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        Kapitel 30  Kaiser Napoleon III. und der deutsch-französische Krieg

          Auszug aus dem historischen Inhaltsverzeichnis

          05/92   Paragnostische Arithmetik

          04/73   Krimkrieg und Pariser Kongress, Attentat italienischer Patrioten

          02/92   Die Schlacht bei Sedan  -  der Kaiser sucht den Heldentod

          08/43   Der „Neffe von Geblüt“ rollt die Fahne ein

          05/30   Belagerung von Paris, >Raubzug< in Rom

          06/23   Der Aufstand der Pariser Kommune

          06/52   Der Kaiser kehrt nicht zurück, Mac Mahon an seiner Stelle

         10/51   Das Elsass und Teile Lothringens gehen an Deutschland (Mai 1871)

          06/87   Inflation der Kaiser im 19. Jahrhundert

          06/22   Falsche Freiheit und unechter Frieden

 

        Paragnostische Arithmetik

 

05/92    Apres le siege tenu dixsept ans,/

Cinq changeront en tel revolu terme:/

Puis sera l‘ vn esleu de mesme temps,/

Qui des Romains ne sera trop conforme. (1568)

 

Nachdem der Thron siebzehn Jahre besetzt war,/

werden fünf wechseln in solcher Umlaufsfrist./

Dann wird für dieselbe Zeit der Eine gewählt werden,/

der mit den Römern nicht allzu sehr übereinstimmen wird.

 

1) Mittelfrz. siège kommt u.a. in folgenden Verbindungen vor:

Le Saint Siège der Heilige Stuhl;  siège royal  Königssessel, Thron

2) Adj. revolu vergangen, beendet > lat. v. revolvere zurückrollen,

lat. n.f. revolutio Rückkehr, Umlauf (gesagt von Himmelskörpern)

 

 

Vz 1/3 [Der Thron/ gewählt]  Meist wird hier der >Stuhl Petri< erkannt.  Das ist möglich, aber N.

kann hier vor seinem Interessenhorizont ebenso den Thron Frankreichs oder den des Kaisers

ansprechen.  Was den Thron Frankreichs angeht, kommt nur die Zeit nach 1789 in Frage, weil

in Verszeile 3 einer "gewählt" wird, was es im erblichen Königtum nicht gab.

Vz 1/2 [Siebzehn Jahre/ solche Umlaufsfrist]  Nachdem einer „siebzehn Jahre“ auf dem gemeinten

Thron gesessen hat, „wechseln fünf in solcher Umlaufsfrist“.  Mit „solcher Umlaufsfrist“ ist wahrschein-

lich das Erdjahr gemeint.  (Es kann auch einmal das Saturnjahr, 1/54 (Kap.6) gemeint sein.)

Vz 3 [Fünf wechseln]  Wenn „Fünf wechseln“ in einem Jahr, wären das fünf Kurzzeitherrscher, was

unwahrscheinlich ist.  Vielleicht meint N. fünf Jahre, in denen der gemeinte Thron an seinem Seher-

auge vorüberzieht.  Was er dort sieht, teilt er nicht mit  -  das könnte bedeuten, dass fünf Mal nichts

zu sehen ist.  Anscheinend konnte N. die Anzahl der Regierungsjahre von Herrschern bestimmen.

In einer Biografie der Medici findet sich eine Beschreibung seiner Technik.

 

"Während der Agonie Franz II. war der Zutritt zum königlichen Zimmer niemandem gestattet

außer der Königin, den Lothringern und der Königinmutter. Wie in allen kritischen Stunden

ihres Lebens rief auch jetzt Katharina ihre Astrologen an. Sie ließ sie nach Chaumont

kommen ... (Dort waren) anwesend der Franzose Ogier Ferrier und der Italiener Simeoni,

den man in Frankreich Luc de Gaurie nannte. Anwesend war ebenfalls der aus Salon ange-

reiste Nostradamus. Aus den Akten dieses futurologischen Kongresses ist folgendes überliefert: In einem schwarz ausgeschlagenen Zimmer wurde ein Kreis auf den Boden gezeichnet, in den die Königin treten mußte, um dort aus einen an der Wand hängenden

Spiegel zu fixieren.  In die vier Ecken waren die vier Namen Gottes mit hebräischen Buch-

staben geschrieben.  Nostradamus, der die Kabbala kannte, sang verschiedene sehr ausführ-

liche Beschwörungsformeln, und Katharina sah aus der Dunkelheit des Spiegels Nebel aufsteigen, die sich zum Bild ihres im Todeskampf liegenden Sohnes Franz verdichteten. 

