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         Kapitel 6 Heinrich IV. von Frankreich (1589-1610)

    Den späteren König Henry IV., geboren 1553, hat N. als Knaben im

    Jahr 1565 kennengelernt.  Das kurze Treffen schildert Heinrich Mann

    in seinem biografischen Roman als verstörende Begegnung mit einem

    vor sich hin murmelnden Sonderling mit verschleiertem Blick, der

    schließlich zu seinem Begleiter sagt:  „Er ist es! Wenn Gott Ihnen

    die Gnade erweist, so lange zu leben, werden sie als Herrn einen

    König von Frankreich und Navarra haben.“

 

            Auszug aus dem historischen Inhaltsverzeichnis

            03/25     König von Navarra (Juni 1572)

            02/61     Die Flucht vom Hof in Paris (Februar 1576)

            06/71     Heinrich erhält Hilfe aus Britannien und dem Reich

            06/83     Seine Gegner werden von Alexander Farnese unterstützt

       10/18     Der Lothringer Konkurrent um die Krone Frankreichs unterliegt.
                    Heinrichs Exkommunikation aufgehoben

            09/50     Kardinal Karl von Bourbon, der >Rote im Interregnum<

            09/45     Der große „Mendosus“ wird sein Imperium erwerben

            10/45     Die Herrschaft Heinrich von Navarras gilt dem Seher als illegitim

         10/26     Heinrich als >Rächer<

            05/72     Ein >sinnenfrohes Edikt<

            01/54     Jahrhundertwende: Änderung der Religionsgesetzgebung

 

        König von Navarra (Juni 1572) 

 

03/25    Qui au royaume Nauarrois paruiendra/

Quand de (!) Secile & naples seront ioints:/

Bigorre & Landes par Foyx Loron tiendra,/

D’ vn qui d’ Hespaigne sera par trop côioint. (1555)

 

Dieser wird im Königreich Navarra emporkommen,/

wenn sie verbunden sein werden mit Sizilien und Neapel./

Bigorre und (die) Landes, durch Foix Oloron wird man haben/

von einem, der mit Spanien allzu verbunden sein wird.

 

3) Loron ist ein verkürztes Oloron, ein Städtchen im Béarn.  Außerdem macht

es Sinn, in dem –on am Ende des Worts das Subjekt zu tiendra zu erkennen.

 

 

         Vz 1/3 [König von Navarra…]  Im Juni 1572, mit achtzehn Jahren, erbt Heinrich die Titel seiner Mutter,

         wird u.a. König von Navarra; Graf von „Bigorre“;  Herzog von Albret, eines Herzogtums nahe den

         „Landes“;  Graf von „Foix“;  Graf von Béarn mit der Stadt „Oloron“-Sainte-Marie.  

         Vz 2  […wenn sie verbunden sein werden mit Sizilien und Neapel]  Sizilien und Neapel gehören damals

         zu Spanien und stehen als Decknamen für Spanien.  Die Zeile besagt demnach, dass sie  - die Mitglieder

         der französischen Königsfamilie -  im Sommer 1572 >mit Spanien verbunden< sein würden.  Das klingt

         diplomatisch harmlos, aber gemeint sind die Ereignisse vom August des Jahres, als allein in Paris

         mehrere tausend Hugenotten niedergemetzelt werden (Bartholomäus-Nacht).  König Karl IX. hat,

         von der Spanien-Guise-Partei und der Königinmutter bedrängt, sein Einverständnis dazu gegeben.  Das

         katholische Spanien ist immer für ein härteres Vorgehen gegen die >Ketzer< in Frankreich eingetreten.

         Vz 3/4 [Bigorre usw. wird man haben von einem …]  Als Heinrich von Navarra dann 1589 den zunächst

         noch umkämpften Thron Frankreichs besteigt, vereinen sich seine Titel mit der Krone Frankreichs,

         sie werden zu Krondomänen.  >Man<  - d.h. die Könige von Frankreich seitdem, seit dem Jahr 1589 - 

         werde diese Titel >von ihm haben<.

         Vz 4 [… der mit Spanien allzu verbunden sein wird]  Von seiner Mutter im reformierten Glauben erzogen,

         mit neun Jahren vom Vater unter Androhung von Prügel zur Teilnahme an der Messe gezwungen, tritt

         Heinrich von Navarra nach seiner Flucht vom Hof im Jahr 1576 wieder in die reformierte Kirche ein. 

         Er gilt damit den katholischen Eiferern, zu denen der Seher zählt, als >rückfälliger Ketzer<.  Auf den

         Thron Frankreichs gelangt, zieht er die Konsequenz aus der Einsicht, dass er den Frieden im Land nur

         als Katholik werde erwirken können, und tritt 1593 erneut über.  Aber der Seher misstraut ihm, er meine

         es nicht ernst, gebe sich nur den Anschein der Rechtgläubigkeit, werde in diesem Sinne mit der

         katholischen Vormacht „allzu verbunden“, nur dem Anschein nach eines Sinnes sein.  An einem

         „sinnenfrohen Edikt“, 5/72 (s.u.), werde man das dann auch bemerken.

