vgl. das Glossar unter rouge.

 

 

Vz 2 [großer Neptun]  Neptun war der römische Gott des Meeres, steht daher im Kontext von See-

Schlacht und Alarmierung für eine Macht, die auf den Meeren in Erscheinung tritt.  Die bedeutendste

Seemacht ist seit 1588 Großbritannien, 10/100 (Kap.41).  Im zwanzigsten Jahrhundert wird es in

dieser Hinsicht durch die USA abgelöst.  Den Wendepunkt dieser Entwicklung markiert das Flotten-

abkommen von 1922, das den USA die gleiche Tonnage für Großkampfschiffe wie Großbritannien

zuspricht.  Der „große Neptun“ steht für eine dieser beiden Mächte.

Vz 4 [großer Ozean] Die Kugelform der Erde war auch im Mittelalter nicht umstritten, an die Scheibe

glaubte niemand.  Bekannt ist der >Erdapfel< des Nürnbergers Martin Behaim, ein primitiver Globus,

zu Anfang der 1490er Jahre erstellt, in dem Amerika und der Pazifik fehlten und der Erdumfang viel

zu klein angesetzt ist.  Amerigo Vespucci, der um 1500 mehrfach Südamerika bereist, schreibt

seinem florentinischen Dienstherrn von einem Mundus Novus, einer Neuen Welt, die er gefunden

habe.  Diesen Terminus kennt N. offensichtlich, 2/89 (Kap.40).  Auf der Waldseemüller-Ringmann-

Karte von 1507 wird die >Neue Welt< erstmals unter dem Namen Amerika verzeichnet.  Fernao de

Magalhaes ist 1519-21 der erste Weltumsegler.  Auf welcher Weltkarte erstmals der Pazifische

Ozean unter diesem Namen oder auch als Stiller oder Großer Ozean ausgewiesen wird, muss noch

recherchiert werden, wahrscheinlich ist es die Weltkarte, die Mercator 1569 herausbringt.  Diese

Weltkarte hat N., der 1566 stirbt, noch nicht gekannt.

Vz 3/4 [roter Feind versetzt großen Ozean in Schrecken]  Mächte, die revolutionär oder kriegerisch

in Erscheinung treten, nennt N. „rot“.  Japan beginnt 1940 mit der Eroberung der Inselwelt des

Pazifik.  Wegen seines aggressiven Imperialismus und weil Japan gegen die Anti-Hitler-Koalition

steht, der Frankreich angehört, kann es „roter Feind“ genannt werden.

Vz 2  [großer Neptun höchst alarmiert]  Nach dem Überfall der Japaner auf die Basis Pearl Harbor

am 7.12.1941, der hier mit der Seeschlacht gemeint sein dürfte, treten die USA in den Krieg ein,

der dadurch zum Weltkrieg wird.  Das Land ist in höchstem Alarmzustand, es wird mobilgemacht,

die Wirtschaft konsequent auf den Krieg umgestellt. 

Vz 3 [roter Feind vor Furcht bleich]  Die USA treten den japanischen Streitkräften im Pazifik

entgegen.  Der kriegerische Feind lernt die Übermacht der amerikanischen Kriegsmaschinerie

und einer neuen Waffe, der Atombombe kennen und fürchten.  Im September 1945 kapituliert

Japan.  Da diese Deutung auf Ereignisse im pazifischen Raum passt, kann man schlussfolgern,

dass des Sehers Auge auch Räume erfassen konnte, die zu seiner Zeit gerade erst entdeckt

wurden.

Diese Deutung des Verses 3/1 muss sich auf den Einwand gefasst machen, dass sie in

unzulässiger Weise den räumlichen Geltungsbereich der Centurien überschreite. 

 

         Exkurs (13) zum räumlichen Geltungsbereich der Centurien

Diesen beschreibt N. selbst in VH (4) als „den größten Teil der Städte und Großstädte

ganz Europas, einschließlich jener Afrikas und eines Teils von Asien“. 

Er meint damit die Ausdehnung der antiken römischen Zivilisation, zu der noch die

christlichen Gebiete Mitteleuropas hinzukommen.  Die Ortsnamen in vielen Versen

bestätigen als geographischen Schwerpunkt der Centurien den Mittelmeerraum und

damit Südeuropa, aber auch West- und Mitteleuropa.

Am Beispiel des Verses 3/1 ist aber nun ablesbar, dass dieser Schwerpunkt nicht

e x k l u s i v  zu verstehen ist, sondern in Einzelfällen auch überschritten werden 

kann. Wenn sich außereuropäische Ereignisse maßgeblich auf Europa auswirken,

lässt N. es sich nicht nehmen, davon zu handeln, o b w o h l  sie außerhalb seines

geographischen Fokus liegen.

Ohne den Kriegseintritt der USA hätte die Nachkriegsgestalt Europas anders

ausgesehen und wäre seine Geschichte anders verlaufen.  Japan bewirkt den

Kriegseintritt der USA und beeinflusst so als weiterer Kriegsgegner der Vereinigten

Staaten von Amerika mittelbar auch den Krieg in Europa.  Es ist auch kein Zufall,

dass gerade ein Vers, der in den Jahren 1941 bis 1945 sich erfüllt, die geographische

Mitte der Centurien verlässt.   Denn nach dem ersten und mehr noch infolge des

zweiten Weltkriegs haben andere Mächte die bis dahin dominierende Stellung

Europas in der Welt übernommen.

Es gibt andere Beispiele.  Moskau und Stalingrad liegen in Europa, aber schon

außerhalb der geographischen Grenzen der antiken Zivilisation.  Moskau ist im Jahr

1812 Schauplatz eines Geschehens, das den Wendepunkt im Schicksal des napoleo-

nischen Empire bringt, 2/99 (Kap.24).  Stalingrad ist im Jahr 1943 Schauplatz des

Wendepunktes im Schicksal >Großdeutschlands<, 5/81 (Kap.37).  Die Ereignisse

dieser Jahre prägen jeweils die spätere Geschichte Europas.  Nach dem zweiten

Weltkrieg werden „die beiden großen Meister“  - gemeint sind die Supermächte -  

„vom Joch des Krieges befreit“ sein, heißt es in 2/89 (Kap.40).

Dass in der Zukunft noch mehr Beispiele für die Überschreitung des Schwerpunktes

Europa zu finden sind, ist angesichts der Globalisierung der geschichtlichen Prozesse

nicht anders zu erwarten.  So handeln etwa die Verse 2/60 [IX], 3/60 [XII] und 3/3 [XII]

explizit von Vorgängen in Asien, nicht etwa nur Kleinasien.