Nun befand sich da ein Rad, heißt es, ohne nähere Angabe, so daß fraglich ist, ob es sich handfest irgendwo im Raum oder nur als Bild in dem bewußten Spiegel drehte.  Wie auch immer, jedenfalls drehte es sich einmal um sich selbst.  Oder drehte sich das Bild des

Königs einmal um den Raum ?  Die Akten sind, wie gesagt, hierin nicht eindeutig.  Doch

besteht Übereinstimmung über die Bedeutung der Umdrehungen.  Jede volle Umdrehung bedeutete ein Regierungsjahr.  Das Rad drehte sich einmal  -  vor einem Jahr und vier

Monaten war Franz II. dem Vater auf den Thron gefolgt.  Da das Rad sich nicht weiterdreh-

te, war also seine Regierungszeit abgelaufen.   -   Dann verschwand das Bild des Sterbenden

aus dem Spiegel, und an seiner Stelle erschien das Bild des Prinzen Karl von Orléans. 

Vierzehn Umdrehungen des Rades zählte man, dem jüngeren Bruder des Sterbenden standen

also vierzehn Regierungsjahre bevor.  Denn nach der vierzehnten Umdrehung trat der noch

jüngere Heinrich an den zuvor von Karl eingenommenen Platz im Spiegel, und das Rad

begann sich abermals zu drehen: fünfzehn Mal…“

 

               Jean Orieux, Katharina von Medici, 5. Aufl. Paris 1985 S. 236f.

Vz 1/2/3 [Abfolge und Subsumtion]  Im vorliegenden Vers hat einer siebzehn Jahre den ge-

meinten Thron inne, auf dem dann fünf Jahre nichts zu sehen ist.  Dann wird für „dieselbe

Zeit“, die siebzehn Jahre der Inhaberschaft, nicht die fünf Jahre der Vakanz, „einer gewählt“.  

Nach der Juli-Revolution und der Abdankung Karls X. wird Louis Philppe von Orléans am

9.8.1830 zum neuen König der Franzosen gewählt.  Man spricht von der Juli-Monarchie. 

Die folgenden siebzehn Sommer seken ihn als König.  Dann fegt die Februarrevolution des

Jahres 1848 ihn vom Thron.  Das achtzehnte Jubiläum seiner Thronbesteigung erlebt er nicht

mehr als König.

Es folgt das 58 Monate dauernde Intermezzo der zweiten Republik.  Fünfmal (jeweils im

Sommer), von 1848 bis 1852, ist auf dem Thron niemand zu sehen.  Er ist vakant für die

Anhänger der Monarchie, abgeschafft für die Anhänger der Republik.

Im Dezember 1851 putscht Louis Bonaparte, ein Neffe des >großen< Napoleon, gegen die

Republik.  In einem Referendum legitimiert das Wahlvolk diesen Putsch, und im Dezember

1852 wird der Prince Président zum Kaiser der Franzosen proklamiert. Das siebzehnte Jubi-

läum der Inthronisation erlebt er noch als Kaiser, das achtzehnte nicht mehr.  Im September

1870 wird er nach der verlorenen Schlacht bei Sedan abgesetzt.

Vz 4 [Der mit den Römern nicht allzu konform gehen wird]  Damit ist die Politik des Kaisers

im italienischen Einigungsprozess gemeint, die auf die Interessen des Papstes mehr Rück-

sicht nimmt, als es die Anhänger des risorgimento sich wünschen.  So lässt er 1849 auf

Wunsch des aus Rom geflohenen Papstes die Stadt besetzen, 8/53 (Kap.29).  Neun Jahre

später verüben italienische Patrioten ein Attentat auf ihn, 4/73 (s.u.).

 

 

        Krimkrieg und Pariser Kongress, Attentat italienischer Patrioten

 

04/73    Le nepueu grand par forces prouuera,/

Le pache fait du coeur pusillanime:/

Ferrare & Ast le Duc esprouuera,/

Par lors qu’ au soir sera le pantomime. (1568)

 

Der große Neffe wird durch Streitkräfte es beweisen,/

der Vertrag geschlossen mit kleinmütigem Herzen./

Ferrara und Asti werden den Heerführer auf die Probe stellen,/ 

wenn abends das Schauspiel sein wird.

 

2) Prov. n.f. pacho Handel, Abschluß eines Vertrags

3) Zu den Bedeutungsmöglichkeiten von Duc s. Glossar

Mittelfrz. v. esprouver beweisen (prouver), auf die Probe stellen (mettre

à l‘ épreuve), prüfen (vérifier).  Altfrz. v. esprouver sich bewähren (faire

ses preuves).   Der Numerus des Prädikats esprouvera ist reimbedingt,

schließt daher die angegebene Übersetzungsmöglichkeit nicht aus.

 

 

Vz 1  [Neffe beweist es]  Napoleon III., Kaiser der Franzosen 1852 bis 1870, ist Neffe von Napo-

leon I. und trägt dessen Familiennamen Bonaparte.  Die Beteiligung Frankreichs am Krieg gegen

Russland 1854-56 endet mit dem Fall von Sewastopol (Krim) siegreich, ohne dem Land viel

einzubringen.  Aber der Kaiser >hat es bewiesen<, nämlich >dass er ein Napoleon ist<, er kann

mit dem Nimbus des Siegers in die Friedensverhandlungen auf dem anschließenden Kongress

in Paris gehen.