 

        Die Flucht vom Hof in Paris (Februar 1576)

 

02/61   Euge, Tamins, Gironde & La Rochele:/

O sang Troien!  Mars (!) au port de la flesche/

Derrier le fleuue au fort mise l‘ eschele,/

Pointes a feu gran meurtre sus la bresche. (1555)

 

Vortrefflich, (ihr von der) Themse, Gironde und La Rochelle!/

O trojanisches Blut!  (Ein) Krieger im Hafen von La Flèche,/

hinter dem Fluss (wird) dem Starken die Leiter gereicht ./

Vorstöße mit Feuer, großes Gemetzel bei der Lücke.

 

1) Tamise Themse, Tamins sind verkürzte Tamisiens Anwohner der T.

2) Zu Troja s. Glossar unter -> Troien.  Zu Mars s. Glossar unter -> Mars.

3) N.m. fort 1. Starker 2. Stärke 3. Festung

4) N.f. pointe Spitze, militärisch auch: Angriffsspitze, Stoßkeil, Vorstoß

 

 

         Nach der Bartholomäus-Nacht sind Adlige in Paris, die protestantischer Neigungen verdächtig sind wie

         Navarra, obwohl inzwischen offiziell wieder Katholik, praktisch Gefangene des Königs, weil ihr Leben

         nur unter dessen Schutz halbwegs sicher ist.

         Vz 2 [La Flèche/ hinter dem Fluss …]  Als Heinrich von Navarra im Februar 1576 im Alter von 22 Jahren

         es wagt, sich vom Hof in Paris abzusetzen, überschreitet er bei Poissy die Seine, berührt Alencon und

         nimmt Aufenthalt in La Flèche, einem Städtchen im Herzogtum Vendôme, dem väterlichen Erbe.  Hier in

         der neutralen Provinz Anjou ist er vor eventuellen Verfolgern schon fast so sicher wie in einem >Hafen< 

         (zumal diese nur das Ziel seiner Flucht vermuten können, nicht den Weg).

 

„In La Flèche … wird auf seinen Wunsch ein Gottesdienst >à la huguenote<

abgehalten, obwohl er dem katholischen Glauben offiziell noch nicht abgeschworen

hat. …  Die Überquerung der Loire, die in Frankreich so eindeutig den Norden vom

Süden trennt, wirkte wie eine Befreiung auf ihn …“

 

              André Castelot, Heinrich IV., München 1992, S. 109f.

         Vz 3 [… Leiter gereicht]  Die >Leiter an der Mauer< ist das Bild schlechthin für eine heimliche Flucht,

         3/50 (Kap.17), und wenn eine >Leiter gereicht< wird, haben wir das Bild für Fluchthilfe.  Auf dem Boden

         der von Hugenotten beherrschten Provinz Poitou, wo auch La Rochelle liegt, eine Art Hauptstadt der

         französischen Protestanten, bekennt sich Heinrich offiziell wieder zum reformierten Glauben.  Er kann sich

         der Unterstützung der Adligen dieses Glaubens sicher sein und entspannt in Richtung Heimat weiterreisen.

         Vz 2/3 [Krieger/ Starker]  Zu dieser Zeit hat Heinrich von Navarra politisch und militärisch noch nicht die

         Stärke, die ihm erst in den 1580er Jahren zuwächst, als er die politische und militärische Führung der

         Hugenotten-Partei übernimmt.  Aber der Visionär übersieht die folgende Entwicklung und erkennt in

         Navarra den zukünftigen König von Frankreich.

         Vz 1 [Grund zur Freude auf der einen …]  Die Hugenotten hätten wegen der Flucht Heinrichs vom Hof

         Grund zur Freude (wenn sie wie N. in die Zukunft schauen könnten).  Sie sind gemeint mit Orten,

         an denen sie im Jahr 1576 gehäuft anzutreffen sind (s. z.B. dtv-Atlas Weltgeschichte [in einem Band],

         München 2006, S. 246).  In den Religionskriegen suchen Hugenotten in der Schweiz, aber auch in

         Britannien Zuflucht.  Mit den Themse-Anwohnern sind jene ausgewanderten Hugenotten gemeint,

         die sich auf eine Rückkehr freuen dürfen, wenn dann einer der Ihren König von Frankreich geworden

         sein wird.

         Vz  2 [… und zur Trauer auf der anderen Seite]  Das >trojanische Blut< ist das Blut der Könige von

         Frankreich, die seit König Dagobert im siebten Jahrhundert ihren Stammbaum auf den Trojaner Francus

         zurückführen.  Der Ausruf „O trojanisches Blut!“ klingt in Nostradamus‘ Mund bedauernd bis verzweifelt. 

         Denn er sieht die Einheit der Kirche in Frankreich den Bach hinuntergehen, wenn demnächst ein

         Hugenotte den Thron von Frankreich besteigt.  Die dadurch zementierte Spaltung der Kirche gilt

         ihm als verhängnisvoll.

