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         Kapitel 14  Ludwig XVI. (1774-92)

Auszug aus dem historischen Inhaltsverzeichnis

          10/16      Zuviel Glaube an die Küche

          10/43      Unentschlossenheit, Zurückweichen vor Widerständen

         Zuviel Glaube an die Küche 

 

10/16    Heureux au regne de France, heureux de vie/

Ignorant sang, mort, fureur & rapine,/

Par non flateurs seras mis en envie,/

Roy desrobe trop de foy en cuisine.  (1568)

 

Glücklich in der Herrschaft über Frankreich, voller Lebensfreude,/

weiß er nichts von Blut, Tod, Raserei und Raub./

Von nicht Furzenden wirst du beneidet werden,/

(Der) König des Amtskleides beraubt, zu viel Glaube an die Küche.

 

3) N.m. flatteur Schmeichler.  Lat. n.m. flatus Blähung;  die Endung

-eur verweist auf Personen.

4) Mittelfrz. v. desrober entblößen (dépouiller), wörtlich:

des (Amts-)Kleides berauben (ôter la robe)

 

 

[Fehldeutung]  Ludwig XVIII., Bruder des von der Revolution gestürzten Königs, war wie dieser ein

starker Esser vor dem Herrn. Im Jahr 1814 König geworden, muss er während der hunderttägigen

Herrschaft Napoleons fliehen, kann dann aber auf den Thron zurückkehren.  Er stirbt 1824 als König,

wird also nicht seiner Würde entkleidet.

Vz 4 [Des Amtskleides beraubt]  Dieses Schicksal hat sein älterer Bruder Ludwig XVI. erlitten,

der erst von einem absoluten zu einem konstitutionellen König gemacht, später abgesetzt und

dann zum Tod verurteilt worden ist.  

Vz 3 [beneidet von nicht Furzenden]  Wie sein Bruder war Ludwig XVI. ein starker Esser. 

Die unzureichende Versorgung der Pariser Bevölkerung kontrastiert mit dem Wohlleben am

Königshof und gehört zum Hintergrund des Aufstandes.  Am Hof herrscht „zu viel Glaube an

die Küche“, d.h. man glaubt, dass es mit dem guten Leben immer weiter gehen werde, weil

das in der gottgewollten Ordnung eben so vorgesehen sei. Deshalb liegt die Deutung der

non flateurs (nicht Furzenden) als jener Menschen nahe, die am Wohlleben nicht teilhaben

und daher die alte Ordnung in Frage stellen. Die Revolutionäre, die eine neue bessere Ordnung

des Staates anstreben, werden von N. als bloße Neider dargestellt; daran ist seine Ablehnung

jeder ideologisch daherkommenden Weltverbesserung ablesbar. 

Vz 1/2 [Glücklich/ voller Lebensfreude]  Das gutartige Wesen des Königs und seine Ahnungs-

losigkeit gegenüber dem heraufziehenden Gewitter der Revolution werden in diesem Vers

ironisiert.

 

         Unentschlossenheit, Zurückweichen vor Widerständen

  

10/43    Le trop bon temps trop de bonte royalle:/

Fais & deffais prompt subit negligence,/

Legier croira faux d’ espouse loyalle,/

Luy mis a mort par sa benevolence.  (1568)

 

Allzu gute Zeit, allzu große königliche Güte,/

Taten, gleich rückgängig gemacht, plötzliche Nachlässigkeit./

Leichtfertig wird (man) glauben der Verleumdung der

loyalen Ehefrau./

Er kommt zu Tode durch sein Wohlwollen.

 

3) Hier könnte auch der König Subjekt sein.

N.m. faux das Falsche, das Unwahre;  mit Verleumdung frei wiedergegeben.

4) Mittelfrz. n.f. benevolence Wohlwollen, Gunst (bienveillance)

 

           

Vz 2 [Taten, gleich rückgängig gemacht]  Die Zeit Ludwigs XVI. beginnt hoffnungsvoll mit Spar-

maßnahmen und Reformen, die von großen Teilen des Volkes begrüßt werden.  Doch der junge

König ist nicht der Mann, seine Vorhaben auch durchzusetzen.  Gegen den Widerstand der Parla-

mente und des höfischen Adels, die ihre Privilegien bedroht sehen, kommt er nicht an.  Zu den

Gegnern seiner Politik zählt auch seine spendable Ehefrau, die ihre aufwändige Lebensführung

durchaus nicht einschränken will und daher als >Madame Déficit< verhöhnt wird.

Vz 3 [Verleumdung der loyalen Ehefrau]  Sie zieht sich in besonderem Maße den Hass des Volkes

zu, der übelste Verleumdungen mit sich bringt, z.B. nach der Halsband-Affäre.  In der Bedrängnis

durch die Revolution erweist sie sich als loyale Gattin.

Vz 1/4 [Allzu große Güte/ kommt zu Tode]  Ludwig ist ein Mann guten Willens, der eine für seine Zeit

liberale Politik macht.  Diese gestattet es den Gegnern der alten Ordnung, sich breit zu entfalten. 

Er hält sich und den Thron für unangreifbar, und Naturell wie christliche Gesinnung halten ihn von

einem harten Durchgreifen zurück. Seine Unentschlossenheit und sein Zurückweichen vor Wider-

ständen hat beigetragen zum Ausbruch der Revolution, die ihn schließlich das Leben kostet (Kap.17).