Vz 1 [großer Neffe]  Das kommt dem ausgeprägten theatralischen Bedürfnis dieses Mannes

entgegen.  Das Verbum preuver vom lat. probare bedeutet, dass etwas glaubhaft gemacht oder

jemandes Beifall gewonnen werden soll.  Den Eindruck des Farcenhaften oder Operettenhaften,

den Zeitgenossen von ihm haben, kommt daher, dass er auch im wirklichen Leben Theater spielt.  

Er lässt sich Kaiser nennen, weil das >Drama< es erfordert, in dem er die Titelrolle >Der große

Napoleon< spielt.  Die Bezeichnung >großer Neffe< ist ironisch gemeint, weil die anschließende

Kleinmütigkeit nicht dazu passt.  Victor Hugo, der als regimekritischer Schriftsteller im Exil leben

muss, nennt ihn Napoleon den Kleinen, was böse und ernst gemeint ist.

Vz 2 [Vertrag geschlossen mit kleinmütigem Herzen]  Auf dem Pariser Kongress hat dieser

Mann mit der geliehenen Identität zunächst vor, feierlich die Annullierung der Wiener Verträge

von 1815 zu fordern.  Doch als er auf diplomatischen Widerstand trifft, nimmt er davon Abstand. 

Das nennt N. „kleinmütig“.

Vz 3/4 [Ferrara und Asti stellen Heerführer auf die Probe…]  Fast zwei Jahre später, am 14.1.1858,

entgeht der Kaiserdarsteller, als er einer abendlichen Theateraufführung beiwohnen will, nur knapp

einem Attentat.  Die Bombenleger „stellen“ das Glück des Opfers „auf die Probe“.  Haupttäter ist

der italienische Patriot Orsini, der die Einigung Italiens durch Napoleon III. und dessen Italien-Politik

behindert glaubt, 5/92 Vz 4 (s.o.).  Er kommt aus der Emilia-Romagna mit der Hauptstadt „Ferrara“. 

Und „Asti“ steht für Sardinien-Piemont, jenes Königreich, das sich an die Spitze des Kampfes für

die >Wiedergeburt< Italiens gestellt hat.  Es braucht hier also nichts hingebogen zu werden, wie

Pfändler (Nostradamus, Seine Prophezeiungen, Die Urtexte, Chieming 1996 S. 325) meint, die

angegebenen Städte passen vielmehr genau in den historischen Kontext des Attentats. 

Dieser Kontext erweist auch, dass die Bezeichnung Duc, die Napoleon III. in der Attentatsszene

des Verses erhält, nicht als Herzogstitel, sondern in dem ursprünglichen Sinn eines Heerführers

oder Kriegsherrn zu verstehen ist, als welcher Napoleon III. zu Beginn des Verses in Erscheinung

getreten ist.

 

 

        Die Schlacht bei Sedan  -  der Kaiser sucht den Heldentod

 

02/92    Feu couleur d‘ or du ciel en terre veu:/

Frappe du hault, (!) nay, faict cas mervueilleux:/

Grâd meurtre humaî:  prîs du grâd le nepueu,/

Morts d‘ espectacles eschappé l‘ orguilleux.  (1555)

 

Feuer (von der) Farbe des Himmelsgoldes (wird) auf Erden gesehen./

Geschlagen von oben, (wieder) da, geschieht Erstaunliches./         

Großes Gemetzel, gefangen (wird) vom Großen der Neffe,/

einem spektakulären Tod entkommen (ist) der Stolze.

 

1) Pfändler (1996 S. 191) übersetzt: „Feuer von der Goldfarbe des Himmels“.

Möglich, aber kaum gemeint, weil es dem Seher nicht um Impressionen ging.

Zu Gold s. das Glossar unter -> or.

2) nay wörtlich geboren, entstanden, aufgetaucht, wird mit „da“ frei übersetzt.

Mittelfrz. n.m. cas auch: Ereignis (événement), Sache, Gelegenheit usw.

4) Wörtlich: „Todesfällen der Spektakel entkommen der Stolze“.

 

 

Vz 1 [Von der Farbe des Himmelsgoldes …]  Gold galt als Entsprechung der Sonne, und diese

kann bei N. den Gott der Christen bedeuten, 5/72 (Kap.6).  Dem christlichen Kaiser wird im Mittel-

alter zugetraut, den Antichristen niederzuringen und so die Ankunft eines neuen >goldenen Zeit-

alters< zu befördern, des in der Bibel verheißenen tausendjährigen Reiches Christi (Näheres z.B.

bei Möhring, Der Weltkaiser der Endzeit, Stuttgart 2000).

Vz 1/3 [… Feuer/ Neffe]  Wenn ein >Feuer von der Farbe des Himmelsgoldes< auf Erden zu

sehen ist, dann >verbrennt ein Himmelsgold<, das auf Erden existiert.  Gemeint ist ein Krieg,

in dem ein Kaisertum untergeht, das dem Seher als christlich legitimiert erscheint.  Napoleon III.,

Neffe von Napoleon I., hat die Restauration des Thrones auch auf die katholische Kirche gestützt. 

Vom Untergang seines Kaisertums im Krieg handelt der Vers. 