         Vz 4 [Vorstöße mit Feuer/ Gemetzel …]  Am Ende geht es um die Folgen der Selbstbefreiung des

         „Kriegers“: natürlich weitere Kriege, die in der Tat erst 1598 zum Ende kommen.  N. will damit nahelegen,

         dass diese Kriege allein auf das Konto des Béarners gehen, was nicht zutrifft.  In diesen Kriegen wird

         >Feuer< eingesetzt, und gemeint ist wie öfters bei N. das Feuer des >Blitzes<, d.h. Bannstrahls bzw.

         des politischen Verbots der Hugenotten, wie es z.B. auf der Ständeversammlung von Blois im Dezember

         1576 und später noch einmal im Edikt von Nemours im Jahr 1585 ausgesprochen wird.

         Vz 4 [… bei der Lücke]  Damit dürfte das Absterben des Valois-Astes im Stammbaum der Könige von

         Frankreich gemeint sein, das im August 1589 eintritt, als der kinderlose König Heinrich III. ermordet wird

         und der Kampf um seine Nachfolge einsetzt.

 

        Heinrich erhält Hilfe aus Britannien und dem Reich

 

06/71    Quand on viendra le grand Roy parenter/

Avant qu’ il ait du tout son ame rendue:/

Celuy qui moins le viendra lamenter,/

Par lyons, d’ aigles, croix, couronne vendue. (1568)

 

Wenn man kommen wird, dem großen König die Totenehre zu

erweisen,/ noch bevor er seine Seele ganz zurückgegeben hat,/

(wird an) jenen, der ihn weniger bedauern wird,/ durch

Löwen (und) von Adlern Kreuz (und) Krone verkauft werden.

 

1) Lat. v. parentare am Grabe der Eltern oder Verwandten ein Totenopfer bringen

4) Zu Löwe und Adler s. Glossar unter -> lyon und -> aigle.

 

 

         Vz 1/2 [Obwohl großer König noch nicht tot, kommt man zur Totenehrung]  Nachdem König Heinrich II.

         sich bei einem Turnier am 1.7.1559 eine schwere Verletzung zugezogen hat, 1/35 (Kap.3), werden die

         besten Ärzte des Landes nach Paris gerufen, doch sie können den Tod nicht mehr verhindern.  Immerhin

         aber lebt der König noch knapp zehn Tage lang, so dass dem Hof relativ viel Zeit bleibt, sich mit dem

         Gedanken an den wahrscheinlichen Tod des Monarchen und die neue Lage danach vertraut zu machen. 

         Vz 3 [An jenen, der ihn weniger beklagt …]  In der zweiten Hälfte des folgenden Verses ist der damals

         fünfjährige Heinrich von Navarra gemeint, der durch das Aussterben der Valois, einsetzend mit dem

         Tod Heinrichs II., dreißig Jahre später thronfolgeberechtigt wird.  Diesen König, den der Seher wegen

         seines ursprünglich protestantischen Bekenntnisses mit Schmähungen überzieht, 9/45 (s.u.), wird hier

         unterstellt, er habe den Tod des Königs „weniger“ als andere „beklagt“.  Das hat mit der Realität nichts

         zu tun, sondern ist eine verdeckte Schmähung.  Denn das Aussterben der Valois ist 1559 überhaupt

         noch nicht abzusehen.

         Vz 4 [Kreuz und Krone verkauft]  England mit den drei Löwen im Wappen und die „Adlerländer“, d.h.

         die Fürsten im Reich, im Kaiserreich, haben nur indirekt dazu beigetragen, dass Heinrich von Navarra

         König werden kann.  Aber weder die französische Krone noch der katholische Glaube werden von

         Heinrich an fremde Mächte „verkauft“;  das ist eine Verzerrung der Tatsachen.    Richtig ist, dass in

         Heinrichs Heer auch deutsche, englische und andere Söldner aus protestantischen Ländern stehen; 

         doch ebenso lässt sich die katholische Partei vom verbündeten Ausland, von Spanien und dem Papst

         helfen, 6/83 (s.u.).

 

         Seine Gegner werden von Alexander Farnese unterstützt

 

   06/83    Celuy qu‘ aura tant d‘ honneur & caresses/

                    A son entree de la Gaule Belgique:/

                    Vn temps apres fera tant de rudesses;/

                    Et sera contre à la fleur tant bellique.  (1568)

 

                    Jener, dem soviel Ehrungen und Schmeicheleien zuteil werden/

                    bei seinem Einzug ins belgische Gallien,/

                    wird nach einiger Zeit große Rohheiten begehen/

                    und wird gegen die Blume sehr kriegerisch sein.

 

  

Vz 1/2 [Ehrungen beim Einzug ins belgische Gallien]  Gallia Belgica ist der Name einer römischen

Provinz, die Teile Nordfrankreichs, des heutigen Belgien und Südwestdeutschlands umfasste. 

Die dortigen habsburgischen Besitzungen fallen nach dem Tod Kaiser Karls V. im Jahr 1558 an das

Königreich Spanien unter König Philipp II., der weder politische noch religiöse Freiheiten duldet. 

