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         Kapitel 3 Heinrich II. von Frankreich (1547-59)

          Auszug aus dem historischen Inhaltsverzeichnis

          06/12    Frankreich mit dem Papst im Bündnis gegen Spanien und England

          07/29    Franzosen gegen Spanier auf dem Boden Italiens, Herzog Alba schlägt den Papst

          04/57    Heinrich verdrossen über zwei Astrologen

          01/35    Fanfaren, dann stirbt er einen grausamen Tod

          06/63    Dame allein in der Herrschaft verblieben, langes Leben

 

        Frankreich mit dem Papst im Bündnis gegen Spanien und England

 

06/12    Dresser copies pour monter al‘ Empire,/

Du Vatican le sang Royal tiendra:/

Flamans, Anglois Espagne avec Aspire,/

Contre l’ Italie & France contendra.  (1568)

 

Sie stellen Truppen auf, hinaufzusteigen zum Reich,/

vom Vatikan wird am königlichen Geblüt festgehalten werden./

Flamen, Engländer, Spanien mit Speyer/

werden gegen Italien und Frankreich kämpfen.

 

1) Lat. n.f.pl. copiae Truppen

3) Speyer heißt im Mittelalter Spira Nemetum

4) Mittefrz. v. contendre kämpfen (combattre), wetteifern (rivaliser).

Statt contendront steht reimbedingt contendra.

 

 

         Vz 2/3 [Vatikan hält am (französischen) König fest]  Im Herbst 1555 schließt der Vatikan mit

         Heinrich II. von Frankreich ein Bündnis, das gegen die spanische Herrschaft in Italien gerichtet ist. 

         Vz 1/3/4 [Frankreich und Papst gegen das (Kaiser-)Reich und Spanien]  Als Papst Paul IV. den

         spanischen König mit dem Bann belegt hat, kommt es 1557 zum Krieg (Französisch-spanischer Krieg

         1557-1559).  Es ziehen Frankreich und der Papst gegen Spanien und den Kaiser zu Felde.  Zu Spanien

         gehören auch die „Flamen“ der Nordprovinz des Landes.  England, noch unter Maria der Katholischen,

         tritt im Herbst 1557 an der Seite Spaniens in den Krieg ein.  Gekämpft wird an zwei Schauplätzen,

         nämlich an der französischen Grenze zum Reich und in Italien.  Heinrichs Feldherr Guise gelangt nur

         durch das Reich (Savoyen, Piemont) zum italienischen Schauplatz.  Welche Rolle die freie Reichsstadt

         Speyer spielt, ist nicht geklärt;  sie steht vielleicht einfach als Teil für das Ganze, also für das

         Reich (des Kaisers).

 

        Franzosen gegen Spanier auf dem Boden Italiens,
                                Herzog Alba schlägt den Papst

 

07/29    Le grand Duc d‘ Albe se viendra rebeller/

A ses grans peres fera le tradiment:/

Le grand de Guise le viendra debeller,/

Captif mené & dressé monument. (1568)

 

Der große Herzog von Alba wird sich auflehnen,/

seinen Vorfahren wird er Verrat antun./

Der Große von Guise wird kommen, ihn niederzukämpfen./

Gefangener vorgeführt, und Monument aufgerichtet.

 

2) Tradiment gibt es nicht.  Lat. v. tradere, tradidi, traditum verraten.

Altfrz. gibt es das n.m. traissement Verrat (trahison)

3) Lat. v. debellare niederkämpfen

 

 

         Vz 1 /2 [Herzog Alba übt Verrat an Vorfahren]  Das Königreich Neapel ist im Jahr 1504 an

         Spanien gekommen.  Als Papst Paul V. (1555-1559), aus Neapel stammend, die spanischen

         Herren, die er hasste, aus Italien vertreiben will, tritt ihm ein Heer unter dem spanischen Herzog

         von Alba entgegen.  Ein Katholik bekämpft das Oberhaupt seiner Kirche, was N. als Verrat

         bezeichnet. Diese Gegnerschaft ist aber nur eine weltliche;  nach seinem siegreichen Einzug

         in Rom küsst Alba dem Papst den Fuß.