Vz 2/3/4 [Ereignisse]  Bei sich abzeichnender Niederlage im Krieg gegen Preußen sucht der

Kaiser in der Schlacht bei Sedan Anfang September 1870, einen „spektakulären Tod“.  Seinem

Naturell nach alles Andere als ein großer Feldherr, glaubt er, >ein Napoleon<, als großer Feldherr

erscheinen zu müssen.  In seiner Lage ist gefordert, die selbstgewählte Rolle aufzugeben.  Mit

dieser aber ist er so verwachsen, dass es ihm unmöglich scheint, sie zu verlassen.  Da er die

geliehene Identität nicht sterben lassen will, bleibt ihm nur, statt ihrer den Tod zu suchen.  Sein

Wunsch, auf dem Schlachtfeld zu sterben, entspringt dem Empfinden der Ausweglosigkeit und

ist durch seine Depesche an König Wilhelm I. von Preußen vom 2.9.1870 überliefert. 

Sie enthält die Kapitulation:

                   „Mein Herr Bruder,

                   da ich inmitten meiner Truppen nicht sterben konnte, bleibt mir nichts, als meinen  

                   Degen in die Hände Ew. Majestät zu legen.  Ich bin Ew. Majestät guter Bruder

                                                                                                                 Napoleon“

Nostradamus sieht ein „großes Gemetzel“, sieht auch den „Stolzen“, seiner Rolle gemäß stolz

erscheinen wollenden Kaiser.  Auch er wird im Granatenhagel „von oben geschlagen“.  Aber

wenn der Rauch sich verzieht, ist er wieder „da“.  Für den Seher, der den Todeswunsch erkennt

(„entkommen…“), ist es „erstaunlich“, dass der Kaiser nicht umkommt, wie viele andere, sondern

in Gefangenschaft eines „Großen“ gerät, des preußischen Königs Wilhelm I.

Aber es ist klar, warum der Tod auf dem Schlachtfeld nicht gelingen kann. Charles Louis

Napoleon ist nicht er selbst, sondern spielt die Hauptrolle in dem Drama >Der große Napoleon<,

welches als letzte Szene den Tod im Exil auf einer Insel vorsieht.  Und so kommt es dann auch,

der Kaiserdarsteller stirbt 1873 im Londoner Exil, 6/22 (s.u.).  Anmerkung:  Die Kenntnis der

Übernahme der Identität des Onkels durch den Neffen ist für die Deutung nicht notwendig,

aber hilfreich.

 

        Der „Neffe von Geblüt“ rollt die Fahne ein

 

08/43    Par le decide de deux choses bastars,/

Nepueu de sang occupera le regne,/

Dedans lectoyre seront les coups de dars,/

Nepueu par peur pleira l’ enseigne. (1568)

 

Durch den Sturz der beiden umstrittenen Bastarde/

wird (der) Neffe von Geblüt die Herrschaft übernehmen./

In Le Torcy werden die Granateneinschläge sein,/

der Neffe wird furchtsam die Fahne einrollen.

 

1) Das n. decide ist gebildet nach dem lat. v. decidere herabfallen, stürzen.

Altfrz. v. choser erörtern, streiten (disputer), in Anrede stellen, sich auflehnen

(contester), > lat. v. causari Gründe angeben oder vorschützen

Zum Begriff des Bastards s.a. Glossar.

3) Aus lectoyre wird durch Buchstabenumstellung Le Torcy (wobei ein –e-

überzählig ist).  So hieß ein Ort bei Sedan, heute ein Teil dieser Stadt.

N.m. dard Wurfspieß, hier der modernen Zeit entsprechend übersetzt.

 

 

Vz 1/2 [Bastard/ Neffe von Geblüt]  Bastard hieß in Feudalzeiten der außereheliche, nachträglich

legitimierte Spross eines Adligen und einer nicht standesgemäßen Frau.  Die beiden hier ge-

meinten Könige, Charles X. und Louis-Philippe, sind in diesem Sinn keine Bastarde.  Der erste

ist ein jüngerer Bruder von König Louis XVI., der zweite entstammt einer bourbonischen Seitenlinie. 

Der „Neffe von Geblüt“ , der nach den Sturz der beiden an die Macht kommt, ist ein Neffe von

Napoleon I., also ein Bonaparte.

Vz 1 [umstritten]  Aber warum nennt N. dessen zwei Vorgänger Bastarde ?  Die Antwort gibt

das Attribut, das die Bastarde erhalten.  Diese beiden Könige sind „umstritten“, weil ihr Anspruch

auf unumschränkte Herrschaft streitig ist.  Charles X. wird gestürzt, weil er das Ancien Régime

wieder herstellen, wie seine Vorfahren der Souverän sein will, was er eben nicht ist. 