Herzog Alba hat gleich zu Beginn seiner Statthalterschaft im Jahr 1567 eine große Zahl von nieder-

ländischen Adligen hinrichten lassen, während der Gemeinte erst später „große Rohheiten“ begeht.

Vz 3 [später große Rohheiten im belgischen Gallien]  Während der Statthalterschaft Alexander

Farneses (1578-1592) kommt es 1579 zur Spaltung in die spanientreuen Südprovinzen und den

von England beherrschten Norden. Im Jahr 1582 bitten die wallonischen Provinzen selbst den

spanischen König um die Entsendung von Truppen. 1584 wird Wilhelm von Oranien, der Führer

der Nordprovinzen, ermordet, nachdem die Spanier ihn für vogelfrei erklärt und ein Kopfgeld

ausgesetzt haben. Im Jahr 1585 kann Farnese Flandern und Brabant für Spanien zurückerobern.

Vz 4 [kriegerisch gegen die Blume]  Im Jahr 1590 kämpft Farnese auf Seiten der katholischen

Partei Frankreichs gegen den neuen französischen König, den Hugenotten Heinrich von Navarra,

der die Lilie im Wappen führt.

        Der Lothringer Konkurrent um die Krone Frankreichs unterliegt.
        Heinrichs Exkommunikation aufgehoben
  

 

10/18    Le ranc Lorrain fera place à Vendosme,

Le hault mys bas & le bas mys en hault,

Le filz d’ Hamon sera esleu dedans Rome,

Et les deux grands seront mys en deffault.  (1568)

 

Die lothringische Reihe wird für Vendôme Platz machen,/

der Hohe erniedrigt, und der Niedrige kommt hoch./

Der Sohn des Amon wird erwählt werden in Rom,/

und die beiden Großen lässt man scheitern.

 

3) Den Namen Amon oder Ammon, römisch Hamon, trugen 1. ein ägyptischer

Gott und 2. ein jüdischer König (2. Buch Könige 21), der Religionsvermischung

zuließ und ermordet wurde.

 

 

Vz 1/2 [Vendome steigt auf/ Lothringen steigt ab]  Heinrich von Navarra hat den Titel eines

Herzogs von Vendôme 1561 von seinem Vater geerbt, 3/25 (s.o.).  Am Pariser Hof, von dem

er erst 1576 flieht, 2/61 (s.o.), nennt man ihn abschätzig den „kleinen Vendôme“.  Nach dem

Tod des letzten Valois-Königs im Jahr 1589 kämpfen die katholische Partei, an der Spitze die

lothringischen Guisen, mit „Vendome“ um den Thron.  Sie haben Karl von Bourbon, den

Kardinal von Lothringen, zum König aufgestellt, 9/50 (s.u.). Er ist „der Hohe“, und der von N.

verachtete Hugenotte Heinrich von Navarra ist "der Niedrige". Bis 1594 kann Letzterer sich

durchsetzen, zunächst noch ohne Absolution durch den Papst.

Vz 2 [Erniedrigung des Hohen ?]   Sein Gegner muss dem neuen König selbstverständlich die

Treue schwören, was nur ein parteilicher Standpunkt, den N. gegenüber Heinrich IV. allerdings

einnimmt, als >Erniedrigung< werten kann.  Karl von Guise, dem Führer der katholischen

Partei, wird dann, was nicht selbstverständlich ist, die Regierung der Provence anvertraut. 

Vz 3 [Sohn des Amon in Rom erwählt]  Im September 1595 hebt Rom die Exkommunikation

Heinrichs auf und anerkennt den zum Katholizismus Konvertierten als katholischen König. 

Dass N. Heinrich hier als Sohn Amons bezeichnet wird, eines jüdischen Königs, der wegen

seiner Vielgötterei den Zorn Gottes auf sich zog (2. Buch der Könige Kapitel 21 Vers 26-31)

soll ihn als  g e i s t i g e n  Verwandten dieses Königs kennzeichnen.  Die Sohnschaft ist 

- wie die Sohnschaft Christi -  als geistige Verwandtschaft gemeint und außerdem als

Schmähung.  (Der Vers sagt also nichts über Antoine de Bourbon, den Vater Heinrichs,

wie Pfändler [1996 S. 733] meint.)  Für die allermeisten Katholiken des 16. Jahrhunderts

und so eben auch für N., ist eine Religion, die Anderes zu glauben lehrt als der Papst und

sich dazu als einzig wahrer Christenglaube erklärt, eine schlimmere Lästerung als jedes

Heidentum. 

 

 

        Kardinal Karl von Bourbon, der  >Rote im Interregnum< 

 

09/50   Mandosus tost viendra en son hault regne,/

Mettant arriere vn peu le Norlaris:/

Le rouge blaisme, le mal à l‘ interregne,/

Le ieune crainte & fraieur Barbaris.  (1568)

 

Übler Vendosme wird bald in seine hohe Stellung gelangen/

und dabei ein wenig zurücksetzen den Lothringer./

Der Rote(ist) erblasst, der Mann im Interregnum,/

der Junge gefürchtet, und Furcht vor den Barbaren.