         Vz 3 [Großer von Guise kommt]  Der Papst hat zuvor die Franzosen zu Hilfe gerufen, und im April

         1557 ist ein französisches Heer unter dem Herzog von Guise, dem späteren Anführer der katholischen

         Partei in Frankreich, über die Alpen gezogen.  Doch Guise muss, als die Spanier in den Niederlanden

         bei St. Quentin gesiegt haben, unverrichteter Dinge wieder abziehen, um seinem bedrängten König

         zu Hilfe zu kommen.

         Vz 4  [Gefangener vorgeführt/ Monument aufgerichtet]  Papst Paul V. ist insofern >gefangen<, als ihm

         keine andere Wahl bleibt, als mit den verhassten Spaniern Frieden zu schließen.  Er wird behandelt

         wie ein >Gefangener<, d.h. bloßgestellt in seiner Machtlosigkeit. -      Auf Seiten der Spanier kämpfend,

         somit zu den Siegern gehörig, hat sich ein italienischer Adliger namens Marcantonio Colonna einen

         Namen gemacht (von Ranke, Die Päpste), derselbe, der sich später auch bei Lepanto hervortun wird. 

         Italienisch Colonna bedeutet Säule.

 

        Heinrich II. verdrossen über zwei Astrologen

 

04/57   Ignare enuie au grand Roy supportee,/

Tiendra propos deffendre les escriptz:/

Sa femme non femme par vn autre tentee,/

Plus double deux ne fort ne criz.  (1568)

 

Unwissender Verdruss wird dem großen König zugetragen/

er wird die Äußerung machen, die Schriften zu verbieten./

Seine Frau, (die) nicht (seine) Frau (ist), durch einen Andern

in Versuchung geführt,/

mehrere, zwei doppelte machtlos, (werden) nicht gerufen.

 

 

Vz 2 [Schriften …]  Der Seher hat seinen König, Heinrich II., vor Kämpfen gewarnt, weil sein Leben

dabei gefährdet sei, und hat diese Warnung auch in einigen Versen niedergelegt, 1/35 (s.u.),

3/55 (Kap.5). 

Vz 1/2/3 [… verbieten/ unwissender Verdruss/ Frau in Versuchung geführt]  Die Warnung wird von

seiner Frau Catherine, doch nicht vom Adressaten selbst ernst genommen.  Sie gilt ihm nur als

"unwissender Verdruss“, weil er Zukunftsschau für unmöglich hält.  Die Mätresse des Königs 

- die Frau, die nicht seine Frau ist -  wird durch einen anderen Astrologen gewarnt.  Beide Frauen

beschwören den König, die Teilnahme an einem Turnier im Juli 1559 abzusagen.  Doch dieser

will sich durch die Leichtgläubigkeit der Frauen in seiner Umgebung nicht beirren lassen.  Die

abwertenden Termini (unwissend, in Versuchung geführt) widerspiegeln die Haltung des Königs,

der anscheinend sogar überlegt hat, solche Äußerungen zu verbieten. 

Vz 4 [mehrere, zwei doppelte machtlos]  Aus dem Mund des Sehers klingen sie hintersinnig, denn

so kommt es, dass die Voraussage sich erfüllt.

 

     Fanfaren, dann stirbt er einen grausamen Tod

 

01/35   Le lyon ieune le vieux surmontera,/

En champ bellique par singulier duelle,/

Dans cage d’ or les yeux lui creuera:/

Deux classes vne, puis mourir, mort cruelle. (1555)

 

Der junge Löwe wird den alten überwinden/

auf dem Kampfplatz im Kampf Mann gegen Mann./

Im Käfig aus Gold die Augen wird er ihm ausstechen./

zwei Fanfaren, (noch) eine, dann stirbt er einen grausamen Tod.

  

2) N.m. duel Zweikampf.  Mittelfrz. n.m. duel Zweikampf (combat singulier).  Der

Ausdruck singulier duelle ist genau genommen tautologisch (= doppelt gemoppelt)

3) Zu Gold s. Glossar unter -> or.

4) N.m. glas Totenglocke, Totengeläut, altfrz. n.m. clas Lärm, Tumult, Trompetensignal,

Fanfare. Die Pluralform hätte korrekt clas sein müssen.  Das lat n.f. classis Flotte

ergibt hier keinen Sinn.