Louis-Philippe, der sich Bürgerkönig nennen lässt, steht für den Wunsch, das alte Königshaus

mit den Prinzipien der Revolution zu versöhnen.  Beide Könige sind also, der eine ohne, der

andere mit seinem Einverständnis, Kinder des Ancien Régime  u n d  der Revolution und in

diesem politischen Sinn >Bastarde< 

Vz 3/4  [lectoyre/ Neffe rollt Fahne ein]  Die Chiffre wird für ein Anagramm von Le Torcy

gehalten, was wohl zutrifft.  Denn in der Präfektur dieses Vorortes, heute Stadtteils von Sedan

verbringt der von einer Nierenkrankheit schwer angegriffene Kaiser ab dem 30. August 1870

die Nacht (Heinrich Berl, Napoleon III., München 1947 S. 532).  Am 2.9.1870 muss er vor der

Armee der Preußen kapitulieren  -  eine Niederlage, die auch das Ende seines Kaisertums

besiegelt. Die erste Vershälfte handelt vom Beginn, die zweite Hälfte vom Ende der Herrschaft

Kaiser Napoleons III.  Der Vers erfüllt damit das prophetische Schema der von Gott gewirkten

Gerechtigkeit, s. Exkurs (12), was für die angegebene Deutung spricht.

 

 

        Belagerung von Paris, >Raubzug< in Rom

 

05/30    Tout a l‘ entour de la grande cite,/

Seront soldats logez par champs & ville:/

Donner l’ assaut Paris, Rome incite,/

Sur le pont sera faicte grande pille.  (1568)

 

In der ganzen Umgebung der großen Stadt/

werden Soldaten lagern auf Feldern und in Städten./

Sie veranstalten den Angriff (auf) Paris, Rom ist erregt./

Auf der Brücke wird dann ein großer Raubzug stattfinden.

 

1) Zur „großen Stadt“ s. Glossar unter cité grande.

4) Zur Brücke s. Glossar unter -> pont.

 

 

Vz 1/2/3 [Soldaten um die große Stadt herum/ Angriff auf Paris]  In der Folge der Schlacht bei

Sedan dringen seit Anfang September 1870 deutsche Truppen nach Frankreich vor und erreichen

bald die Umgebung der französischen Hauptstadt.  Sie wird belagert, angegriffen und fällt im

Januar 1871 in deutsche Hand. 

Vz 3/4 [Rom erregt/ großer Raubzug auf der Brücke]  Im September 1870 wird der Kirchenstaat

von nationalitalienischen Truppen besetzt.  Die Römer sind „erregt“, denn es vollzieht sich eine

Revolution.  Gegen den Willen des Papstes wird ihm die Souveränität über den Kirchenstaat

aberkannt.  Dem Papst wird sein Staat von den Italienern weggenommen  -  das nennt N. einen

„Raubzug“.   Das Sinnbild des >Schiffes< für die Kirche, mit den Gläubigen als Passagieren

und dem Klerus als Mannschaft, unterwegs zum Ziel des ewigen Lebens, ist bei Nostradamus

geläufig, s. Glossar unter nef.  Dieses >Schiff< mit dem Papst als >Kapitän auf der Brücke<

verliert durch das gemeinte Ereignis seinen größten Stützpunkt >an Land<, d.h. seinen größten

weltlichen Herrschaftsbereich. 

[Zusammenhang]  Das Zusammentreffen der Ereignisse in beiden Ländern ist zunächst ein zeit-

liches, hat aber auch politisch einen ähnlichen Hintergrund, 3/63 (Kap.29).  Den Preußen geht es

um die Einigung Deutschlands unter ihrer Vorherrschaft, den Italienern um die Einigung Italiens. 

 

 

        Der Aufstand der Pariser Kommune

 

06/23    D‘ esprit de regne musnimes descriées/

Et seront peuples esmeuz contre leur Roy:/

Paix, faict nouveau, sainctes loix empirées,/

Rapis onc fut en si tresdur arroy. (1568)

 

Vom Geist der Regierung (sind) (Kom)munisten in Verruf,/

und es werden die Leute aufgewiegelt sein gegen ihren König./

Friede, neue Fakten, heilige Gesetze verschlechtert,/

Paris stand nie unter einer so überharten Besatzung.

 

1) munismes ist im Kontext der angebotenen Deutung abgeleitet vom Wort

communisme Kommunismus, das es im 16. Jahrhundert noch nicht gab.

Die Mehrzahl munismes steht für Personen, demnach (Kom)munisten,

franz. communistes.

3) Zum Gesetzesbegriff s. Glossar unter -> loy und Exkurs (2).

4) Aus Rapis wird durch Buchstabenumstellung Paris;  lat. rapax ist der

Räuber, und Rapis ist daher ein von Räubern beherrschtes Paris.

Mittelfrz. n.m. arroi Ordnung (arrangement), Mannschaft, Besatzung

(équipage), Zustand, Lage (état, condition)

 

 

Vz 1/2 [Kommunisten/ Aufstand]  Nach der Kapitulation der französischen Hauptstadt am 28.1.

1871 kommt es im März zu einem Arbeiteraufstand, der sogenannten Pariser Kommune. 

Die Aufständischen nennen sich Kommunarden, sind ideologisch links, aber sehr verschieden

orientiert.  Sie wollen eine sozialistische statt einer feudalen Gesellschaftsordnung errichten,

sind „aufgewiegelt gegen ihren König“. 