 

1) Lat. adj. mendosus fehlerhaft, auch im moralischen Sinn

2) Aus Norlaris wird Lorrain Lothringen, mit einem überzähligen –s-

3) Zu rot s. Glossar unter -> rougeAltfrz. v. blesmir erblassen

lassen (rendre livide), zerquetschen (meurtrir)

4) Zu Barbaren s. Glossar unter -> barbare.

 

 

Vz 1/2/3 [Mandosus wird hoher Herrscher/ Lothringer = Roter …]  Aus Mandosus wird durch Um-

stellung der Buchstaben Vandosms;  abgewandelt zu Vendosme haben wir das Herzogtum, dessen

Namen Heinrich von Navarra seit 1562 trägt.  Dieser Hugenotte trägt nach dem Tod des letzten

Valois im Jahr 1589 den Titel eines Königs von Frankreich.  Die katholische Partei hat König

Heinrich III. noch zwingen können, Karl von Bourbon, den Kardinal von Lothringen, als Thronerben

zu benennen.  Diesen „Lothringer“, wegen seines Kardinalspurpurs auch der „Rote“ genannt, stellt

die katholische Liga zum Gegenkönig auf.

Vz 3 [… zurückgesetzt, erblasst/ Interregnum]  In jahrelangem Kampf kann sich Navarra bis 1594

durchsetzen.  Die Zeit von 1589 bis zur seiner Krönung im Jahr 1594 kann als „Interregnum“ be-

zeichnet werden.  Danach ist der Gegenkönig „blass geworden“, der Lothringer ist „zurückgesetzt“,

d.h. sein Anspruch auf den Thron abgewehrt.

Vz 4 [Furcht vor Ausbreitung der Barbaren]  Aus der Sicht der katholischen Partei ist Heinrich von

Navarra der „gefürchtete Junge“, weil er als Anführer der Hugenotten dafür sorgt, dass diese sich

behaupten und ihren Glauben ausüben können.  Ihre „Ausbreitung“ hat er nicht im Sinn  -  N. teilt

die Furcht der Katholiken und übertreibt.  Wer in Glaubensdingen nicht >die Sprache der katholi-

schen Kirche spricht<, gehört für den Seher zu den >Barbaren<; zum Begriff s. das Glossar.

 

 

        Der große „Mendosus“ wird sein Imperium erwerben 

 

09/45    Ne sera soul iamais de demander,/

Grand Mendosus obtiendra son empire/

Loing de la cour fera contremander,/

Pymond, Picard, Paris, Tyrron le pire.  (1568)

 

Kein Einziger wird jemals danach verlangen,/

der große Vendôme wird sein Imperium erwerben./

Weitab vom Hof wird er Gegenbefehl geben./  (Für)

Piemont, Pikardie, Paris, Thyrren(isches Meer ist er) der Ärgste.

 

1) Soul ist ein provencalisch abgewandeltes seul.

2) Lat. Adj. mendosus fehlerhaft, lasterhaft.

 

 

         Der Herzog von Vendôme  - diesen Titel trägt Heinrich von Navarra seit 1562 -  werde ein Imperium

         erwerben.  Da muss es sich um mehr handeln als das abgelegene kleine Königreich von Navarra. 

         Von Paris ist die Rede, Frankreich ist gemeint.  Dass der im reformierten Glauben erzogene Heinrich

         von Navarra einmal König von Frankreich sein werde, ist in den 1550er und 1560er Jahren überhaupt

         noch nicht abzusehen  -  eine gegen die Wahrscheinlichkeit  in Erfüllung gegangene Prophezeiung.

         Vz 2 [Mendosus erwirbt Imperium]  Aus MENDOSVS kann man VENDOSME machen, wobei ein S

         überzählig ist und ein E fehlt.  „Großer“ Vendôme heißt er, weil er 1589 König von Frankreich wird und

         seine Herrschaft bis 1594 durchsetzen kann.  

         Vz 3 [gibt Gegenbefehl weitab vom Hof]  Vorher hat er an den Religionskriegen auf der Seite der

         Reformierten als deren Anführer teilgenommen, „weitab vom Hof Gegenbefehl gegeben“ und ab 1590

         mehrere Jahre lang Paris belagert. 

         Vz 4 [Für Tyrrhenisches Meer der Ärgste] Der Kirchenstaat grenzt an das Tyrrhenische Meer.  Vom

         Papst 1585 mit dem Bann belegt, wird Heinrich IV. erst nach seinem erneuten Übertritt zum Katho-

         lizismus vom Papst anerkannt, seine Exkommunikation aufgehoben.  Das wertet N. als einen Miss-

griff Roms, 10/18 (s.o.). 

 

        Die Herrschaft Heinrichs von Navarra gilt dem Seher als „illegitim“ 

 

10/45   L‘ ombre du regne de Nauarre non vray,/

Fera la vie de sort illegitime:/

La veu promis incertain de Cambray,/

Roy Orleans donra mur legitime.  (1568)

 

Der Schatten der Herrschaft Navarras (ist) nicht wirklich./

Er wird das Leben führen eines illegitimen Schicksals./

Das abgelegte Gelübde von Cambray (ist) unsicher./

Der König (von) Orléans wird (die) Stadt legitim machen.