 

 

Vz 1 [Alter und junger Löwe]  Der Löwe gilt als der Fürst aller Tiere, wird so z.B. im Physiologus

genannt.  Die Rede vom Löwen weist somit hin auf Vorgänge im Königshaus.  Heinrich II. ist 1559

erst vierzig Jahre alt;  sein Alter bedeutet hier seinen hohen Rang.  Der „junge Löwe“ lässt an einen

Königssohn denken.  Gemeint ist aber einer aus dem Gefolge des Königs, der Kommandant der

schottischen Garde, Graf de Lorge, der im Rang weit unter dem König steht. 

Vz 2/4 [Fanfaren/ Zweikampf/ grausamer Tod]  Am 1.7.1559 treten beide zum Turnierkampf an. 

Man reitet gepanzert aufeinander zu und versucht mit Lanzen, den Gegner aus dem Sattel zu heben; 

der ganze Hofstaat, auch Frau und Mätresse, ist anwesend.  Vor jedem Waffengang ertönt eine

Fanfare.  Beim dritten Aufeinandertreffen bricht die Lanze des Gefolgsmannes, und das zersplitterte

Ende dringt durch den Helm des Königs in ein Auge und weiter ins Hirn ein.  Es wird also nur ein

Auge, es werden nicht „die Augen“ ausgestochen.  Dann >regiert ein Auge das Land<, 3/55 (Kap.5),

und nach qualvollem Krankenlager stirbt der König zehn Tage später.

Vz 3 [Käfig aus Gold]  Die Kombattanten tragen Helme, aber die sind aus Eisen, nicht aus Gold. 

Gold kann bei N. die Lehre Christi bedeuten, s. Glossar;  bringt N. Herrscher in Verbindung mit Gold,

stehen sie an der Spitze einer durch den christlichen Glauben legitimierten Ordnung.  Damit enthält

der Vers neben dem >alten Löwen< einen zweiten Hinweis darauf, dass es sich um einen König

handelt, der zu Tode kommt.

 

        Dame allein in der Herrschaft verblieben, langes Leben

 

06/63   La dame seule au regne demeuree,/

L‘ vnic estaint premier au lict d‘ honneur,/

Sept ans sera de douleur exploree,/

Puis longue vie au regne par grand heur.

 

Die Dame allein in der Herrschaft verblieben,/

der Einzigartige ausgelöscht als erster auf dem Bett der Ehre./

Sieben Jahre wird sie vom Schmerz geprüft sein,/

dann langes Leben in der Herrschaft bei großem Glück.

 

3) V. explorer eigentlich: erforschen

4) Altes n.m. heur Glück

 

 

Vz 2 [Einzigartiger ausgelöscht auf dem Bett der Ehre]  N. huldigt seinem König in der Vorrede in

hohen Tönen, VH (1) bis (3).  Dazu passt es, wenn er hier „der Einzigartige“ heißt.  Die Teilnahme

an Ritterturnieren gilt damals als Sache der Ehre.  Bei einem solchen Turnier lebensbedrohlich

verletzt, 1/35 (s.o.), stirbt der König im Juli 1559 „auf dem Bett der Ehre“.

Vz 1/3 [Dame allein in der Herrschaft/ sieben Jahre Schmerz]  Seine Frau Catherine aus dem

Geschlecht der Medici bekommt dadurch, auch wegen der Minderjährigkeit ihrer Söhne, die dann

nacheinander König werden, maßgeblichen Einfluss auf die Politik in Frankreich, den sie bis kurz

vor ihrem Tod im Jahr 1589 behält.  Nach dem Tod ihres Gatten tritt sie im schwarzen Witwengewand

auf, heißt deshalb bei den Zeitgenossen die schwarze Königin.  Ihre Trauerzeit dauert offiziell bis

zum 1.8.1566, also sieben Jahre.

Vz 4 [Langes Leben, großes Glück]  Das „lange Leben in der Herrschaft“ ist klar.  Und das „große

Glück“ braucht man nicht anzuzweifeln, denn es will im Verskontext nur der Kontrapunkt zu dem

angekündigten Übel, dem vorzeitigen Verlust des Gatten sein.