Vz 3 [heilige Gesetze …] Als Charles Louis Napoleon Bonaparte geboren, hat dieser Mann sich

den Titel gegeben „Napoleon von Gottes Gnaden und durch den Willen der Nation Kaiser der

Franzosen“.  Kaiser von Gottes Gnaden war er demnach nicht, sondern durch Plebiszit ernannter

Diktator, der den einst sakral begründeten Kaisertitel zu Unrecht führte.  Aber dem Seher war

sogar der usurpatorische Napoleon III. lieber als die Republik.

Vz 3 [… verschlechtert]  Nach der Absetzung des Kaisers Anfang September 1870 wird von den

in der Nationalversammlung maßgeblichen Kräften die (dritte) Republik ausgerufen.  Diese „neue

Fakten“ werden vom Seher, der auf die christliche Monarchie schwört, als „Verschlechterung der

heiligen Gesetze“ bewertet. 

Vz 1 [Kommunisten in Verruf]  Der Pariser Aufstand richtet sich auch gegen die bürgerliche

Republik.  Die Aufständischen sind daher „verschrieen“ oder „verrufen“ bei den bürgerlichen

Kräften, die angesichts des Aufstandes aus der Hauptstadt fliehen.   Die Nationalversammlung

weicht nach Bordeaux aus und beauftragt General Mac Mahon, den Aufstand niederzukämpfen. 

Vz 4 [überharte Besatzung]  Die Kommune, die sich von Februar bis Mai 1871 halten kann,

nennt N. eine „überaus harte Besatzung“.  Im Verlauf der Auseinandersetzung mit der Armee

der Republik werden mehrere hundert Adlige, Bürger und Kleriker, die in der Stadt verblieben

sind, als Geiseln genommen und bei sich abzeichnender Niederlage der Kommune von den

Kommunarden erschossen.

Vz 3 [Friede erneuert]  Der Friede mit Deutschland wird am 10.5.1871 in Frankfurt am Main

unterzeichnet.  Zu den Bedingungen dieses Friedens hat 10/51 eine Angabe (s.u.).

 

 

        Der Kaiser kehrt nicht zurück, Mac Mahon an seiner Stelle

 

06/52    En lieu du grand qui sera condamné,/

De prison hors son amy en sa place:/

L’ espoir Troien en six moys ioinct, mort nay,/

Le Sol à l’ urne seront prins fleuues en glace. (1568)

 

Statt des Großen, der verurteilt werden wird,/

(tritt), aus dem Gefängnis entlassen, sein Freund an dessen Platz.

Die trojanische Hoffnung, in sechs Monaten lebendig,

(ist) tot geboren.

Sonne in der Urne, sie werden gefangen sein, Flüsse vereist.

        

3) nay ist eine alte Form des p.p.p. von naître geboren werden.

Mittelfrz. Adj. joint lebendig (vif), munter (alerte)

4) Zur Urne s. Glossar unter -> urne.

 

 

Vz 1 [Großer verurteilt]  Der „Große“ ist der französische Kaiser Napoleon III., der am 2.9.1870

in der Schlacht bei Sedan den Krieg gegen Preußen und dessen Verbündete verliert.  Daraufhin

werden am 4.9. in Paris die Republik und die Absetzung des Kaisers proklamiert, weil man ihn

als Schuldigen an der Niederlage „verurteilt“.   

Vz 3/4 [Gefangenschaft/ trojanische Hoffnung tot geboren]  Der Kaiser gerät Anfang September

1870 in Gefangenschaft, 2/92 (s.o.).  Die Hoffnung des Kaiserpaars, vielleicht doch noch in die

Heimat zurückgerufen zu werden, nennt N. „trojanisch“.  Denn dem sagenhaften Trojaner Aeneas

gelang es, nach verlorenem Krieg und Verlust der Heimat sich an der Gründung eines neuen

Reichs, des römischen nämlich, zu beteiligen.  Aber in den auf die Niederlage folgenden

„sechs Monaten“ zerrinnt die Hoffnung des Kaisers auf eine Rückkehr in die Heimat und stirbt

am 1.3.1871, als die neu gewählte Nationalversammlung die Absetzung des Kaisers bestätigt. 

Politisch ist die Hoffnung auf eine Restauration des Kaisertums von Anfang an tot, seit der

Niederlage und der Ausrufung der Republik im September.

Vz 4 [Sonne in der Urne/ Flüsse vereist]  An jedem 1. März steht die Sonne  bei ekliptikal 340°

entsprechend 10° Fische.  Genau dort wird in den alten Darstellungen der Krug  - hier „Urne“

genannt -  des Wassermanns an den Himmel projiziert.  Die Ausdehnung dieses Krugs wird

durch die Sterne Alpha bis Lambda Aquarii markiert (Fasching, Gerhard, Sternbilder und ihre

Mythen, Augsburg 1996).  Diese Sterne sind 1871 bei 2° bis 20° Fische anzutreffen (Werner/

Schmeidler, Synopsis der Nomenklatur der Fixsterne, Stuttgart 1986). Infolge des strengen

Winters 1870/71 sind im Norden Europas, auch in Nordfrankreich, die Flüsse zugefroren.