 

2) Die Wendung faire la vie  bedeutet:  sich dem Vergnügen überlassen

(se livrer au plaisir), unausstehlich sein (être insupportable)

3) Mittelfrz. n.m. veu Gelübde (voeu), es hätte also „Le“ statt „La“ stehen sollen.

4) Mur Mauer kann als pars pro toto für eine mauerbewehrte Stadt stehen,

s. Glossar unter -> mur.

 

 

Vz 1/2 [Navarra illegitim]  König Heinrich IV. von Frankreich ist, bevor ihm 1589 der Thron Frank-

reichs zufällt, bereits König von Navarra.  Vor 1589 wird er einfach „Navarra“ genannt, was N. hier

aufgreift.  Navarra ist nach dem Tod Heinrichs III., des kinderlosen letzten Valois, als dessen Vetter

aufgrund des salischen Gesetzes, 5/38 (Kap.13), der nächstberechtigte Thronanwärter.   Die Erb-

folge ist also in Ordnung.  Aber der Seher nimmt den Standpunkt der katholischen Partei ein, die

1. das protestantische Bekenntnis des Thronerben = sein >Ketzertum<,

2. seinen >Ausschluss aus der Christenheit< durch den Bann des Papstes und

3. seinen jahrzehntelangen Kampf gegen die katholische Partei in Frankreich

als Hindernisse für seine Anerkennung als König anführt. 

Vz 3 [Gelübde von Cambray unsicher]  Im April 1559 hat Heinrich II. mit Spanien, auf dessen Gebiet

Cambrai damals liegt, Frieden geschlossen (Friede von Cateau-Cambresis).  Wenn 30 Jahre

später mit Heinrich von Navarra ein Protestant auf den französischen Thron komme, sei dieser

Friede gefährdet.  Es werde dann zu Auseinandersetzungen mit der katholischen Vormacht kommen,

deutet N. an.  In der Tat muss Heinrich IV. sich auch mit spanischen Truppen auf dem Boden seines

Landes schlagen, um sich durchzusetzen.  Doch haben die Spanier in die jahrzehntelangen Kriege

in Frankreich schon mehrfach eingegriffen, nicht erst, als Heinrich von Navarra König wird.  Was

diesen angeht, ist N.s Sicht durch religiös bedingtes Ressentiment verzerrt, 5/72 (s.u.). 

Vz 4 [König von Orléans macht Cambray legitim]  Mit dem Namen der Stadt Orléans verbindet

sich der Kampf um die Freiheit Frankreichs im englisch-französischen Krieg.  Daher ist mit dem

„König (von) Orléans“ König Ludwig XIV. gemeint, der, anknüpfend an Jeanne d‘ Arc, das Land

zu Größe und Ruhm führt.  Cambrai kommt 1678 im Frieden von Nimwegen an Frankreich, die

Stadt wird „legitim“, d.h. der Hoheit des Königs von Frankreich unterworfen. 

 

 

Heinrich als >Rächer<

 

10/26    Le successeur vengera son beau frere,/

Occuper regne souz vmbre de vengeance,/

Occis obstacle son sang mort vitupere,/

Longs temps Bretaigne tiendra auec la France.  (1568)

 

Der Thronfolger wird seinen Schwager rächen,/

er greift nach der Herrschaft im Schatten der Rache./

Umgebrachte Gegnerschaft klagt sein Geblüt tödlich an./

Lange wird Britannien sich halten zusammen mit Frankreich.

 

3) Wegen des Attributs occis = Getötete besteht das „Hindernis“ aus Personen.

4) Bretaigne ist die Bretagne, aber im Kontext zeigt sich, dass N. hier das

ähnlich lautende Britannien versteckt hat.

 

 

Vz 3 [Umgebrachte Gegnerschaft]  In den französischen Religionskriegen, im >Krieg der drei

Heinriche< ab 1585, sowie in der Auseinandersetzung um die Thronfolge ab 1589 hat es auf

beiden Seiten viele Opfer gegeben.  Diese allein dem Anführer der protestantischen Partei an-

zulasten, ist eine einseitig verzerrte Darstellung des Sehers.

Vz 1/2 [Thronfolger als Rächer des Schwagers]  König Heinrich III. wird 1589 von einem fanati-

sierten Anhänger der katholischen Partei in Frankreich umgebracht.  Heinrich von Navarra ist

in erster Ehe mit Marguerite de Valois, einer Schwester Heinrichs III., verheiratet.  Grund, seinen

Schwager zu rächen, hätte er gehabt.  Als er sich 1593/94 den Thron erkämpft, müssen ihm seine

katholischen Gegner die Treue schwören.  Rache an ihnen hat er nicht genommen, wie es viele

seiner Anhänger erwartet und erhofft haben.  Er ist im Gegenteil darauf bedacht, die Wogen in dem

durch jahrzehntelangen Krieg zerrissenen Land zu glätten, 5/72 (s.u.).  Die Darstellung des Sehers

ist hier nicht nur verzerrt, sondern falsch.