Vz 1/2 [Statt des Großen sein Freund an dessen Platz]  In preußische Gefangenschaft ist auch

der französische Marschall Mac Mahon geraten.  Nach dem Vorfrieden vom 28.2.1871 entlas-

sen, tritt er zunächst als Armeeführer an die Stelle des Kaisers und schlägt im Dienst der neuen

republikanischen Regierung den Aufstand der Pariser Kommune, 6/23 (s.o.), nieder.  Sein

immenses Ansehen lässt ihn 1875 zum Präsidenten der Republik aufsteigen.  Er selbst bleibt

monarchistisch gesonnen und in diesem Sinn „Freund“ des abgesetzten Kaisers, sieht sich als

Platzhalter der Monarchie.

 

 

        Das Elsass und Teile Lothringens gehen an Deutschland (Mai 1871)

 

10/51    Des lieux plus bas du pays de Lorraine,/

Seront des basses Allemaignes unis,/

Par ceux du siege Picards, Normans, du Maisne/

Et aux cantons se seront reunis. (1568)

 

Einige tiefergelegene Regionen des lothringischen Landes/

werden mit deutschen Tieflanden vereint werden/

durch jene, die Pikardie, Normandie und Maine belagern./

Und aus den Bezirken werden sie sich weidervereint haben.

 

3) Wörtlich übersetzt:“…durch jene von der Belagerung (der) Pikarden,

(der) Normannen (und) des Maine“.

 

 

Vz 3 [Belagerer von Pikardie, Normandie und Maine]  Die Kämpfe im deutsch-französischen

Krieg sind auf Schauplätze im Norden und Osten Frankreichs beschränkt.  Außer dem Elsaß

und Lothringen, sind es die im Vers angesprochenen Regionen Pikardie, Normandie und Maine,

die die Deutschen erobern, bevor sie Paris angreifen.

Vz 1/2 [Teile Lothringens mit deutschen Tieflanden vereint]  Die „deutschen Tieflande“, nämlich

das im Krieg führende Preußen, besiegt damals mit seinen süddeutschen Verbündeten das

imperiale Frankreich.  Beim Friedensschluss von Frankfurt im Mai 1871 werden das Elsass

und erhebliche Teile Lothringens dem neu gegründeten deutschen Kaiserreich zugeschlagen. 

Die Deutschen „jagen“ die Franzosen „über den Rhein hinweg“, worin N. eine Ursache weiterer

Kriege erkennt, 6/22 (s.u.).

Vz 4 [wiedervereint]  Auch bei den Deutschen vollzieht sich unter dem Eindruck des grandiosen

Sieges ein bedeutsamer Wandel.  In Versailles wird das (zweite) deutsche Kaiserreich ausge-

rufen, dem sich die süddeutschen Länder anschließen.  Die deutsche Kleinstaaterei, der das

einende Band des Kaisertums 1806 abhanden gekommen ist, findet ein Ende, wenn auch in

kleinerem Rahmen.  „Aus den Bezirken werden sie“ – die Belagerer Frankreichs -  „sich wieder-

vereint haben“.

 

 

        Inflation der Kaiser im 19. Jahrhundert

 

06/87    L‘ election faite dans Frankfort,/     

N‘ aura nul lieu Milan s‘ opposera:/

Le sien plus proche semblera si grand fort/

Qu’ outre le Rhyn és mareschz chassera. (1568)

 

Die Wahl, in Frankfurt gehalten,/  wird keinen

Ort mehr haben.  Mailand wird sich entgegenstellen./

Der Seinige, nächste Verwandte wird so großmächtig erscheinen,/

dass er (ihn) über den Rhein hinweg in Sümpfe jagen wird.

 

4) Altfrz. n.m. maresc, n.f. maresche Sumpf (marais)

 

 

Vz 1/2 [Wahl in Frankfurt]  Seit Mitte des 12. Jarhunderts hat die Kaiserwahl regelmäßig in

Frankfurt stattgefunden.  Wenn diese Wahl „keinen Ort mehr“ hat, findet sie nicht mehr statt. 

Es ist von der Zeit nach der Abdankung des letzten Kaisers des alten Deutschen Reichs die

Rede, von der Zeit nach 1806 also, 10/46 (Kap.22).  Der Vers handelt von den >Erben des

Reichs< und ihrer Balgerei um das Erbe.

Vz 2 [Mailand stellt sich entgegen]  Im Jahr 1848 ruft König Albert von Sardinien-Piemont im

Namen der >Wiedergeburt< der italienischen Nation auf zum >heiligen Krieg< gegen Österreich,

zu dem Mailand damals gehört, hat aber noch keinen Erfolg.  Erst 1859 wird Mailand dem ent-

stehenden nationalitalienischen Königtum angegliedert, und Österreich muss sich zurückziehen,

10/64 (Kap.29).  Nicht nur die Lombarden, sondern Italiener  a l l e r  Regionen haben sich der

nationalen Idee verschrieben.  Daher steht >Mailand< hier für die italienischen Nationalisten,

die sich dem verbliebenen Kaisertum entgegenstellen.

Vz 3 [Nächster Verwandter großmächtig …]  1804 hat sich der letzte Kaiser des Alten Reichs

zum Kaiser von Österreich machen lassen.  Der „Seinige, nächste Verwandte“ muss ein Fürst

sein, der zum Alten Reich gehört hat.  Gemeint ist Preußen, das immer mächtiger geworden ist,

im Jahr 1866 Österreich und 1870/71 mit seinen Verbündeten das Kaiserreich Frankreich besiegt.

Vz 4 [… jagt >den Kaiser< über den Rhein hinweg]  Das napoleonische Kaisertum, 1852 neu

aufgelebt, verschwindet daraufhin in der Versenkung, >im Sumpf<, es geht unter.  Das zweite

deutsche Kaisertum unter Führung Preußens wird begründet.  Im Frankfurter Frieden vom Mai

1871 einverleibt es sich das Elsass und Teile Lothringens, dehnt sich somit aus „über den Rhein

hinweg“.

 

 

        Falsche Freiheit und unechter Frieden

 

06/22    Dedans la terre du grand temple celique,/

Nepueu à Londres par paix faincte meurtry:/

La barque alors deuiendra scismatique,/

Liberté faincte sera au corn & cry. (1568)

 

Auf dem Boden des großen prächtigen Tempels/ 

wird in London (der) Neffe während des Scheinfriedens gepeinigt./

Das Boot wird dann spalterisch werden,/ 

eine unechte Freiheit wird nachdrücklich verkündet werden.

 

1) Mittelfrz. Adj. celique himmlisch (céleste), s.a. Glossar unter ciel*.

2) Mittelfrz. v. meurtrir töten (tuer), meuchlings morden (assassiner),

quetschen (contusionner), verletzen (blesser)

3) Zur barque s. Glossar unter -> nef. 

Zu spalterisch s. Glossar unter -> scisme.

4) Wendung réclamer à cor et à cri  lauthals mit Nachdruck fordern

 

 

Vz 2 [Neffe in London gepeinigt …]  Während des Krieges gegen Preußen wird Kaiser Napo-

leon III., ein Neffe Napoleons I., abgesetzt, gerät in Gefangenschaft und findet nach seiner Ent-

lassung Zuflucht in Großbritannien.  In Chislehurst bei London stirbt er am 9.1.1873 an einer

Urämie und den Folgen mehrerer Operationen, durch die er „gepeinigt“ wird.

Vz 1 [… auf dem Boden des prächtigen Tempels]  Im Verskontext ist der „prächtige Tempel“

die anglikanische Kirche, seit 1534 abtrünnig von Rom.  Der „Boden“ dieses Tempels ist

Großbritannien.  Dieser Name der anglikanischen Kirche klingt bei N. sarkastisch, weil er

alle Protestantismen und Abspaltungen von der katholischen Kirche ablehnte, 6/15  (Kap.1).

Vz 2  [Scheinfrieden]  Die Bedingungen des Friedens, den die dritte französische Republik

mit dem neuen deutschen Kaiserreich schließt, werden von den Franzosen als demütigend

empfunden.  Sie tragen mit dazu bei, dass es zum Aufstand der Pariser Kommune kommt,

6/23 (s.o.).  Reparationen und die erzwungene Abtretung linksrheinischer Gebiete, 10/51 (s.o.),

halten in der Folgezeit das Ressentiment der Franzosen gegen Deutschland wach.  Deshalb

nennt N., der auch das zwanzigste Jahrhundert im Blick hat, den Frankfurter Frieden vom Mai

1871 einen „Scheinfrieden“.

Vz 3 [Boot spalterisch]  An dem 1870 verkündeten Dogma der Unfehlbarkeit päpstlicher

Lehrmeinungen entzündet sich ein Streit, der zur Abspaltung der Altkatholischen Kirche führt,

hauptsächlich in Deutschland, der Schweiz und Österreich.  Die katholische Kirche, das

>Fischerboot<, 1/4 [VIII], hier >Barke< genannt, wird dadurch „spalterisch“. 

Vz 4 [Unechte Freiheit]  Am 18. Juli 1870 wird in Rom das Dogma, am 19. Juli in Paris die

Kriegserklärung an Preußen verkündet.  Die beiden Vorgänge, Abspaltung der Altkatholiken

von Rom und Ausrufung der Republik in Frankreich, haben den gleichen zeitlichen Ausgangs-

punkt, liegen für N. aber auch inhaltlich auf einer Linie.  Sie führen beide in eine „vorgetäuschte

Freiheit“, VH (21).  Für den in seinem Urteil mittelalterlich geprägten Seher ist das Volk ohne

weltlichen und geistlichen Herrn orientierungslos wie die Kompassnadel ohne Nordpol.  Die

Vakanz von Thron und Kanzel ruft Usurpatoren und Ideologen aller Art auf den Plan.