Vz 4 [Britannien hält sich mit Frankreich]  Spanien, die Schutzmacht der katholischen Christenheit,

erlebt nach 1588 den Niedergang seiner Vormachtstellung, zeitgleich mit der Selbstbehauptung

des französischen Protestantismus in der Gestalt Heinrichs IV.  Diese Zeit hat der katholische

Seher als fremdartig empfunden, 6/2 (Kap.12).  Im 17. Jahrhundert werden Frankreich und England

zu den stärksten europäischen Mächten.

 

  

        Ein >sinnenfrohes Edikt<

 

05/72   Pour le plaisir d‘ edict voluptueux,/

On meslera la poison dans l’a foy:/

Venus sera en cours si vertueux,/

Qu‘ obfusquera du soleil tout à loy.  (1568)

 

Für das Vergnügen eines sinnenfrohen Edikts/

wird man das Gift in das Gesetz mischen./

Venus wird auf so >tugendhaftem Pfad< sein,/

dass sie (den Lauf) der Sonne verdunkeln wird, ganz legal.

 

2) Zu Gift s. Glossar unter -> poisonManche Ausgaben haben foy

statt loy.  Weil Glaube und Gesetz für N. eng zusammenhängen, ändert diese

Variante an den Aussagen des Verses nichts; so auch Pfändler [1996 S.399].

4) Zur Sonne als Symbol s. Glossar unter -> sol.

 

 

         Vz 2/4 [Das Gesetz/ Sonne]  Eine loy, ein Gesetz ist bei N. eine Rechtsordnung als ganze;  die Sonne

         steht bei ihm für den in Christus offenbar gewordenen Gott, offenbar als „das Licht der Welt und des

         Lebens“, Johannes Kapitel 8.  „Das Gesetz“, ohne nähere Angabe, in 5/53 [VII] explizit das "Gesetz

        der Sonne“, ist für N. die Rechtsordnung mit einem katholischen König an der Spitze und der katho-

         lischen Religion als geistiger Grundlage.

         Vz 1/4 [Edikt/ ganz legal]  Mit dem „Edikt“ ist das Toleranzedikt von 1598 gemeint.  (Die Edikte der

         Valois-Könige scheiden aus, weil sie nicht durchgesetzt werden können und sich N. über wirkungslos

         bleibende Gesetze nicht erregt haben wird.)  Heinrich IV. erstrebt darin einen Ausgleich, 1/54 (s.u.),

         zwischen dem Katholizismus, der Staatsreligion bleibt, und der „angeblich reformierten Religion“ der

         Hugenotten, wie sie in dem Edikt durchgängig heißt.  Den Reformierten wird garantiert, dass sie ihren

         Glauben ausüben dürfen;  wo sie was tun dürfen, wird im ganzen Land genau festgelegt.    N. ist wie

         vor den Kopf gestoßen:  Es dürfen >Ketzer< in Frankreich „ganz legal“ Gottesdienst feiern !

Vz 1/3 [Sinnenfrohes Edikt/ >tugendhafter Pfad<]  Durch diese Konfliktlösung zwischen den Parteien

im Dienst des Friedens gebe sich Liebesgöttin Venus den Anschein, auf >tugendhaftem Pfad< zu

wandeln. Das ist ein sarkastisch gemeinter Hinweis darauf, dass die Priester der Reformierten,

die heiraten dürfen, in Wahrheit nicht an die Religion, sondern nur an die Liebe dächten.  Dieses

Urteil des Sehers über den Wandel der Religionsgesetzgebung in Frankreich ist abwegig, wie

seine Beurteilung Heinrichs IV. überhaupt.  In dem Edikt konnte ein Zurück in die Zeit vor der

Glaubensspaltung nicht befohlen, sondern >nur< ein Beitrag zur Wiederherstellung des Friedens

im Land geleistet werden.

Vz 2/4 [Gift/ Lauf der Sonne verdunkelt]  Dass die Hugenotten ihren Priestern die Ehe erlauben,

gilt dem Seher als unmittelbar einsichtiger Hinweis auf die Verwerflichkeit und in diesem Sinn

>Giftigkeit< eines Edikts, das solchem Treiben nicht Einhalt gebietet.  Das geistige Licht, das

die katholische Religion spende, werde >verdunkelt<.  Aber ein Streitpunkt wie der des Priester-

zölibats ist ungeeignet, die Verwerfung des Toleranzedikts zu begründen, weil der Zölibat den

Glauben inhaltlich nicht betrifft.

[Einwand] Gegen diese Deutung wird denn auch eingewandt (Pfändler 1996), dass 1598 in den

katholischen Glauben selbst gar nicht eingegriffen worden sei, wovon Verszeile 2 und 4 doch

offenbar handelten.  Es trifft zu, dass in den katholischen Glauben nicht eingegriffen wurde, aber

der Einwand verkennt die Unversöhnlichkeit der Perspektive des Sehers.  Die Lehren der Huge-

notten sind für ihn wie für die katholischen Zeitgenossen eine ganz andere Religion.  Wenn eine

Religion auftritt, die Anderes lehrt als der Papst und zugleich der allein wahre Christenglaube sein

will, können die Menschen unsicher werden, ob die Kirche noch die Wahrheit auf ihrer Seite habe. 

Wenn dann die >Ketzer< auch noch mit Erleichterungen für den Priesterstand >locken< und ein

König ihnen Zugeständnisse macht, weil er selbst in Wahrheit einer von ihnen ist, 3/25 (s.o.),

können die Menschen verleitet werden zu meinen, ihr Seelenheil sei vielleicht für einen geringeren

Preis zu haben, als Rom ihn vorgibt.  Es werden 1598 keine Dogmen aufgehoben, doch das

Monopol der katholischen Kirche und die vorreformatorische Unangefochtenheit des von ihr

verkündeten Glaubens werden in Frage gestellt und dadurch vermeintlich geschwächt.  Dass

es verschiedene christliche Bekenntnisse geben kann, ist für uns heute selbstverständlich,

aber N. hat wie die meisten seiner Zeitgenossen diesen Schritt noch nicht vollzogen.

N.s Einseitigkeit ist nur durch seinen Glaubenseifer und dadurch erklärbar, dass ihm, der 1566

stirbt, die Erfahrung jahrzehntelanger Glaubenskämpfe, die 1562 erst beginnen, noch erspart

geblieben ist.  Seine Unfähigkeit zur Toleranz fällt heute auf, ist aber zu seiner Zeit das Übliche. 

Neu ist, dass König Heinrich IV. die Haltung der Toleranz nicht nur einnimmt, sondern sie auch

durchsetzen kann.  Unter ihm gibt es zwei legale Religionen, aber das Prinzip „E i n  König, e i n 

Gesetz“ bleibt gewahrt.

 

 

        Jahrhundertwende: Änderung der Religionsgesetzgebung

 

01/54    Deux reuolts faits du malin falcigere,/

De regne & siecles faict permutation:/

Le mobil signe à son endroict si ingere/

Aux deux egaux & d’ inclination.  (1555)

 

Zwei Umläufe vom üblen Sichelträger vollendet,/

(ist) Wandel der Regierung und der Jahrhunderte geschehen.

Das bewegliche Zeichen, auf dessen Gebiet mischt er sich ein

zwischen zwei Gleiche, (Gleiche) auch der Neigung nach.

 

1) Lat. v. revolvere zurückrollen, davon mittellat. revolutio Rückkehr, Umlauf

(von Himmelskörpern).  Lat. n.f. falx Sense, Sichel, v. gerere tragen,

Adj. falcifer sicheltragend.  Die moderne Bedeutung von révolte kommt

bei einem Planeten, der sie vollführt, nicht in Betracht.

2) N.f. permutation > lat. n.f. permutatio Wandel, Wechsel

3) V. s‘ ingerer (unberechtigt) einschreiten, sich einmischen (ohne gebeten

zu werden), meist abwertend

 

 

Vz 1/2 [Wandel der Regierung nach zwei Umläufen des Saturn]  König Franz I. von Frankreich will

den humanistisch Gebildeten keine Denkverbote auferlegen, aber die Einheit der Kirche unbedingt

bewahren.  Im Edikt von Fontainebleau werden am 1.6.1540 die Abweichler vom katholischen

Glauben verurteilt.  Knapp 58 Jahre später, kurz vor der Wende zum 17. Jahrhundert, erlässt

Heinrich IV. am 13.4.1598 das Edikt von Nantes, das den Hugenotten das Recht auf freie Aus-

übung ihrer Religion sowie Sicherheitsplätze in bestimmten Landesteilen gewährt.  Der Saturn,

damals gern dargestellt als Mann mit Sense, braucht für einen Umlauf 29,5 Jahre und hat seit

1540 fast „zwei Umläufe vollendet“.

Vz 3 [Auf dem Gebiet des beweglichen Zeichens mischt er sich ein …]  Wegen der Waagschalen

nennt N. das Tierkreiszeichen Waage das „bewegliche Zeichen“ (obwohl es astrologisch nicht zu

den beweglichen Zeichen gerechnet wird).  Das Zeichen Waage gilt als Gebiet des Ausgleichens

und Abwägens.  Wer „sich einmischt auf dessen Gebiet“, will demnach ausgleichen.  Und Heinrich

IV. ist in der Tat auf Ausgleich bedacht, als er 1598 das Recht auf freie Ausübung der Religion auch

den Hugenotten zugesteht.  

Vz 4 [… zwischen zwei Gleiche, auch der Neigung nach]  Doch es trifft nicht zu, dass Heinrich IV.

sich beiden Religionen gleichermaßen geneigt zeigt, was man doch daraus folgern müsste,

dass die Waagschalen „auf gleicher Höhe“ stehen.  Denn der Katholizismus bleibt Staatsreligion,

und die „angeblich reformierte Religion“ wird in dem Edikt mit spitzen Fingern angefasst. 

Aber dem Seher, der die Haltung der Toleranz nicht einnehmen will, scheint da der Geist einer

abwegigen Gleichmacherei zu herrschen, der das Existenzrecht beider Religionen behauptet.